Das Interesse ist groß, als es im Gemeinderat um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu Windenergie geht. Doch als die Stadträte die Haltung ihrer Fraktionen darlegen, werden sie aus dem Zuschauerbereich unterbrochen. Die Fragestellung ist jedoch geändert.
Die Stühle der Stadthalle sind dicht besetzt, als der Gemeinderat das Thema „Entscheidung über Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens“ zur Verpachtung kommunaler Flächen für Windenergieanlagen auf der Tagesordnung hat.
Und zum Anfang ein Paukenschlag. Bürgermeister Jens Keucher teilt mit, dass ein überfraktioneller Antrag die Fragestellung dahingehend geändert habe, dass Freiflächen nun ausdrücklich ausgenommen seien.
Einschätzung des Städtetags
„Sollen Waldflächen, welche im Eigentum der Stadt Sulz am Neckar sind, für die Nutzung für die Nutzung durch Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden?“, liest er die aktualisierte Form vor.
„Wir haben es zuerst mit Beratern des Gemeinde- und Städtetages vorgeprüft“, beschreibt Keucher das Vorgehen. Diese – allesamt keine Juristen – hätten das Begehren als zulässig eingeschätzt. So sei es auch beim Gespräch mit den Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens kommuniziert worden.
Urteil eines Verwaltungsgerichts
Die Frage nach der Zulässigkeit des Begehrens habe sich erst Mitte August ergeben und entsprang einem Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden. Dieses hatte verfügt, dass ein Bürgerentscheid zum Bau von Windkraftanlagen der Gemeinde Selters nicht stattfinden könne.
Der Grund: Bei einem Kostendeckungsvorschlag müssten auch diejenigen finanziellen Folgen berücksichtigt werden, die entstünden, wenn eine zukünftige Einnahme nicht erfolge. Nur so könnte den Bürgern auch die finanzielle Tragweite und Konsequenzen ihrer Entscheidung deutlich gemacht werden.
Juristen haben Bedenken
Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, habe Keucher mit Blick auf die neue Rechtssprechung ein Rechtsanwaltsbüro mit der Überprüfung der Zulässigkeit beauftragt, die als negativ beschieden wurde.
Um eine zweite Sichtweise einzuholen, fragte er bei einer weiteren Kanzlei an – hier war das Fazit ebenfalls ablehnend.
Begehren ist unzulässig
Patrik Helbig, eine der Vertrauenspersonen des Begehrens, appellierte an die Stadträte, gegen den Vorschlag der Verwaltung und für den des Bürgerbegehrens zu stimmen. „Es ist kein guter politischer Stil, die Vertrauenspersonen nicht über die Anfrage bei der Kanzlei zu informieren“, hielt er fest.
Schließlich stimmen 18 Räte für die Unzulässigkeit des Entscheids, es gibt eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen.
Es gibt viele Facetten
In einem Plädoyer kommen noch einmal die einzelnen Fraktionen zu Wort. André Amon (SPD/GAL) hebt die Heterogenität der Windkraft-Kritiker hervor.
„Einige sind für Windkraft, aber eben nicht im Wald, andere wollen Windkraft, aber eben nicht der der Haustüre.“ Die Forstgemeinschaft sorge sich um den Wald und auch die Jäger seien sich uneins. „Andere lehnen die Windkraft per se ab“, erläutert er.
Empörte Rufe von Zuhörern
Dem Gemeinderat mache die Spaltung der Gemeinschaft Sorge, man müsse wieder ins Gespräch kommen. Doch stelle der Klimawandel eine reale Bedrohung für die Menschheit dar, führt Amon aus – von Pfiffen und lautem Klatschen aus den Zuschauerrängen begleitet.
„Danke für deinen Vortrag“, greift Siegfried Dölker (CDU) den Beitrag seines Vorredners auf – es kommt zu empörten Rufen. Auf der Dicke sei der Mindestabstand von 1000 Metern zu jeglicher Wohnbebauung beschlossen worden.
„Wie weiter mit Kitas?“
„Auf privaten Flächen muss der Abstand nur 750 oder 500 Meter betragen“, verdeutlicht Dölker den Gegensatz zu Planungen außerhalb des Gemeindebesitzes. „Die Einnahmen kommen den Bürgern zugute“, weist er auf die Pachteinnahmen für kommunale Flächen hin.
Auch Jürgen Huber (FWV) hebt dies hervor. „Für unsere Kinder und Enkel wird es sehr schwer, wenn wir keine Einnahmen generieren.“ Die Frage sei dann: Wie weiter mit Schulen und Kitas? Deshalb sei es wichtig, dass das Geld in die Stadtkasse fließe.
Keine Grabenkriege mehr
Udo Schubert (AfD) hält fest, dass er Leute zwar beraten, aber keinen Einfluss auf den Bürgerentscheid gehabt hätte. „Wir als Nicht-Juristen wissen nicht, ob die Anwaltskanzlei recht hat“, erläutert er die beiden Enthaltungen. Doch sehe er es kritisch, dass eine Industriegesellschaft mit „Flatterstrom“ aus Sonne und Wind versorgt werden könne.
Zum Schluss wünscht sich Stadtrat Wilhelm König (FWV), dass man „Druck aus dem Kessel“ nehme und die aktuellen Grabenkriege beiseite lege. Auch empfahl er, sich um den Ausbau von Speichermöglichkeiten zu kümmern.
Der Gemeinderat stimmt einstimmig für den Bürgerentscheid am 8. Dezember mit der anfangs geänderten Fragestellung.