NABU und Bund Naturschutz begründen ihre Klage gegen die Planungsvariante für den Ausbau der Bundesstraße 27 ausführlich in Stuttgart.
Die fachliche und juristische Prüfung der sogenannten „Endelbergtrasse“ fällt für die Verbände NABU und BUND eindeutig aus: Der geplante Aus- und Neubau der Bundesstraße 27 im Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren im Kreis Tübingen verstößt für sie gegen nationales und europäisches Umwelt-, Natur- und Klimaschutzrecht.
Auf 230 Seiten sowie in einem 200-seitigen Fachgutachten haben die Rechtsanwälte von PNT Partner, ansässig in Frankfurt und Hamburg, zusammen mit den Fachgutachtern und Diplom-Biologen „Engelsing & Schmoll“ aus Leipzig für die Naturschutzverbände die Begründung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgearbeitet und am 9. Mai fristgerecht dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgelegt.
Im Zuge der Ausarbeitung der Klagebegründung hatten sich die Anwälte und Gutachter vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Umweltschützern von Bund Naturschutzschutz (BUND) und dem Naturschutzbund (NABU) ein eigenes Bild der betroffenen Flächen entlang der geplanten Trasse gemacht.
Schlimmer als befürchtet betroffen
Im Zentrum ihrer Kritik steht, dass bei der Trassenplanung eine Vielzahl an besonders geschützten Lebensräumen, Biotopen und Tierarten durch die „Endelbergtrasse“ deutlich gravierender betroffen würden als die Planer des Regierungspräsidiums Tübingen das annehmen. Die juristische und naturschutzfachliche Prüfung hat ergeben, dass insbesondere EU-Vorgaben zum Schutz von Flachland-Mähwiesen, Hochstaudenfluren und Auenwäldern sowie von Fledermäusen, Vögeln und Amphibien verletzt werden.
Das von der Planung betroffene FFH-Schutzgebiet „Albvorland bei Mössingen und Reutlingen“ wurde demnach fachlich falsch abgegrenzt: Wesentliche, zum Teil sogar die wertvollsten Biotopflächen, die durch den Bau beeinträchtigt werden, wurden rechtswidrig aus der Schutzgebietskulisse herausgehalten. Die Belange von besonders und streng geschützten Arten wurden seitens der Planungsbehörde unzureichend ermittelt und fehlerhaft bewertet. Dies gelte sowohl innerhalb als auch außerhalb der beiden von der Trassenplanung betroffen Natura 2000-Gebiete, heißt es in einer Pressemitteilung der beiden Verbände.
„Dabei sind grundlegende Fehler gemacht worden“
Bei der Bewertung der Auswirkungen auf besonders geschützte Arten und Gebiete, wie sie im nationalen und europäischen Umweltrecht festgelegt seien, seien grundlegende Fehler gemacht worden, so BUND und NABU. Diese wirkten sich unmittelbar auf die Ausnahmeprüfungen und -entscheidungen des Regierungspräsidiums aus, da die Betroffenheiten wertvoller Natur- und Umweltbestandteile durch die Planungsbehörde bei Weitem unterschätzt worden seien. Somit sei die Planung der Ausgleichs- und Kohärenzerhaltungsmaßnahmen deutlich fehlerhaft.
„Die Tunnelvarianten hätten mehr Gewicht bekommen müssen“
Da die „Endelbergtrasse“ weitaus schwerwiegender in wertvolle Bestandteile von Natur und Umwelt eingreife, hätte diese bei der Alternativenprüfung ausgeschlossen werden müssen. Vor diesem Hintergrund hätten die Vorteile der Tunnelvarianten in der Gesamtbetrachtung und -abwägung ein noch stärkeres Gewicht bekommen müssen, meinen die beiden Verbände. Hinzu komme, dass die für die Tunnel geltend gemachten Mehrkosten und der Kostenvergleich mit Blick auf andere Varianten in mehrfacher Hinsicht äußerst frag- und kritikwürdig seien.
„Prüfung von Klimaschutzbelangen war rechtswidrig“
Die Verbände kritisieren außerdem die unzureichende Berücksichtigung der Klimaschutzbelange und des Klimaschutzrechts, insbesondere die Klimabilanz und die Klimaschutzziele. So sei die Berechnung der CO₂-Emissionen des Projekts unvollständig. Wichtige Emissionen aus Produktion und Bereitstellung von Energie, so genannte „Well-to-Tank“-Emissionen, fehlten vollständig. Die Auswirkungen des Projekts auf gesetzliche Klimaschutzziele für 2030 und darüber hinaus seien zudem nicht ausreichend geprüft worden.
Auch klimafreundlichere Alternativen, unter anderem Tunnelbauten, seien teilweise nur in umständlichen Ausführungsvarianten geprüft und dann ausgeschlossen worden. Die Berechnungsgrundlagen für die Klimawirkung des Projekts stammten aus veralteten Leitlinien des Verkehrsministeriums. Neue wissenschaftliche Standards, wie sie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) entwickelt habe, hätten keine Anwendung gefunden oder seien nur oberflächlich erwähnt worden, heißt es in der Klagebegründung weiter: „Dass die Klimaschutzbelange in der Planung unzureichend berücksichtigt wurden, ist rechtswidrig.“
Die Flächenversiegelung wird nicht ausgeglichen
Auch der Naturverlust wird durch die Planungsbehörde werde unterschätzt: Wälder und Böden, die bislang CO₂ speicherten, sollten laut Planung dauerhaft versiegelt werden, ohne ausreichenden Ausgleich. Das führe zu zusätzlichen Emissionen und untergrabe den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Das Projekt stützte sich auf einen alten Bedarfsplan, „der laut Gesetz längst hätte überprüft und an den Klimaschutz angepasst werden müssen. Diese Pflicht wurde versäumt“.
Fazit der Umweltverbände: Die Endelbergtrasse könne als „ungünstigste Variante eines ohnehin mindestens zu Teilen rechtwidrigen Verfahrens“ betrachtet werden. Der Planfeststellungsbeschluss erweise sich damit aus Sicht der Verbände aus mehreren, selbstständig tragenden Gründen als rechtswidrig.