Mit der bundesweiten Kampagne „Ich bin ein Störfall“ hatte die Bürgerinitiative Erfolg und sammelte Geld, womit das Stromnetz in Bürgerhand übergehen konnte. Foto: zVg/EWS

Die EWS feiert Jubiläum: Der Schönauer Energieversorger, der zum Stromsparen aufruft, hat keine gewöhnliche Geschichte.

30 Jahre sind nun vergangen seit der Gründung der Elektrizitätswerke Schönau (EWS), seit 15 Jahren gibt es die Genossenschaft. Doch der Ursprung des Versorgers aus dem kleinen Schwarzwaldstädtchen Schönau, der 100 Prozent Ökostrom anbietet, liegt noch einige Jahre mehr zurück.

 

„Die Initiative ist aus Angst entstanden“

Und zwar im Jahre 1986, kurz nach dem GAU von Tschernobyl. „Es war damals die Verunsicherung der Erwachsenen, die mich auch verunsicher hat, vor allem jene meiner Eltern“, erzählt Sebastian Sladek, Vorstand der EWS, im Gespräch mit unserer Zeitung. Seine Eltern Ursula und Michael Sladek haben dann eine Bürgerinitiative „Eltern für eine atomfreie Zukunft“ gegründet. „Die Initiative ist aus Angst entstanden und Angst ist ein starker Antrieb“, sagt Sebastian Sladek heute. Der radioaktive Niederschlag habe Südbaden damals hart erwischt. Er war damals neun und erinnert sich, als er als Kind nicht im Sandkasten spielen oder keine Beeren vom Strauch essen durfte. Und daran, als sie in den Ferien Kinder aus Tschernobyl zu sich eingeladen hatten. Jedes Jahr seien es weniger geworden. Sie starben weg. Auch erinnert er sich an einen Vortrag eines Liquidators von Tschernobyl, der über die Strahlung direkt im Reaktor berichtet hatte. Die Eltern hätten sich immer mehr ganz bewusst politischen Fragen gestellt. „Die Katastrophe war in Schönau der Anfang von allem.“ Als ein „Aufwachen“, bezeichnet es Sebastian Sladek.

Zum Stromsparen aufgerufen

Sie animierten die Bürger zum Stromsparen. Und völlig unbedarft sei man 1989 zu den Kraftwerken Rheinfelden (KWR) gegangen, dem örtlichen Strommonopolisten, und wollte sie als Unterstützer für Stromsparwettbewerbe gewinnen. Doch weit gefehlt, diese hätten natürlich nicht gewollt, dass die Kunden Strom sparen, sondern im Gegenteil Absatz generieren. „Dann müssen wir es eben selbst machen, dachten wir uns“, erzählt Sladek. Es entstand die zündende Idee, das Netz durch die Bürgerinitiative zu übernehmen als Anfang der 90er-Jahre der Konzessionsvertrag mit den KWR mit Schönau auslaufen sollte. Dies sei auch die Geburtsstunde der Schönauer Stromseminare gewesen – „eigentlich um nur uns zu schulen, wir waren ja alle nur Laien“, erzählt Sladek.

Michael Sladek, in Schönau auch bekannt als Arzt, war einer der Vorreiter der Schönauer Stromrebellen. Foto: zVg/EWS

Mit Bürgerentscheid: EWS zum neuen Stromversorger gewählt

Beim ersten Bürgerentscheid 1991 ging es darum, die vorzeitige Verlängerung des Netzvertrags mit der KWR abzuwenden – mit Erfolg. Damit hatten sich die Schönauer Stromrebellen vier Jahre Zeit verschafft, um für 100 000 DM das Netz abzukaufen und den Betrieb aufzubauen. 1994 wurde dann die EWS gegründet und sich mit dieser um das Netz beworben. Beim zweiten Bürgerentscheid 1996 wurde mit einer Wahlbeteiligung von fast 85 Prozent die EWS mit knapper Mehrheit von 52,5 Prozent zum neuen Schönauer Stromversorger gewählt. „Die Bürgerinitiative gewinnt gegen einen Atomkonzern“ – was für eine Schlagzeile. Die Aufmerksamkeit auf Schönau war riesig: Sebastian Sladek erinnert sich an vier Übertragungswagen der TV-Sender auf dem Rathausplatz. Und das sei damals schon ungewöhnlich gewesen.

