Blick ins Spielzimmer: Dort können die Kinder, die im Frauenhaus untergebracht sind, spielen. Foto: Verena Parage

Am 8. März ist internationaler Frauentag. Für die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses im Landkreis Calw ist das ein Anlass, Einblicke in ihre Arbeit zu geben: Sie betreuen Frauen und deren Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Dies im frisch renovierten Frauenhaus, das Besonderheiten bietet.

Rosa, die nicht so heißt, hat fernab ihres Zuhauses eine sichere Zuflucht gefunden. Über ihr vergangenes Leben spricht sie nicht. Aber darüber, wie schwer es ist, zur Ruhe zu kommen: Rosa und ihre vier Kinder haben ihr altes Leben zurückgelassen. Auf der Suche nach einem sicheren Ort sind sie im Frauenhaus im Kreis Calw untergekommen. Die Frauen und Kinder, die dort leben, haben alle unter häuslicher Gewalt gelitten – so lange, bis sie es nicht mehr aushielten und aus ihrem gewohnten Umfeld geflohen sind.

 

Rosa weiß noch genau, wie erleichtert sie war, als sie eine Zusage erhalten hat. Denn Plätze für eine Mutter mit vier Kindern sind kaum zu bekommen. „Ich war glücklich“, sagt sie. Sozialpädagogin Lisa Sommer, die damals am anderen Ende des Telefons war, erinnert sich noch daran, wie glücklich: „Du hast geweint vor Erleichterung.“

Die Hilfseinrichtungen Auch Lisa Sommer heißt nicht wirklich so. Sie und ihre Kolleginnen Loni Müller und Franziska Maybach, die eine ist ebenfalls Sozial-, die andere Traumapädagogin, nutzen Pseudonyme. Wo im Landkreis Calw sich die Schutzeinrichtung befindet, ist geheim – zum Schutz der Frauen und Kinder.

„Aktuell fehlen 13 400 Frauenhausplätze in Deutschland“, berichtet Müller. 37 300 Frauen würden jedes Jahr abgewiesen. Weil es keinen freien oder keine passenden Plätze gibt oder weil die Kosten für ihren Aufenthalt von niemandem übernommen werden und sie selbst es nicht bezahlen können. In jedem Fall ist es eine Katastrophe für eine Frau, die zu Hause missbraucht wird und fliehen möchte.

Einrichtung exisitiert seit 1992

Das Calwer Frauenhaus Die Schutzeinrichtung im Landkreis Calw existiert seit 1992, getragen wird sie vom Verein Frauen helfen Frauen e.V.. Insgesamt bietet sie 20 Plätze für Opfer und, falls vorhanden, deren Kinder. Und was für schöne: Denn das Frauenhaus wurde umfangreich saniert. Neu gibt es nun ein Zimmer für bis zu sieben Personen, also eine große Familie, und ein barrierearmes Zimmer. Beides ist in deutschen Frauenhäusern bisher eine Seltenheit.

Der Umbau Wie anstrengend die Bauzeit war, das klingt immer wieder an, wenn vor allem Franziska Maybach, Hauptverantwortliche für den Umbau, davon erzählt. Fördermittel des Bundes speziell für Frauenhäuser haben es erst möglich gemacht, dass der Verein das Gebäude kaufen – zuvor war es lediglich gemietet – und aufwendig sanieren und umbauen konnte.

Gleich 2020 hätten sie sich für das Förderprogramm beworben, berichtet Maybach. 90 Prozent der Kosten übernahm der Bund, zehn Prozent hätte eigentlich der Trägerverein bezahlen müssen. Allerdings übernahm Baden-Württemberg als eines von wenigen Bundesländern für alle Projekte des Bundesförderprogramms im Land den Eigenanteil und zeigte so großes Interesse am Kampf gegen Häusliche Gewalt.

