Reaktivierung der Schwarzwaldbahn sichert historische Besonderheiten. Kreis der Neugierigen groß.
Althengstett - Zugegeben, noch wuchert ziemlich viel Unkraut auf der künftigen Trasse der Hermann-Hesse-Bahn. Aber wenn man den Eisenbahn-Enthusiasten um Hans-Joachim Knupfer und Reinhard Hackl von der Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn (BAUS) eine Weile zuhört, meint man die Loks bereits zu hören.
Knupfer und Hackl hatten gemeinsam mit ihren Mitstreitern zur Baustellen-Tour entlang der künftigen Hesse-Bahn auf dem Gebiet der Gemeinde Althengstett eingeladen. Trotz Ferienzeit und einer etwas instabilen Wetterlage an diesem Nachmittag war der Kreis der Neugierigen groß – darunter auch Gemeinderäte aus Althengstett. Michael Stierle, Abteilungsleiter S-Bahn und ÖPNV beim Landratsamt Calw, war ebenfalls dabei. Seine Anwesenheit nutzten die Bürger ebenfalls, um ihn mit Fragen zu löchern – wie es zum Beispiel steht mit einer durchgängig gültigen Fahrkarte von Calw bis Stuttgart. Die gibt es bereits jetzt, so Stierle – im "BW-Tarif"; aber wenn sich die verschiedenen Verkehrsverbünde dereinst einmal enger zusammenschließen in ihrer Fahrkarten-Politik, werde auch die VGC (Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw) einen eigenen – günstigeren – Tarif bis in die Landeshauptstadt anbieten können. Zukunftsmusik.
Wie auch die konkrete Anbindung der neu für Althengstett geplanten Haltestelle der Hesse-Bahn am südlichen Ende des bestehenden Bahnhofs-Geländes an die Innenstadt und den Busverkehr. Denn der neue Haltepunkt liegt hoch oben auf den Bahndamm, barrierefrei runter in den Ort geht es nur mit einer "in Schleifen geführten" Rampe mit maximal sechs Grad Steigung. "Wir arbeiten dran", verspricht der ebenfalls anwesende Lothar Kante, der noch überlegt, ob er an dieser Baustellen-Begehung als neugieriger Bürger, Gemeinderat, privater Hesse-Bahn-Enthusiast, Kreisrat oder Hausherr des Althengstetter Jugendhauses im historischen Bahnschuppen teilnimmt. Egal.
Auch den historischen Bahnschuppen passiert die Wandergruppe in Sachen Hesse-Bahn – die eigentlich, das weiß jeder hier, von altersher nur Schwarzwaldbahn heißt. Auch "Schwäbische" oder "Württembergische Schwarzwaldbahn". Die bietet für richtig heftig vom Bahn-Virus erwischte Fans gerade rund um Althengstett so manche heimliche Sensation. Die erste zweigleisig ausgebaute Trasse überhaupt in Württemberg war der Abschnitt zwischen Althengstett und Calw – weil’s seinerzeit mit der Auffahrt von Calw nach Althengstett auch die steilste Trasse ihrer Zeit war. Hauptsächlich Holz aus dem Schwarzwald wurde hier herauf geschafft.
Angst vor Angriff
Aber auch Handelswaren aus der alten Handelsmetropole Calw. BAUS-Sprecher Knupfer weiß die Anekdote zu berichten, wie sich auf dem alten Bahnhof Althengstett einst in den Nachkriegsjahren zwei Waggons selbstständig machten und ungebremst gen Tal Richtung Calw donnerten, wo sie durch den Fahrtwind laut "jaulend" Angst vor einen abermaligen Fliegerangriff auslösten. Aber – nichts weiter passiert, an irgendeiner Weiche entgleisten die führerlosen Waggons. Nur etwas Sachschaden. Und eine Geschichte für die Ewigkeit. Von Zeitzeugen den BAUS-Enthusiasten nacherzählt. Die die ungemeine Faszination für die alte Schwarzwaldbahn damit wieder ziemlich lebendig werden lassen. Umso mehr, als im Moment dort, wo sich später der neue Haltepunkt für Althengstett befinden wird, gerade drei historische, eiserne Brücken-Gestelle der Schwarzwaldbahn liegen. Fast 150 Jahre alt – eröffnet wurde die historische Trasse 1872; was heißt, in zwei Jahren, knapp zur Wiedereröffnung als Hermann-Hesse-Bahn (für Ende 2023 geplant), kann die Schwarzwaldbahn ganz großes Jubiläum feiern – seien die einst genieteten Brücken immer noch in einem so guten Zustand, dass sie nach einer oberflächlichen Aufarbeitung wieder an ihren alten Standorten eingesetzt werden können – "und sicher noch weitere 150 Jahre halten werden", so Bahn-Experte Knupfer.
Widerstand aus Renningen
Wobei man sich auch ein bisschen wundern darf. Alle BAUS-Aktivisten leben privat nicht im Kreis Calw. Knupfer kommt aus Leonberg, Kollege Hackl aus Holzgerlingen. Zur Initiative zusammengekommen sind sie, als der Kreis Calw einst verkündete, die Schwarzwaldbahn als Hermann-Hesse-Bahn in Eigenregie zu aktivieren – und sich ausgerechnet in den Kreisen zwischen Calw und Stuttgart soviel Widerstand dagegen formierte. "Im Kreis Böblingen", nennt Hackl als Beispiel, habe es "soviel Unverstand" gegeben, in Renningen gar "ein Widerstands-Nest" gegen die Hesse-Bahn. Das schrie geradezu nach einer Befürworter-Initiative, die in der Folge auch schon mal "symbolisch des Stacheldraht zwischen den Kreisen Calw und Böblingen" zerschnitt, um auf die Vorteile dieser Reaktivierung der historischen Bahn-Trasse hinzuweisen.
Heute herrsche aber "ein allgemeiner Bewusstseinswandel", meint Hackl. Und eine "ungeteilte Vorfreude" auf die Hermann-Hesse-Bahn. Eine Vorfreude, die "von Anfang an" (Zitat Hackl) in Althengstett besonders groß gewesen sei. Auch, weil hier an eine fast verloren geglaubte, große Eisenbahner-Tradition angeknüpft werden könne. Wegen des Forsttunnels zum Beispiel – den sich bekanntlich künftig Bahn und Fledermäuse dank eines innovativen Ausbaus teilen werden. Aber in dem es auch eine Quelle gebe, die gefasst und in einem eigenen Bachbett unter den Gleisen aus dem Tunnel geführt würde. Eine Ingenieur-Leistung, vor der auch die Bau-Kräfte heute noch den Hut zögen. Oder wegen im Boden gerade noch sichtbarer Gleise vor dem Bahnschuppen – die eine historische Rarität darstellten, weil sie Beispiel für einen "durch Keile" fixierten Gleisstrang seien. Oberflächlich betrachtet nur ein bisschen gut erhaltenes Eisen, kaum sichtbar im Boden. Aber eben aufgeladen mit ganz, ganz viel Geschichte "aus des Königs Zeiten".
Und vor dem Vergessen gerettet – weil, wie überall deutlich sichtbar rund um den alten Althengstetter Bahnhof, das Bahner-Leben hier wieder mit voller Wucht einziehen wird. Keine Frage – der Puls nicht nur der Bahnfreunde steigt stetig. Die neue Hesse-Bahn – sie wird ganz offensichtlich bereits sehnsüchtig erwartet.