Kaum Minusgrade, gut gefüllte Gasspeicher in Deutschland – und weiterhin 19 Grad in den Rathäusern. Wie handhaben es Städte und Gemeinden im Kreis Rottweil?
Kreis Rottweil - Wie wappnen sich die Rathausmitarbeiter gegen die Kälte? Und kann man nach der Zeit des Sparens nun nicht eigentlich Entwarnung geben? Wir haben nachgefragt.
Deißlingen
"Ich bin zunächst einmal dankbar und erleichtert, dass sich die Versorgungssituation dank der milden Witterung entspannt hat und wir nicht ernsthaft Sorge vor unbeheizten Zimmern haben müssen", sagt Deißlingens Bürgermeister Ralf Ulbrich dazu. Er warnt jedoch vor zu viel Euphorie. Die vollen Gasspeicher seien nur eine Momentaufnahme. "Und die jetzigen Einsparungen helfen ja bekanntermaßen auch für den kommenden Winter. Sämtliche Energiesparmaßnahmen gelten bei uns daher nach wie vor weiter", teilt er mit.
Dank der milden Außentemperaturen falle das aber auch leichter. So hätten sich seiner Ansicht nach alle Mitarbeiter an das Temperaturniveau gewöhnt. "Ich persönlich trage einfach eine Schicht mehr, als ich das sonst täte, und das hilft vollkommen. Ähnlich gehen die Mitarbeiter damit um, so dass es bislang auch kaum Kritik an den Maßnahmen gab."
Kritische Stimmen
In der Bevölkerung habe es hingegen schon einige kritische Stimmen gegeben, insbesondere, was die nächtliche Abschaltung der Straßenbeleuchtung angehe, aber auch bei der Reduzierung der Badewassertemperatur. "Letzteres hat sich durch die Nachbesserung auf nunmehr 28 Grad gelegt, und an die nächtliche Abschaltung wird sich der Großteil hoffentlich gewöhnen", meint Ulbrich.
In Summe halte man an allen getroffenen Beschlüssen fest und hoffe, dass man damit seinen Beitrag leiste, die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten
Zimmern
"Auch wenn die Energiekrise nicht den von vielen befürchteten Umfang erreicht hat, sollte nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus ökologischen Gründen weiter gespart werden", sagt Zimmerns Bürgermeisterin Carmen Merz. Energieverbrauch gehe immer auf Kosten der Natur und der natürlichen Ressourcen. "Wir sollten uns daran gewöhnen, mit diesen verantwortungsvoll umzugehen, und es tun dabei auch weniger Grad als vielleicht bisher gewohnt in den Räumlichkeiten", so ihre Ansicht.
Ein zweites Jäckchen
Die 19 Grad im Rathaus seien ja Pflicht. Tatsächlich würden sich aber auch die Leitungen in der Schule und in den Kitas freiwillig und solidarisch an dieser Maßnahme beteiligen, so Merz. "Wir sind sicherlich alle wärmer angezogen, und ich habe beispielsweise ein zweites kuschelig warmes Jäckchen dabei. Außerdem werden die Angebote des mobilen Arbeitens genutzt, und zusätzlich geben wir für alle Mitarbeiter kostenlos heißen Kaffee und Tee aus."
Man gehe mit gutem Beispiel voran, denn als Gemeindeverwaltung sollte man eine Vorbildfunktion haben, findet die Bürgermeisterin. "Es wäre gelogen zu behaupten, dass sich alle über die Maßnahmen freuen, aber sie machen mit. Kritik gibt es natürlich. Bislang jedoch lediglich vereinzelt von Hallennutzern oder Bürgern in Bezug auf die Straßenbeleuchtung. Aber auch hier sollten wir alle an einem Strang ziehen, um die Kostensteigerungen für den Energieverbrauch etwas abzufedern."
Dunningen
Recht unproblematisch sieht Dunningens Bürgermeister Peter Schumacher die Lage. "Die 19 Grad gelten selbstverständlich weiterhin", sagt er. Bei den Mitarbeitern habe sich das eingespielt. Hier gebe es in der Praxis überhaupt kein Problem. "Ich persönlich ziehe in meinem Büro einen Pullover an", sagt er.
Die abgesenkte Temperatur des Lehrschwimmbeckens, das vom Sportverein Seedorf betrieben wird, stoße bei den Gästen sicherlich nicht auf Gegenliebe, Kritik sei ihm aber noch nicht zu Ohren gekommen.
Schramberg
"Tatsächlich haben die Betreiber von Gasspeichernetzen mitgeteilt, dass die Chancen, ohne Gasmangellage – das heißt, ohne Abschaltungen – durch diesen Winter zu kommen, sehr gut sind", antwortet Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr auf Anfrage. "Trotzdem haben wir erst Mitte Januar, und es können uns noch sehr kalte Tage bevorstehen. Jeder sehr kalte Tag beansprucht die Gasspeicher enorm. Da zudem die Alarmstufe des Notfallplans Gas weiter in Kraft ist, werden wir die Temperatur im Hallenbad vorerst auf dem jetzigen Niveau beibehalten."
Bis 15. April wahrscheinlich
Die Temperaturabsenkung in öffentlichen Gebäuden wiederum gehört zu den Energiesparmaßnahmen, die der Bund im September 2022 beschlossen hat. Sie gelten noch bis 28. Februar 2023, wobei der Bundestag jetzt schon ihre Verlängerung bis zum 15. April beschlossen hat. Dieser Verlängerung muss der Bundesrat noch zustimmen. Eisenlohr: "Insofern gelten die 19 Grad Raumtemperatur erstmal weiterhin."