Die Bauzeit Dennoch leistete der Verein einen Eigenanteil. Mit dem Kauf und Umbau des Gebäudes, der 2021 losging, war es nämlich nicht getan. Während der Bauzeit zog die Einrichtung in ein Übergangsquartier, für den Umzug fielen genauso Kosten an wie für die Einlagerung des Mobiliars. So wurden beispielsweise die Küchen gelagert und nach der Renovierung wieder eingebaut.

Noch viel wichtiger wurden während dieser Zeit die Ehrenamtlichen, die sich im Frauenhaus ohnehin einbringen: Sie leisteten unzählige Fahrdienste, um die Kinder angesichts weiterer Wege in den Kindergarten oder zur Schule zu bringen. Und sie haben auf der Baustelle unermüdlich geputzt. Dieser Einsatz für das Frauenhaus „war schon sehr berührend“, sagt Maybach.

Der Neubeginn Seit 1. April 2024 ist das Frauenhaus wieder bezogen. Noch immer ist nicht alles fertig, aber wie eine Baustelle sieht das Gebäude nicht mehr aus. Dabei wurde fast alles erneuert. Elektrik, Wasser- und Abwasserleitungen sowie Heizungsrohre. Außerdem wurde aufgestockt, und das Haus erhielt einen Aufzug. „Da ist wirklich eine Barriere abgebaut worden“, sagt Franziska Maybach.

Dasselbe gilt für das Stockwerk mit einem barrierefreien Zimmer. Dort, genauso wie in der Küche und im Waschraum, kann sogar eine Frau im Rollstuhl manövrieren.

Außerdem hat nun jedes Zimmer ein eigenes Bad. Früher mussten drei Toiletten und pro Stockwerk ein Badezimmer reichen. Wenn sich vier Familien dieses eine Bad teilten, dann sei das oft eine Konfliktquelle gewesen, erzählt die Traumapädagogin.

Alle Zimmer sind in einem freundlichen Blau gestrichen, die Vorhänge und Möbel schaffen eine angenehme Atmosphäre. Die Frauen sollen sich wohlfühlen – dieser Gedanke ist beim Gang durchs Haus zu spüren.

Dort befinden sich auch ein Besprechungsraum, gemütliche Wohnzimmer, ein Spielzimmer, ein Raum für die Jugendlichen und auf jedem der drei Stockwerke ein Büro. „Das alles braucht es für diese Arbeit auch“, erklärt Fanziska Maybach.

Die Frauen und Kinder sind traumatisiert. Es geht nicht nur darum, ihnen ein Bett zur Verfügung zu stellen: Im Frauenhaus sollen sie auch Kraft tanken und fit werden für ein selbstständiges und gewaltfreies Leben.

Der nächste Schritt Im Schnitt bleiben die Bewohnerinnen etwa drei Monate lang. Viele aber auch sieben oder acht. Rosa ist seit gut sieben Monaten im Kreis Calw zu Hause. „Ich bin dankbar“, sagt sie über ihre Zeit im Frauenhaus. Und: „Ich bin ohne Sorge.“ Hier sei sie sicher und bekomme die Hilfe, die sie brauche.

Das bemerkt sie auch an ihren Kindern. Die fühlen sich so sicher, dass sie sich inzwischen alleine durchs Haus bewegen und nicht immer in der Nähe ihrer Mutter bleiben. So lasse sich der Erfolg ihrer Arbeit messen, meint Franziska Maybach: Wenn die verängstigten betroffenen Frauen und Kinder von einst sich wieder sicher fühlen.

Dann könne man am Trauma arbeiten, und die Frauen und Kinder sind bereit für den nächsten Schritt. So wie Rosa: Sie spürt, dass es nun Zeit ist, eine eigene Wohnung zu suchen.

Weitere Informationen zum Frauenhaus und Kontaktmöglichkeiten – sowie Möglichkeiten, um die Einrichtung zu unterstützen – finden sich im Internet unter www.frauenhaus-calw.de. Trotz Fördermitteln ist das Frauenhaus für seine Arbeit auch auf Spenden angewiesen.