Einzigartig: Das Stromnetz in Bürgerhand

Doch der Kampf ging weiter und zwar der finanzielle. Ursprünglich verlangte die KWR 8,7 Millionen DM für das Stromnetz. Als Monopolist habe sie sich das erlauben können. Doch dann machte die EWS mit der Spenden-Kampagne „Ich bin ein Störfall“ auf sich aufmerksam. „Mein Vater wollte gar nicht so auftreten, kein Störfall und auch kein Stromrebell sein“, erinnert sich Sebastian Sladek heute noch. Doch die bundesweite Kampagne durch die größten deutschen Werbeagenturen entfaltete eine überwältigende Wirkung. Nach nur sechs Wochen waren die ersten zwei Millionen DM zusammen. Am 1. Juli 1997 war es dann soweit: Das Stromnetz war in Bürgerhand. Dies war und ist einzigartig in ganz Deutschland. Mit einem Gerichtsurteil wurde der Preis nochmals ordentlich herabgesetzt.

„Ohne Idealismus wäre es nicht gegangen.“

„So viele Mauern standen uns im Weg, aber uns war klar, immer der nächste Schritt ist der Wichtigste“, erinnert sich Sladek. Natürlich sei es auch als Kind nicht einfach gewesen, der Sohn der bekannten und teilweise umstrittenen Stromrebellen zu sein. Er habe viel abbekommen. Doch der Kampf habe sich gelohnt. Doch er weiß auch: „Ohne Idealismus wäre es nicht gegangen.“

Ursula Sladek mit dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama Foto: Archiv/privat

Nur ein Beispiel dafür: Seine Mutter arbeitete jahrelang als Geschäftsführerin im Ehrenamt. Sie war – mit ihrem Mann – die bekannteste Repräsentantin der EWS, gewann 2011 den „Goldman Environmental Prize“ für Europa, der ihr von Barack Obama persönlich übergeben wurde. Sie schmuggelte die „100 guten Gründe gegen Atomkraft“ in sein Oval Office.

Die „100 guten Gründe gegen Atomkraft“ hatte die EWS in einem Büchlein veröffentlicht. Foto: MT-Archiv

Von der kleinen Initiative zum großen Unternehmen

Das Wachstum des Ökostrom-Anbieters war der Lohn für die langjährige „Rebellion mit Verantwortung“, wie sie Cem Özdemir beim Jubiläums-Stromseminar nun nannte. Begann man damals mit nur einem Mitarbeiter und zwar Elektromeister Martin Halm, waren es 2006 schon 35. Im Jahr 2012 entschied man, künftig auf externe Dienstleister zu verzichten, und wuchs auf 90 Mitarbeiter heran. Heute sind 285 Menschen bei der EWS beschäftigt. Die Genossenschaft wiederum hat 14 000 Mitglieder.

In der Kampagne „Wrack ab“ warb die EWS 2009 für den Atomausstieg. Heute haben sich die Ziele in Richtung Klimaschutz verschoben. Foto: MT-Archiv

Auch wenn der Vorreiter Michael Sladek im September 2024 verstarb und Ursula Sladek im Ruhestand ist – die Gedanken der Eltern würden weitergetragen, versichert Sohn Sebastian. Er bildet heute mit seinem Bruder Alexander Sladek, Armin Komenda und Anja Burde das Vorstandsteam.

Das Unternehmen habe seine Zielrichtung aber klar in Richtung Klimaschutz verschoben und darauf, auf 100 Prozent regenerative Energien zu setzen.

Das Vorstandsteam der EWS mit Armin Komenda,  Alexander Sladek, Anja Burde und Sebastian Sladek beim diesjährigen Stromseminar mit Cem Özdemir (dritter von links). Foto: Christoph Schennen

Positiver Blick in die Zukunft

Und die Windkraft? 2016 entstand der erste EWS-Windpark auf dem Rohrenkopf. Auch hier erfährt das Unternehmen wieder viel Gegenwind. „Damit war zu rechnen“, sagt Sladek. „Doch die Notwendigkeit ist da und man muss mit den Leuten ins Gespräch gehen und nach den Alternative fragen. Die Gegner haben oft keinen Plan B.“ Die Vielfalt der „alternativen Fakten“, wie sie Sladek nennt, sei eine Herausforderung. Als Ziele formuliert er auch den Ausbau von Wind- und Solarparks und blickt auch in Sachen Nahwärme positiv in die Zukunft. Denn auch hier ist die EWS aktiv. Auch habe er den Wunsch, dass die Politik die Energiewende weiterhin als Ziel verfolgt. Der Kampf für eine nachhaltige Energiezukunft geht weiter – in Schönau.