Aichhalden
"Wir in Aichhalden werden in der nächsten Gemeinderatssitzung am Dienstag, 24. Januar, darüber beraten, ob wir im Lehrschwimmbecken die Temperatur wieder um zwei Grad erhöhen", sagt Bürgermeister Michael Lehrer. Der Verwaltungsvorschlag laute, dies zu tun, gleichzeitig aber die Eintrittspreise für eine Tageskarte bei Erwachsenen von 2,50 auf drei Euro zu erhöhen. In den Gebäuden der Verwaltung soll es nach Lehrers Worten derzeit hinsichtlich der Temperatur keine Änderung geben.
Villingendorf
Marcus Türk, Bürgermeister von Villingendorf, betont, dass die 19 Grad im Büro vom Bund vorgeschrieben seien. Insofern gelten die Vorgaben auch weiterhin im Rathaus. "In einem Arbeitsraum in einem öffentlichen Nichtwohngebäude darf die Lufttemperatur höchstens auf die folgenden Höchstwerte geheizt werden: 1. für körperlich leichte und überwiegend sitzende Tätigkeit 19 Grad Celsius, 2. für körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 18 Grad Celsius, 3. für mittelschwere und überwiegend sitzende Tätigkeit 18 Grad Celsius, 4. für mittelschwere Tätigkeit überwiegend im Stehen oder Gehen 16 Grad Celsius oder 5. für körperlich schwere Tätigkeit 12 Grad Celsius", zitiert er aus dem Regelwerk.
Immer ein Grad kälter
"Da ich überwiegend im Stehen arbeite, muss es in meinem Büro immer um ein Grad kälter sein als in den übrigen Büros. Wobei ich mir manchmal so vorkomme, als dürfte ich maximal auf 12 Grad heizen...", fährt er mit einem Augenzwinkern fort.
Wie er und seine Mitarbeiter sich den lieben langen Tag wappnen? Zwei paar Socken? Mehr Bewegung zwischendurch? Marcus Türk: "Ich für meinen Teil habe meinen Teekonsum am Arbeitsplatz deutlich erhöht. In den Büros meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sieht man seit geraumer Zeit vermehrt Thermoskannen stehen. Wir wärmen uns also von innen heraus."
Auf die Frage, ob es mittlerweile andere Energiesparveränderungen in der Gemeinde seit den Gemeinderats-Beschlüssen im Herbst gebe, antwortet er: "Neue Energieeinsparmaßnahmen, die über diejenigen vom Herbst hinausgehen, gibt es in Villingendorf nicht. Hier befinden wir uns in der glücklichen Lage, dass wir bereits lange vor der Energiekrise das Thema Energiesparen angegangen sind und so schon länger die Einsparpotentiale ausgeschöpft haben."
Bösingen/Herrenzimmern
In der Gemeinde Bösingen ist die Lage etwas komplexer. Hauptamtsleiter Matthias Jetter teilt mit: "Die 19 Grad lassen sich im Rathaus in Herrenzimmern mit seiner 40 Jahre alten Fußbodenheizung nicht regeln. Scheint die Sonne rein, wird es zu warm. Regnet es, ist es zu kalt. In Bösingen – hier haben wir an zwei halben Tagen in der Woche geöffnet – sind Heizkörper."
Wie sieht die Lage im Lehrschwimmbad aus? Welche Temperatur ist dort vorgeschrieben? Hat sich mittlerweile daran etwas verändert? Jetter: "Im Schwimmbad wurde die Temperatur auf 28 Grad festgelegt. Dies ist für viele Nutzer zu kalt, und sie beschweren sich. Für Kindergarten und Schule ist es zu kühl – und für die Rheumaliga sowieso."
Wellendingen
Für Bürgermeister Thomas Albrecht ist die Situation eindeutig. "Die Energieeinsparverordnung soll meines Wissens nach bis zum 15. April 2023 gelten. Dies haben wir in Wellendingen so umgesetzt – und das bleibt auch so. Zugegebenermaßen gehe ich nicht in die Büros und kontrolliere. Verständlich, wenn manche Mitarbeiter auch mal ein, zwei Grad mehr einstellen, besonders morgens. Aber es ist deutlich kühler im Rathaus als die letzten Winter. Die Mitarbeiter tragen vermehrt Pullover." Und weiter: "In den Hallen und Bürgerhäusern haben wir jedoch die Heizung dementsprechend konsequent heruntergeregelt."
Es bleibt bei 32 Grad
Wie sieht die Lage im Lehrschwimmbad aus? Welche Temperatur ist dort vorgeschrieben? Hat sich mittlerweile daran etwas verändert? Thomas Albrecht: "Im Lehrschwimmbecken haben wir nichts verändert. Die Wassertemperatur ist bei 32 Grad. Hier lernen Kinder Schwimmen. Und mir ist es wichtiger, dass jedes Kind schwimmen kann, als dass wir hier schließen oder ein paar Grad runterkühlen. Schwimmen können rettet Leben – und das ist das höchste Gut. Das lasse ich mir durch keine Regierung oder durch einen angriffslustigen russischen Präsidenten ›verbieten‹."
Weitere Energiesparmaßnahmen, außer die bereits sehr früh beschlossene Abschaltung der Straßenbeleuchtung, gebe es nicht. "Aber meine Mitarbeiter sind erfreulicherweise konsequent, auch was das Licht ausmachen oder eben das nur noch leichte Aufdrehen der Heizungen anbelangt. Hierfür bin ich meinem Team sehr dankbar, und wir werden dies auch im Sinne des Klimaschutzes beibehalten."