Nun, was kommt nach dem Tod? Dieser Frage widmet sich ein Forscher an einem in Deutschland einzigartigen Institut in Freiburg - mit überraschenden Ergebnissen.
Michael Nahm, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP), wartet mit erstaunlichen Ergebnissen auf. Demnach ist ein Weiterleben des Bewusstseins über den Tod hinaus wahrscheinlich. Ein besonders dankbares Forschungsobjekt sind dabei Kinder, die sich an ein vermeintlich früheres Leben erinnern, so Nahm.
Das Freiburger Institut unterhält mit der Universitätsbibliothek einen großen Sondersammelbereich zum Thema Parapsychologie mit derzeit etwa 70 000 Druckwerken. Jährlich kommen rund 250 neue Bücher dazu. Damit zählt sie zu den größten Spezialbibliotheken dieser Art weltweit.
Darunter sind auch die Bücher von Ian Stevenson, der in den 1960er Jahren begann, weltweit Fälle mit Kindern zu untersuchen, die von früheren Leben berichteten, so Nahm. Forscher hätten mittlerweile über 2500 solcher Phänomene dokumentiert, bei denen die Kinder mit Informationen zu ihrem vorherigen Leben aufwarten und auch teilweise typische Verhaltensmuster wie die frühere Person aufweisen. Die Verbindungen gingen bis hin zu körperlichen Merkmalen, zum Beispiel Muttermalen an Stellen, die in Verbindung mit körperlichen Besonderheiten der vorherigen Person stünden.
Nahm reiht die verschiedenen Felder auf, in denen die Wissenschaft Hinweise auf die „Überlebens“-Hypothese, also das Weiterleben nach dem Tod, findet. Das sind neben Erinnerungen von Kindern und Erwachsenen an frühere Leben auch Nachtod-Kontakte. Typischerweise handle es sich dabei um unerwartete Wahrnehmungen eines Verstorbenen, der plötzlich erscheine und kurze Zeit später wieder verschwinde. „Solche Nachtodkontakte sind verbreitet und können nicht einfach als Halluzinationen betrachtet werden.“
Bewusstsein unabhängig vom Zustand des Gehirns
Ein weiteres Feld sind Nahtoderfahrungen. Diese seien teilweise sehr gut untersucht, beispielsweise an Patienten mit nachgewiesenem Herzstillstand, die nach ihrer „Rückkehr“ ins Leben genaue Informationen geben könnten, was in dieser Zeit vom medizinischen Personal mit ihnen gemacht oder in Nachbarräumen besprochen wurde. „Solche außerkörperliche Erfahrungen vermitteln entscheidende Hinweise darauf, dass das Bewusstsein unabhängig vom Zustand des Gehirns funktionieren kann“, sagt Nahm.
„Bei rund 20 Prozent der Reinkarnationsfälle mit Kindern berichten die Kinder auch von Erfahrungen zwischen dem Tod in ihrem früheren Leben und der Geburt in ihr aktuelles Leben“. Viele dieser Schilderungen deckten sich mit denen von Nahtoderfahrenen, dass sie sich außerhalb des Körpers wahrnahmen und beobachteten, was mit ihrem Körper gemacht wurde.
Aufgrund dieser und vieler weiterer außergewöhnlichen Erfahrungen und deren wissenschaftlichen Untersuchungen ist für Nahm klar: „Offensichtlich braucht die materialistische Weltsicht eine Überarbeitung und Erweiterung.“ Er hofft, dass sich weitere Wissenschaftler der Erforschung dieser Phänomene widmen. „Die Zeit ist reif für einen Paradigmenwechsel.“
Themen wie Nahtoderfahrungen (NTE) und Reinkarnation erfreuen sich eines zunehmenden Interesses, auch in den Sozialen Medien. Mit 110 000 Followern kann beispielsweise der Youtube-Kanal „Thanatos TV“ aufwarten. Betrieben wird er seit 2015 vom österreichischen Journalisten, Autor und Filmemacher Werner Huemer.
„Vermutlich interessiert es die meisten Menschen, mehr über den Sterbeprozess oder ein mögliches Fortbestehen des Bewusstseins nach dem Tod zu erfahren, unabhängig von einer konkreten konfessionellen Orientierung“, erklärt sich Huemer die Beliebtheit seines Kanals. „Dieses allgemeine Interesse ist meines Erachtens viel größer als das eher spezielle Interesse am Thema Reinkarnation.“
„Nahtoderfahrene erleben sehr oft eine Hyperrealität“
Seine Erfahrung aus den Interviews mit Betroffenen: „Nahtoderfahrene erleben sehr oft eine Hyperrealität, das heißt, dass sie das, was sie während ihrer NTE erfahren, als die eigentliche Realität wahrnehmen, wohingegen das Leben, wie sie es bis dahin kannten, als Traum erscheint. Daher haben tiefe Nahtoderfahrungen – im Gegensatz zu Träumen, Halluzinationen oder Drogenerfahrungen – auch oft stark lebensverändernde Nachwirkungen.“ Beziehungen könnten zu Bruch gehen, Wertigkeiten sich verändern. Bei 80 bis 90 Prozent der Menschen, mit denen er gesprochen habe, verliere der traditionelle Glaube nach einer Nahtoderfahrung an Bedeutung. Aber im gleichen Maß werde „Spiritualität“ wichtiger.
