Die Big Band W aus Lahr hat am Wochenende zwei besondere Künstler gewürdigt. Zur Erinnerung an seinen Gründer Carlo Bäder und Arrangeur Peter Herbolzheimer spielte das Ensemble am Samstagabend und am Sonntagmittag im Schlachthof.
Bei dem Konzert am Sonntag war der Schlachthof nahezu ausverkauft, am Samstagabend waren alle Karten bereits im Vorverkauf weggegangen. Beim Besuch unserer Redaktion am Sonntagmorgen war das Ensemble glänzend aufgelegt. Die Solisten sowie die 18 Musiker samt Bandleader Hanjo Gißler und Sängerin Isabell Haist überzeugten als Ensemble oder Einzelkünstler.
Viele Stücke gehörten dabei zu den Klassikern des Big Band Sounds, der in den USA Ende der 1920er-Jahre den Sprung von den Clubs in die Music-Halls schaffte. Hanjo Gißler, der seit Jahren die Big Band leitet und selbst als Solist mit der gedämpften Posaune überzeugte, stellte alle Stücke samt Anekdoten kurz vor.
Die Klassiker – darunter der „Moten Swing“ (1932) des „Kansas City Jazz Orchestras“ und seines aufstrebenden Pianisten namens Count Basie – oder „Quien Sabé“ aus dem Jahr 1939 spielte das Ensemble gewohnt souverän– ebenso wie alle anderen Stücke.
Der „Girls Talk“ hat einen fließenden Übergang von Bäder zu Herbolzheimer
Eine erste Überraschung war der „Girls Talk“: Die Big Band begann das Stück mit einem Arrangement von Bäder und wechselte nahtlos zu einem Arrangement von Herbolzheimer über. Der Übergang war so fließend, dass eine Abgrenzung nicht auszumachen war. Nur war irgendwann deutlich zu hören, dass das Arrangement nun doch anders klang. Chapeau! Übrigens: Das Solo Gißlers mit der gedämpften Posaune markierte hier nicht den Wechsel.
Beide Arrangements des „Girls Talk“ waren im Vergleich zu anderen Stücken der Matinee eher getragen. Das veranlasste Gißler nach dem Beifall zu der Bemerkung, dass es doch ungewöhnlich sei, dass ein Gespräch unter Mädchen so langsam und geordnet klingen würde – auch für den gelungenen Gag gab’s Applaus.
Ein anderer eher ungewöhnlicher Tribut war der „Fat Man Boogie“ ebenfalls von Herbolzheimer, der laut Gißler eine eher vollschlanke Figur hatte. Der Sound erinnerte ein Stück weit an die Tatsache, dass die Urmutter des Jazz in allen Varianten immer noch der Blues ist. „My Kind of Sunshine“ schrieb Herbolzheimer für seine Band „Rythm, Combination & Brass“ in den 1970er-Jahren. Das Arrangement sprengte hier den musikalischen Rahmen, den das Ensemble ansonsten weitgehend einhielt.
Das Intro von Gitarre und Keyboard gehörte zu Klängen, die später Pat Metheny verwenden würde und erinnerte sogar entfernt an die Sphärenklänge von „Tangerine Dream“, einer deutschen Combo, die Ende der 1960er-Jahre mit Electronic Pop bekannt wurden. Der Übergang zum dann wieder satten Sound der Big Band geschah ohne Brüche. Das gehört zu der Qualität der Big Band W – die Arrangements samt Soli sind sehr genau arrangiert.
Isabell Haist überzeugte mit ihrer Stimme – als Sängerin – und als Solistin mit der Bratsche, ein Saiteninstrument, das in einer Big Band sehr selten ist. Da machte es auch nichts aus, dass die verdiente zweite Zugabe als Rausschmeißer nun überhaupt nicht taugte: „Proud Mary“ ist ein simpler Rock-Song der kalifornischen Band „Creedence Clearwater Revival“ von 1969.
Eine junge Sängerin namens Tina Turner sorgte zwei Jahre später – zusammen mit ihrem Ehemann Ike – für eine soulige und jazzige Variante des Liedes, das von einem Schaufelrad-Dampfer namens „Proud Mary“ auf dem Mississippi erzählt. Wie Haist und die 18 Musiker das im Schlachthof neu inszenierten, war meisterhaft.
Bäder und Herbolzheimer
Carlo Bäder (1934 – 2007) wäre im vergangenen Jahr 90 Jahre alt geworden. Der Musikpädagoge veranstaltete 1988 einen Workshop, der das Gründungsdatum der Big Band markiert. Das „W“ steht schlicht für den ganz offensichtlich erfolgreichen Workshop. Peter Herbolzheimer (1935 – 2018) machte sich als Arrangeur unter anderem bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 1972 in München und als Bandleader einen Namen. Viele Bläserarrangements, die Udo Lindenberg veröffentlichte, stammen von Herbolzheimer, der in Bukarest zu Welt kam. Mit der Stadt Herbolzheim im Breisgau hat er nichts zu tun.