Zehn Jahre Nationalpark Schwarzwald. Auch bei den Wegen mit Winternutzung ist das Angebot seit 2014 gestiegen. (Archivfoto) Foto: Dirk Haier

Seit zehn Jahren gibt es den Nationalpark Schwarzwald. Wie fällt die Zwischenbilanz aus? Ist das Schutzgebiet tatsächlich eine Spur wilder geworden?

Das Jubiläumsjahr des Nationalparks Schwarzwald geht zu Ende. Zeit für eine kurze Zwischenbilanz.

 

Was hat sich seit der Gründung 2014 in diesem Gebiet verändert? Ist der Park in den vergangenen zehn Jahren tatsächlich eine Spur wilder geworden?

„Ja“, sagt Nationalparkleiter Wolfgang Schlund und nennt einige Beispiele.

Die Zonierung

Der Nationalpark Schwarzwald ist ein Entwicklungsnationalpark, dessen rund 10 000 Hektar große Fläche in drei Zonen eingeteilt wird: die Managementzonen, die Kernzonen und die Entwicklungszonen. In den Managementzonen sind menschliche Eingriffe in die Natur dauerhaft möglich. Diese geschehen zum Beispiel zum Schutz angrenzender Wälder vor Borkenkäferbefall oder zur Freihaltung der waldfreien Bergheiden, den sogenannten Grinden. In den Kernzonen wird die Natur ohne menschliche Eingriffe sich selbst überlassen, und in den Entwicklungszonen kann die Waldentwicklung auf begrenzte Zeit gelenkt werden.

Als der Park 2014 eröffnete, waren rund 25 Prozent der Fläche als Kernzone ausgewiesen. Dazu gehörten die Flächen, die Baden-Baden in den Park einbrachte, sowie bereits bestehende Naturschutzflächen in diesem Gebiet, erläutert Schlund. Heute liegt der Anteil der Kernzonen bei 51 Prozent der Parkfläche und soll bis 2044 weiter auf 75 Prozent ansteigen. Die restliche Fläche bleibt Managementzone.

Verändern könnte sich die Zonierung allerdings noch durch die geplante Erweiterung des Parks. Wie genau die Grenzen dann verlaufen, kann Schlund noch nicht sagen: „Bei der Zonierung hat der Nationalparkrat das letzte Wort.“

Die Artenvielfalt

Im Nationalpark soll auf großer Fläche Lebensraum für heimische, zum Teil sehr selten gewordene Arten entstehen, damit sich die Populationen wieder erhöhen. „Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Schlund. Zum Beispiel beim Dreizehenspecht, dessen Bestand sich seit 2014 verdoppelt habe, oder beim Wendehals, dessen Revierzahl sich verdreifacht habe. Beide Vogelarten profitieren, wie etwa auch Grauspecht und Grauschnäpper, aber auch verschiedene Fledermausarten, von den lichter werdenden Waldstrukturen und einem höheren Insektenangebot im Park.

1850 Pilzarten sind bislang im Nationalpark gezählt worden, das sind 35 Prozent der in Baden-Württemberg bekannten Pilzarten auf nur 0,3 Prozent der Landesfläche – darunter seltene Arten wie der Tannenstachelbart oder die Zitronengelbe Tramete, die mittlerweile an mehreren Stellen im Park zu finden sind.

Auch Wolf und Luchs sind im Park unterwegs. Sorgen macht sich Schlund allerdings um einige Arten, deren Bestand im Nationalpark wie im gesamten Schwarzwald rückläufig ist. Prominentes Beispiel: das Auerhuhn. Der Auerhuhn-Notfallplan habe den Abwärtstrend im Nationalpark seit zwei Jahren gestoppt, aber erst die Entwicklung der nächsten Jahre werde zeigen, ob das Wappentier des Landkreises Freudenstadt langfristig erhalten werden kann.

Zum Erhalt der schwarzwaldtypischen Landschaft mit ihrer besonderen Artengemeinschaft trägt laut Schlund auch die Offenhaltung der Grinden mit Schafen, Hinterwälder Rindern, Heckrinden und Konikpferden bei. Die Flächen der offenen Bergheiden sei seit Parkgründung auf 240 Hektar vergrößert und damit beinahe verdoppelt worden.

Der Tourismus

Nach der Gründung des Parks haben sich die 27 angrenzenden Kommunen zur Nationalparkregion zusammengeschlossen und Konzepte im Bereich Tourismus und Verkehr entwickelt. Dazu gehören zum Beispiel gemeinsame Gebietskarten und Messeauftritte sowie die Zusammenarbeit der Tourist-Informationen. Im Park sind Orte wie die Allerheiligen-Wasserfälle, der Schliffkopf-Gipfel und Wildnispfad, Luchspfad, Lotharpfad sowie der neu eröffnete Spechtpfad Besucher-Highlights. Herausragende Besuchermagnete sind das Nationalparkzentrum Ruhestein und das neu eröffnete Nationalparkhaus in Herrenwies. „Defizite haben wir zum Beispiel noch in Allerheiligen und an der Alexanderschanze, hier sollen Rangerstationen entstehen“, sagt Schlund.

Der Verkehr

An Spitzentagen gehe es an manchen Abschnitten der Bundesstraße 500 noch chaotisch zu, aber insgesamt „hat sich die Situation etwas entspannt“, meint Schlund. Vor allem am Ruhestein habe die Verkehrsraumbewirtschaftung, die Regulierung des wilden Parkens mit Ordnungshütern und der Bau des Kreisverkehrs zu einer deutlichen Verbesserung geführt. Das zuvor lückenhafte ÖPNV-Angebot sei mit vier neuen Regio-Buslinien und einer Verstärkung der Zubringerlinien verbessert worden. Dennoch: „Es herrscht immer noch zu viel Individualverkehr“, meint der Nationalparkleiter. Und dass manche Zubringerlinien, wie beispielsweise im Ortenaukreis, zurückgebaut werden, sei die falsche Entwicklung.

