Das Blumberger Ventilwerk reagiert mit Kurzarbeit auf den coronavirusbedingten Rückgang der Aufträge. Die europäischen Autobauer haben die Großzahl ihrer Werke geschlossen. Dank Tarifbindung mit Aufzahlungen fallen die Einbußen der Mitarbeiter weniger hoch aus als in anderen metallverarbeitenden Betrieben. Foto: Niederberger

Nachfrage der Autobauer eingebrochen. Tenneco gewährt Beschäftigungssicherung.

Blumberg - Wegen der Coronavirus-Pandemie hat Europas Autobranche zu einer beispiellosen Vollbremsung angesetzt - nahezu alle Werke wurden dichtgemacht. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit, bis dem Ventilwerk in Blumberg-Zollhaus die Aufträge wegbrechen.

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Tenneco hat ab dem 1. April Kurzarbeit auf unbeschränkte Zeit für seine Niederlassung auf der Baar beantragt, in der rund 720 Mitarbeiter beschäftigt sind.

So soll das Produktionsvolumen der reduzierten Kundennachfrage angepasst werden, erklärt ein Sprecher der Tenneco-Zentrale in Wiesbaden. Und weiter: "Unsere Zeitpläne werden generell durch die Lieferabrufe unserer Kunden bestimmt. Derzeit lassen viele unserer Kunden in dieser schwierigen Lage ihre Produktion ruhen. Darauf reagieren wir nachfrageabhängig in enger Abstimmung mit unserem Betriebsrat im Rahmen der vom Gesetzgeber bereitgestellten Möglichkeiten."

Entlassungen nicht möglich

Der schlechten Kurzarbeit-Nachricht steht eine gute gegenüber: Solange die Kurzarbeit andauert, gebe es für die Belegschaft eine Beschäftigungsgarantie, Entlassungen seien nicht möglich. Das sagt Gewerkschaftssekretär Oliver Böhme von der IG Metall. Das Abkommen gelte für die Mitarbeiter in der Produktion und in der Verwaltung. Gleichzeitig ist vereinbart: Bevor jemand in Kurzarbeit geschickt wird, richtet die Personalabteilung zunächst ihren Blick auf das Überstundenkonto. Es muss reduziert werden, ehe Kurzarbeit angeordnet werden kann. Die Überstundenkonten sind bei zahlreichen Ventilbauern gut gefüllt. Bis Frühjahr vergangenen Jahres wurde in der Blumberger Niederlassung auch an Samstagen und Sonntagen gearbeitet, so gut war die Auftragslage.

Der Tarifvertrag Beschäftigungssicherung bietet generell die Möglichkeit einer vorübergehenden Absenkung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 30 Stunden. Die Beschäftigungsgarantie bietet auch Tenneco Vorteile: Der US-amerikanische Autozulieferer kann auf die schwache Auftragslage mit entsprechend niedrigerem Arbeitseinsatz reagieren und spart sich die Lohnkosten für die abgesenkte Arbeitszeit. Zu diesen Einsparungen gehört auch der Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben. Gleichzeitig bewahrt der Arbeitgeber seine personellen Kapazitäten. Er verliert nicht das Know-how entlassener Beschäftigter und muss später nicht mühevoll nach neuem Personal suchen, wenn es wieder aufwärts geht. Die Beschäftigungsgarantie habe sich bereits in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 bewährt, urteilt Gewerkschaftsfunktionär Böhme.

60 Prozent des Nettolohns

Wer in welchem Umfang bei Tenneco in Kurzarbeit geht, wird durch die Vorgesetzten in den jeweiligen Bereichen gesteuert – die Rahmenbedingungen hierfür hat eine paritätische Kommission aus Betriebsrat und Arbeitgeber festgelegt. Das gesetzliche Kurzarbeitergeld, 60 Prozent des Nettolohns (67 Prozent mit Kindern), wird dank der Betriebsvereinbarung und der guten tariflichen Aufzahlungsregeln des normalen Nettoeinkommens in der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie aufgestockt und somit die Einkommensverluste abgemildert. Zudem können die Beschäftigten in der Kurzarbeitsphase Urlaub einbringen. Außerdem ist geregelt, dass sich die Einkommenseinbußen weder auf Urlaubsgeld, Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge oder tarifliche Jahresleistungen auswirken.

Die IG Metall fordert nun, dass die für die Arbeitnehmer vergleichsweise guten Vereinbarungen zwischen der Gewerkschaft und Tenneco auch von Unternehmen übernommen werden sollten, die nicht tarifgebunden sind. Grundsätzlich begrüßt die Gewerkschaft die wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen der Bundesregierung, im Rettungspaket stecke leider auch eine gehörige Portion Ungerechtigkeit. Der Staat helfe den Unternehmen mit sehr viel Geld, sogar die Beiträge zur Sozialversicherung erstatte er den Arbeitgebern zurück – nicht nur die Arbeitgeberanteile, sondern auch den Anteil der Beschäftigten. Das sei nicht gerecht. Denn Unternehmen bestünden nicht nur aus ihren Eigentümern, sondern auch aus ihren Beschäftigten.

Und viele von ihnen müssten aufgrund von Kurzarbeit Einkommenseinbußen hinnehmen. Warum könne die Unterstützung durch den Staat nicht zur Hälfte – und damit in Höhe des Arbeitnehmeranteils – an die Beschäftigten weitergegeben werden, fragt die IG Metall.

1906 in Frankfurt gegründete Firma

1945 kam die im Jahr 1906 in Frankfurt gegründete Firma "Alfred Teves Maschinen- und Armaturenfabrik KG" nach Blumberg. Mit 30 Mitarbeitern wurden 70.000 Ventile gefertigt. Es ging stetig bergauf, bis im Januar 1956 eine Verlagerung der Produktion nach Barsinghausen angekündigt wurde. Nach schwierigen und langwierigen Verhandlungen konnte das Unheil abgewendet werden. 1960 hatte Teves 832 Mitarbeiter, die jetzt 3,67 Millionen Ventile herstellten. Es wurde kräftig investiert: Die Halle 7 entstand. Ein Jahr später beteiligt sich TRW Inc. Cleveland mit 50 Prozent an Teves. Firmenname: Teves-Thompson & Co. 1966 übernahm der amerikanische TRW-Konzern die Firma komplett. Ein Jahr später macht die große Wirtschaftskrise auch dem Blumberger Werk zu schaffen. Nach dem Aufschwung überstieg 1970 die Mitarbeiterzahl erstmals die 1000er-Hürde. 1989 wurde die neue Halle 8 in Betrieb genommen.

1995 feiert die "TRW Motorenkomponenten GmbH & Co KG" ihr 50. Firmenjubiläum ganz groß. 1998 wurde die Schmiedeerweiterung eingeweiht. Das Blumberger Werk fertigte 1998 über 32 Millionen Ventilkegel und war damit im TRW-Konzern führend in Europa. Nachdem die US-Investmentfirma Blackstone 2003 die TRW-Autosparte übernommen hatte, ging im Blumberger Ventilwerk die große Angst um, weil Blackstone das schlechte Image einer nur am Sharholder-Value der Aktionäre interessierten Heuschrecke hatte. Unmittelbare Einschnitte kamen auf die Blumberger TRW-Mitarbeiter aber nicht zu, Grund dafür war der Standortsicherungsvertrag, der bis Ende 2015 galt.

Im Februar 2015 gab die TRW Automotive Holding den Verkauf ihrer Ventilsparte an den US-Konzern Federal Mogul bekannt. Im Herbst 2018 übernahm dann Tenneco seinen Konkurrenten Federal Mogul.