Die IHK Reutlingen kritisiert im Hinblick auf den Ausbau der B27 „Teile der Öffentlichkeit, die den Nutzen funktionierender Infrastruktur nicht erkennt“.
Die B 27 gilt neben der A81 als eine der wichtigen Nord-Süd-Verbindungen in Baden-Württemberg. Zwischen Bodelshausen und Nehren soll die Straße vierstreifig ausgebaut werden. Die Baugenehmigung liegt vor.
Bisingen wäre perspektivisch einer der Hauptprofiteure des Neubauprojekts, denn eine durchgehend vierstreifige Straße von Bisingen nach Stuttgart und zum Flughafen würde auch die Kirchspielgemeinde als Unternehmensstandort aufwerten.
NABU klagt gegen Trasse
Allerdings: Gegen das Infrastrukturprojekt klagt derzeit der Naturschutzbund Baden-Württemberg. Und dagegen wiederum regt sich nun massive Kritik von der Industrie- und Handelskammer Reutlingen (IHK). „Wann gebaut wird, ist derzeit offen. Der Schindhautunnel in Tübingen wird ebenfalls seit 20 Jahren geplant und noch viel länger diskutiert und die Ortsumfahrung von Albstadt-Lautlingen bereits seit Ende der 90er-Jahre“, heißt es in einer Pressemitteilung der IHK. Weiter heißt es: „Gebaut ist noch keine Straße, dabei ist die Notwendigkeit für alle Trassen angesichts von Verkehrs- und Stauaufkommen und Anwohnerbelastung insgesamt unstrittig.“
Sich intensiver einsetzen
Bisingens Bürgermeister Roman Waizenegger bestätigt in seiner Funktion als Mitglied des Kreistags die Haltung der IHK: „Wir müssen uns als Gremium noch viel stärker und intensiver für die großen Infrastrukturprojekte wie Schiene und Straße einsetzen. Radwege sind gut und wichtig, aber der Wohlstand kommt nach wie vor über die Bundesstraßen in unseren Kreis. Hier gilt es, die verantwortlichen Politiker in Bund und Land in die Pflicht zu nehmen“, sagte er auf Anfrage der Redaktion kurz nach der Kommunalwahl.
Seitenhieb gegen NABU
Die IHK beklagt nicht umsonst, dass der lahmende Ausbau der Infrastruktur der heimischen Wirtschaft „enorm schadet“. Grund dafür seien nicht nur lange Planungsverfahren, sondern auch „Teile der Öffentlichkeit, die den Nutzen funktionierender Infrastruktur nicht erkennt“ – man kann dies als Seitenhieb gegen die Umweltverbände NABU und BUND lesen, die beide gegen die planfestgestellte B27-Trasse klagen. „Hier will man offensichtlich keinen Fortschritt“, wettert IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Epp. Infrastruktur und eine „erfolgreiche heimische Wirtschaft“ würden „ganz eng zusammen“ hängen, mahnt er an.
Entscheidung nicht vor Ort
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Planungsrecht nicht im Kreistag und nicht in den Gemeinden vor Ort gemacht wird. Wie die IHK berichtet, will sie sich für ein neues Planungsrecht einsetzen, sobald die Regierungskoalition in Berlin steht. Die IHK spricht von Zeitersparnissen, wenn es weniger Gutachten und Untersuchungen gibt und von der Reduzierung von Berichtspflichten an Land und Bund.
Klageflut gegen Projekte
Nach Angaben der IHK führen Klageverfahren derzeit grundsätzlich dazu, „dass nahezu alle Untersuchungen und Gutachten nach Abschluss des Verfahrens erneut durchgeführt werden müssen, da sie eine Geltungsdauer von fünf Jahren haben und die Dauer von Prozessen oftmals deutlich länger ist“. Die Gerichte können die Klageflut demnach nicht mehr bewältigen und schlussendlich müsse ein fertiger Planungsprozess „komplett überarbeitet werden“. Für IHK-Verkehrsexperte Thorsten Schwäger ist das „ein Unding“.