Die Wege

Die Länge der offiziellen Wanderwege im Nationalparkgebiet betrug im Jahr 2014 rund 250 Kilometer. Heute schlängeln sich 342 Kilometer Wanderwege durch das Gelände, sagt Schlund. Gestiegen sei auch die Kilometerzahl bei den Radwegen von 138 (2014) auf aktuell 197 Kilometer. Neu hinzu seien 51 Kilometer Reitwege gekommen und bei den Wegen mit Winternutzung sei das Angebot von 95 (2014) auf derzeit 141 Kilometer gestiegen. Hier spurt die Nationalparkverwaltung die Loipen und ermöglicht Skifahrern eine kostenlose Nutzung.

„Beim Wegekonzept haben wir aber auch Fehler gemacht“, räumt Schlund ein. Die vielen, nicht als Wanderweg markierten Waldwege, die vor Parkgründung für die Bewirtschaftung des Waldes notwendig waren, wurden für die öffentliche Nutzung gesperrt, um die Flächen des Nationalparks zu beruhigen und weil sie ohne Waldbewirtschaftung nicht gebraucht wurden. Diese Wege seien Einheimischen bekannt, und so mancher habe sich deshalb aus dem Park ausgesperrt gefühlt. Das werde geändert: „Viele der Managementwege, die wir als Nationalparkverwaltung noch selbst in der Nutzung haben, werden wir wieder öffnen. Davon wird vor allem die heimische Bevölkerung mit Ortskenntnis profitieren“.

Die Besucher

Wie viele Menschen den Nationalpark jährlich besuchen und im Parkgelände unterwegs sind, wird mit ehrenamtlichen Helfern und Zählschranken erfasst. Im Mittel, sagt Schlund, liege die Zahl bei rund 750 000 Gästen im Jahr. Und denen werde einiges geboten: rund 300 Veranstaltungen im Jahresprogramm des Parks, 500 individuell gebuchte Führungen oder rund 600 Besuche von Schulen und Kindergärten, bei denen insgesamt rund 15 000 Kinder- und Jugendliche den Park kennenlernen. Unterstützt werden die hauptamtlichen Mitarbeiter bei den Veranstaltungen von ehrenamtlichen Rangern. Dazu gehören auch die 115 Juniorranger, die im Ausbildungsprogramm des Parks lernen, eigene Führungen zu machen und Vorträge zu halten.

Die Partner

Der Nationalpark Schwarzwald steht heute weltweit mit Universitäten in Verbindung, um sich zum Beispiel in den Bereichen Artenmonitoring, Erhalt der biologischen Vielfalt und Auswirkungen des Klimawandels auszutauschen. Zusammengearbeitet wird auch mit den Partnerparks in Maryland, Finnland, Israel, Montenegro und bald auch in Brasilien. Zu den Bildungspartnern des Parks gehören 19 Kindergärten und 21 Schulen in der Region sowie Hochschulen, denen Seminare, Fortbildungen und Praktika angeboten werden. Zudem gibt es heimische Tourismuspartner, Unternehmenspartner und Partnervereine wie seit Mai dieses Jahres den Schwarzwaldverein. Schon von Anfang an ist das ökumenische Netzwerk der Kirchen im Nationalpark Partner des Parks.

Erweiterung des Schutzgebiets: Nationalparkleitung geht auf Bürger zu

Lückenschluss
Der Nationalpark soll um circa 1500 Hektar Fläche erweitert werden, das hat sich die Landesregierung für das kommende Jahr vorgenommen. Damit soll die Lücke zwischen den zwei bisher getrennten Parkteilen geschlossen werden. Noch ist nicht endgültig geklärt, wie die Grenzen des Nationalparks Schwarzwald künftig verlaufen werden. Fest steht jedoch, dass der verbindende Korridor vom bisherigen Süd- zum Nordteil des Parks östlich der Gemeinde Hundsbach verlaufen wird und die dortigen Karseen und Hochlagen beinhalten soll. Für die betroffenen Bereiche Langenbachtal und Schönmünztal haben die Nationalparkverwaltung und das Umweltministerium die Einrichtung einer breiten Managementzone entlang des Tals vorgeschlagen, die Straßen, Gebäude und Privatflächen weiträumig umschließt.

Bürgergespräche
Was das für die Bewohner im betroffenen Gebiet bedeutet, möchte die Nationalparkleitung im direkten Austausch mit ihnen besprechen und bietet dazu mehrere Möglichkeiten an. So soll ab dem 16. Januar jeden Donnerstag zwischen 16.30 und 18.30 Uhr in der Gitschenteichhütte in Zwickgabel die Möglichkeit zum Gespräch mit der Nationalparkleitung bestehen, und im Januar, Februar, März und April (alle drei Wochen) können freitagnachmittags Interessierte die Nationalparkverwaltung auf Führungen vor Ort begleiten. Uhrzeit und Treffpunkte werden rechtzeitig bekannt gegeben. Wenn sich kleinere Gruppen privat zusammenfinden und Informationen wünschen, bietet die Nationalparkleitung auch Hausbesuche an. Interessierte können sich dazu per Mail an silke.loeser@nlp.bwl.de wenden. Die Auftakt-Infoveranstaltung mit Umweltministerin Thekla Walker und Landrat Klaus Michael Rückert ist am 10. Januar in Schönmünzach.