Parlamentarisches Kontrollgremium zeigt sich erschüttert. Im Kreuzfeuer: der Verfassungsschutz.

Berlin - Die bisher bekannten Täter der Neonazi-Mordserie handelten nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden wahrscheinlich nicht allein. „Es gibt Hinweise auf weitere Helfer“, sagte der Vorsitzende des parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, nach einer Sitzung am Dienstag in Berlin. „Die Helfer der Terroristen müssen ermittelt und hart bestraft werden.“

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes offenbar in Morde involviert

Auch die mögliche Rolle des Mitarbeiters des hessischen Verfassungsschutzes bei einem Mord in Kassel war Thema der Sitzung. Oppermann verwies auf den bisherigen Stand der Ermittlungen, nach dem der Mann kurz vor dem Mord den Tatort verlassen haben will. Nichts sagen wollte Oppermann zu verschiedenen Medien-Informationen, nach denen der Mann noch während des Mordes in dem fraglichen Café und insgesamt in der Nähe von sechs Tatorten gewesen sein soll. Er teilte mit: „Dieser Mann hat eine offenkundig stark rechte Gesinnung. Er arbeitet im Augenblick bei der Bezirksregierung in Hessen.“

Verfassungsschutz im Kreuzfeuer

Ob Mitarbeiter des thüringischen Verfassungsschutzes Kontakt zu den über Jahre untergetauchten Tätern der Zwickauer Zelle hatten, sei unklar. Konkrete Hinweise lägen nicht vor, sagte Oppermann. Ausschließen könne man es auch nicht. Hans-Peter Uhl (CSU) sagte: „Die Behörden stehen vor einer Flut von Untersuchungen, die jetzt anstehen, die mit Sicherheit Wochen und Monate dauern.“ Zur Rolle des hessischen Verfassungsschützers sagte Uhl: „Das wird noch ein Nachspiel haben.“ Michael Hartmann (SPD) kündigte an, die Rolle des Mannes würde in der nächsten Sitzung weiter hinterfragt.

Gremium entsetzt über Mordserie

Mehrere Mitglieder des Gremiums drückten ihre Bestürzung über die Taten aus. „Die Mordfälle gehören ganz sicher zu den schwersten und abscheulichsten Verbrechen, die wir in Deutschland in den letzten 60 Jahren erlebt haben“, sagte Oppermann. Er schäme sich, dass der Staat die Opfer nicht habe schützen können. Nun dürften die Angehörigen nicht alleine gelassen werden. Er sei sicher, dass die Bundesregierung einen angemessenen Rahmen für die Trauer finde. Hans-Christian Ströbele (Grüne) sagte: „Ganz eindeutig hat der Verfassungsschutz seine Aufgaben nicht ausreichend wahrgenommen, er hat versagt.“

Ströbele sieht Rolle der V-Leute als großes Problem

Er habe die Bevölkerung nicht vor rechtem Terror schützen können. „Ich denke, da ist ein Grundfehler an der gesamten Struktur, an dem Geist, der da herrscht.“ Die Rolle der V-Leute sei das große Problem. Wegen ihrer rechtsextremen Haltung seien ihre Informationen weiter mit großer Vorsicht zu genießen. Oppermann kritisierte, das Bundeskriminalamt (BKA) hätte früher die Ermittlungen übernehmen sollen. Schließlich habe es bereits nach dem zweiten Mordfall Hinweise gegeben, dass es sich um die selben Täter handelte.

Zusammenarbeit mit Landesämtern soll besser werden

Die Abgeordneten forderten Reformen und Untersuchungsschritte an verschiedenen Stellen. Ströbele verlangte die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Oppermann forderte eine Verstärkung der Koordinierungsfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutzes. „Ich kann dort keine Fehler erkennen“, sagte er. Doch die Zusammenarbeit mit den entsprechenden Landesämtern müsse dringend besser werden. Uhl regte an, den Paragraphen 4a des BKA-Gesetzes über die Terrorabwehr auf alle Formen des Terrorismus anzuwenden.

Uneinigkeit über NPD-Verbotsverfahren

Clemens Binninger (CDU) schlug vor, die Antiterrordatei auf den rechten Terror auszudehnen. Oppermann kündigte an, er werden dem Kontrollgremium bei einer Sondersitzung kommende Woche einen Beschluss vorschlagen, die einschlägigen Akten des thüringischen und hessischen Verfassungsschutzes beizuziehen. Oppermann forderte zudem, die Voraussetzungen für ein neues NPD-Verbotsverfahren zu schaffen. Uhl befürwortete dagegen, die Partei weiter mit V-Leuten zu beobachten und dafür auf ein Verbot zu verzichten. „Verfassungsfeindliche Gedanken können Sie nicht abschalten wie einen Lichtschalter“, sagte er.