Die Freude war am Sonntag groß bei Klaus Konzelmann. Foto: Nölke

Herausforderer setzt sich mit 60,2 Prozent deutlich gegen Amtsinhaber Jürgen Gneveckow durch. Mit Kommentar.

Albstadt - Die Sensation ist perfekt: Albstadt hat einen neuen Oberbürgermeister. Klaus Konzelmann ist am Sonntag mit über 60 Prozent der Wählerstimmen zum neuen Stadtoberhaupt gewählt worden. Damit gehen am 1. Juni 16 Jahre Amtszeit von Jürgen Gneveckow zu Ende.

Dem  Kriminalhauptkommissar hatte erst vor wenigen Tagen eine überregionale Tageszeitung "Guerilla-Manier" im Kampf um den OB-Posten bescheinigt. Erst vor gut vier Wochen war Konzelmann  in den Wahlkampf eingestiegen, und zwar buchstäblich durch den Seiteneingang: Er hatte sich nicht beworben, sondern erst nachträglich die Bereitschaft bekundet, das Amt des Oberbürgermeisters anzunehmen, wenn genug Albstädter seinen Namen auf den Stimmzettel schreiben sollten – im ersten Wahlgang standen auf diesem ja nur die Stimmen von Jürgen Gneveckow und Reiner Stegmüller. Nach aufreibenden Tagen, in denen in den Ortsteilen mitunter recht scharf diskutiert wurde, setzt er auf ein breites Miteinander in der Stadt. Am Sonntagabend reichte er allen Fraktionen und Parteien die Hand zur Zusammenarbeit: "Miteinander bringen wir Albstadt voran. Nicht gegeneinander."

Schon nach wenigen ausgezählten Wahllokalen schien Konzelmanns Vorsprung uneinholbar zu sein für Amtsinhaber Jürgen Gneveckow; die Balkendiagramme, die via Beamer an die Wand projiziert wurden, sprachen eine deutliche Sprache. Nachdem auch der letzte der 54 Wahlbezirke ausgezählt war, standen bei Konzelmann 9188 Wählerstimmen – 60,2 Prozent – zu Buche, bei Gneveckow 5845 – 38,3 Prozent – und bei Reiner Stegmüller, dem dritten Kandidaten, 183 Stimmen. Das sind 1,2 Prozent; im ersten Wahlgang hatte es Stegmüller noch auf über 10 Prozent gebracht.  Die Wahlbeteiligung war  mit 43,7 Prozent deutlich höher ausgefallen als vor zwei Wochen, als sie gerade einmal 31,7 Prozent betrug. Die Erwartung, dass in der zweiten Runde mehr Wahlberechtigte den Weg zur Urne finden würden, war vor allem im Lager des Amtsinhabers groß gewesen; allerdings hatte sich die Hoffnung, dass er davon in höherem Maße profitieren würde als Konzelmann, nicht erfüllt.  

Konzelmann kam mit seiner Familie kurz vor 19 Uhr im Rathaus an. Lauter Applaus  brandete auf: Seine Unterstützer feierten den Wechsel im Rathaus frenetisch. Die Familie von Klaus Konzelmann wartete mit dem Jubeln jedoch, bis der Erste Bürgermeister Anton Reger das vorläufige Ergebnis offiziell verkündigte.   Als der Krimininalhauptkommissar wenige Minuten später  am Mikrofon stand, übermannte ihn die Rührung. "Ich bin überwältigt. Das hätte ich nie gedacht." Vor zwei Wochen, berichtete er, habe er an einer Tauffeier teilgenommen. Der Taufspruch, den sich die Familie für ihr Kind ausgesucht habe, sei für ihn und die OB-Wahl so sinnbildlich gewesen gewesen, erinnerte sich Klaus Konzelmann. Er zitierte aus dem Markus-Evangelium: "Alle Dinge sind möglich, dem der da glaubt."

Im Rathaus war deutlich mehr los als nach dem ersten Wahlgang. Zahlreiche Medienteams verfolgten die Auszählung. Dicht gedrängt standen die Albstädter - bis  bis ins Foyer hinaus. Klaus Konzelmann kündigte an, die Bürger künftig in höherem Maße aös bisher ins Boot holen zu wollen: „Offenbar haben sich viele Albstädter in den vergangenen Jahren nicht mehr mitgenommen gefühlt. Die Menschen wollen besser beteiligt sein.“ Als OB wolle er wissen, wo seine Bürger der Schuh drückt. Zum Beispiel habe er vor, die Tailfinger anzuhören, wenn es um die Gestaltung ihrer Innenstadt geht:  "Bevor der erste Bagger kommt, müssen alle Beteiligten an einem Tisch sitzen. Die Albstädter sollen sich doch wohl fühlen mit dem, was wir schaffen."

Jürgen Gneveckow war, wie schon am Abend des ersten Wahltags, eine halbe Stunde nach seinem Herausforderer im Rathaus Albstadt erschienen – sichtlich enttäuscht, aber gefasst. Er gratulierte dem Wahlsieger und bedankte sich bei seiner Wahlkampfmannschaft – "an ihnen hat es nicht gelegen" – ; gegenüber dem Schwarzwälder Boten bekannte er,  dass er mit diesem Wählervotum   nicht gerechnet habe – er habe fest auf einen Stimmenanteil jenseits der 50 Prozent gehofft, meine auch, das Meiste richtig gemacht zu haben, und habe keine probate Erklärung für das, was geschehen sei. Indes  – so lautete das Schlusswort seiner kurzen offiziellen Ansprache – schöpfe er Kraft aus Dietrich Bonhoeffers berühmten Zeilen "Von guten Mächten wunderbar geborgen / Erwarten wir getrost was kommen mag." Er erwarte getrost, was die Zukunft bereit halte – auch die der Stadt Albstadt.

Antreten  wird Klaus Konzelmann sein neues Amt am 1. Juni. Das bedeutet unter anderem, dass sich das Balinger Polizeipräsidium einen neuen stellvertretenden Kripochef suchen muss – und für den Albstädter Gemeinderat, dass im Lager der Freien Wähler ein Ratssitz frei wird. Erste Anwärterin ist Anette Ganter, die bei der Gemeinderatswahl mit 3281 die neunthöchste Stimmenzahl auf ihrer Liste errungen hatte.

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Karina Eyrich

Letztlich kommt er nicht unerwartet, der Sieg Klaus Konzelmanns bei der Oberbürgermeisterwahl. Der Seiteneinsteiger aus Truchtelfingen hat in den zurückliegenden drei Wochen vor allem menschlich gepunktet gegen einen Amtsinhaber, der äußerlich müde wirkte. Dass er Konzelmanns Kandidatur persönlich genommen hat – das zu verbergen hat Jürgen Gneveckow nicht geschafft, es offenbar auch nicht mehr versucht. Dabei hätte es ihm gut zu Gesicht gestanden, sich daran zu erinnern, wie er vor 16 Jahren kurz vor der Wahl aus Bonn aufgetaucht war und Hans-Martin Haller das höchste Amt der Stadt streitig gemacht hatte. Gegen Stadtteildenken hat Gneveckow sich zuletzt auf Wahlplakaten ausgesprochen. Somit müsste ihn Konzelmanns Sieg eigentlich freuen: Wer könnte die Stadt besser einen als einer, der zwischen Ebingen und Tailfingen lebt?