Die christlichen Kirchen tun sich mehrheitlich schwer mit Reinkarnation. Aber es gibt auch Theologen, die das Konzept der Reinkarnation als durchaus verträglich mit dem christlichen Glauben sehen. Ein namhafter Vertreter ist Enno Edzard Popkes, der an der Theologischen Fakultät der Kieler Christian-Albrechts-Universität als Professor für „Geschichte und Archäologie des frühen Christentums und seiner Umwelt“ lehrt. Demnach zeige ein Blick in die Geschichte, dass frühchristliche Schriften, die dem Machtausbau der Kirche nicht förderlich waren, bekämpft und verboten wurden.
Popkes erwähnt unter anderem die Ächtung einer Vielzahl frühchristlicher Schriften im Rahmen des 39. Osterfestbriefs von Bischof Athanasius im Jahr 367. Viele dieser verbotenen Schriften, zum Beispiel das Thomas-Evangelium, würden Reinkarnation thematisieren oder seien ohne die Vorstellung einer Seelenwanderung nicht verständlich. „Dass es christliche Religiosität mit Seelenwanderung gab, ist historisch gesehen unstrittig.“ Die Frage sei nur, ob das für den heutigen Menschen und christlichen Glauben relevant sei. Und da sagt Popkes ein klares Ja. „Wir sollten überlegen, was damals verloren ging und ob Theologie und Kirche daraus nicht positive Erkenntnisse gewinnen können.“
Entstehung von Religionen
Auch dem, was Nahtoderfahrene schildern, misst Popkes hohe Bedeutung zu. Er kann sich vorstellen, dass zwar nicht alle, aber viele Religionen ihren Ausgang hätten in solchen Transzendenzerfahrungen.
Wer sich eingehender mit dem Thema beschäftigen möchte, dem sei ein neueres deutschsprachiges Werk empfohlen. Dieter Hassler hat in jahrzehntelanger Arbeit „Indizienbeweise für ein Leben nach dem Tod und die Wiedergeburt“ (Buchtitel) gesammelt und die internationale Literatur auf Glaubwürdigkeit und Aussagekraft hin untersucht. In seinem dreibändigen Werk, erschienen bei Shaker Media, nennt er eine Vielzahl an Beispielen und hinterfragt kritisch, wie diese gedeutet werden können und inwieweit alternative Erklärungen in Betracht kommen. Weitere interessante Fälle sammelt und listet er auf seiner Homepage reinkarnation.de auf.
„Sehr wahrscheinlich zutreffend: eine Seele, die den körperlichen Tod überlebt“
Zu Beginn seiner Recherche habe er eine „skeptische bis ablehnende Einstellung“ zu den Fragen nach einem Überleben des Todes und der Reinkarnation gehabt. Das habe sich aber mit dem tieferen Einstieg in die Materie und eigenen Nachforschungen geändert. „Ich halte heute auf der Basis der besten Fälle aus allen Erfahrungsfeldern die Annahme für sehr wahrscheinlich zutreffend, dass der Mensch eine Seele hat, welche den körperlichen Tod überlebt und sogar in einem neuen Körper wiedergeboren werden kann.“
Für Michael Nahm vom Freiburger IGPP gibt es noch viel zu erforschen. „Reinkarniert eine Art ganze Seele oder nur ein Teil der Persönlichkeit? Reinkarniert jeder, oder tut dies nur ein Teil der Menschen? Bestehen hierbei sogar kulturelle Unterschiede? Solche Detailfragen sind bislang ungeklärt.“
„Reinkarnationshypothese wahrscheinlicher“
Und Nahm weiter: „Bei objektiver Betrachtung ist die Beweislage dafür, dass kleine Kinder sich manchmal an Begebenheiten aus vergangenen Zeiten erinnern, sehr gut. Das Phänomen kommt vor. Ob es sich dabei um echte Reinkarnation oder um andere Psi-Fähigkeiten handelt, ist schwieriger zu entscheiden. Wie Herr Hassler denke aber auch ich, dass unterm Strich die Reinkarnationshypothese wahrscheinlicher ist.“
Nahm: „Die meisten Akademiker der westlichen Welt stehen Reinkarnation kritisch gegenüber, weil sie sich nicht vorstellen können, dass ein Geist ohne Gehirn überdauern oder sich neu inkarnieren kann. Man geht oft davon aus, dass das Bewusstsein vom Gehirn produziert wird. Wenn also das Gehirn stirbt oder seine Funktion erlischt, muss auch der Geist verlöschen und sterben. Nahtoderfahrungen (NTE) werden sehr ähnlich interpretiert, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass der Geist sich zum Beispiel nach einem Herzinfarkt vom Körper lösen kann und dann die typischen Elemente von NTE ohne Gehirnbeteiligung durchlebt. Für die meisten Wissenschaftler müssen NTE mit hirnphysiologischen Prozessen erklärbar sein. Diese Einstellung ist grundsätzlich nachvollziehbar, aber bei gründlicher und unvoreingenommener Betrachtung der bereits vorliegenden Studien muss sie als widerlegt gelten.“