„Gott ist gut zu uns“: Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi zeigt den in seinem Land gefundenen Rohdiamanten. Foto: AFP/Monirul Bhuiyan

Botswana präsentiert den mit 2492 Karat zweitgrößten Diamanten der Geschichte. Das afrikanische Land gilt als Erfolgsgeschichte. Doch was passiert, wenn die Minen ausgeschöpft sind?

Er solle die Augen schließen und die Hände öffnen, sagte eine Mitarbeiterin zu Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi. Dann ließ sie den zweitgrößten Diamanten, der weltweit je gefunden wurde, in seine Hände fallen. 2492 Karat hat der Edelstein, knapp 500 Gramm, die Größe einer Avocado. So mancher im Raum dürfte die Sorge gehabt haben, der Klunker – laut „Financial Times“ 40 Millionen Dollar wert – könnte Masisi herunterfallen. Der Politiker aber griff beherzt zu und sagte nur: „Gott ist gut zu uns.“

Nur einmal in der Geschichte wurde ein noch größerer Diamant ausgegraben. Das war vor 119 Jahren in Botswanas Nachbarland Südafrika. Er hatte 3106 Karat und wurde in neun separate Steine verarbeitet. Einige davon endeten in den britischen Kronjuwelen – ein Umstand der zuletzt bei der Krönung von Charles III. im vergangenen Jahr Schlagzeilen machte. Aktivisten forderten eine Rückgabe der Steine und lösten neue Diskussionen über das koloniale Erbe Großbritanniens aus.

Botswana ist eine wohlhabende und stabile Demokratie

Den Diamanten in Botswana erwarten andere Debatten. Den über Technologie etwa, denn der Fund gelang der kanadischen Firma Lucara mit Hilfe von Röntgentechnik. Sie kommt seit 2017 zum Einsatz und ermöglicht neben der Ortung eine präzisere Förderung. Das Risiko einer Beschädigung des Edelsteins sinkt und die Hoffnung auf bis dato unentdeckte Vorkommen steigt. Aber es wird wohl auch darum gehen, wie die Bevölkerung noch stärker von derartigen Entdeckungen profitieren kann. Botswana wird oft als Paradebeispiel für den verantwortungsvollen Umgang mit Diamantenressourcen gelobt. Die Regierungseinnahmen flossen früh nachhaltig in Bildung, Gesundheitswesen und Infrastruktur.

Während der Rohstoffreichtum in Ländern wie Nigeria oder Kongo das Schlagwort des „Ressourcenfluches“ prägte, ging Botswana entschieden gegen Korruption vor, schuf vergleichsweise liberale Wirtschaftsstrukturen. Die Nation im Süden Afrika gehört als zweitgrößter Produzent nach Russland inzwischen längst zur Kategorie der Länder mit „oberem mittleren Einkommen“. Das Land ist eine stabile Demokratie.

Im Jahr 2052 werden die Vorkommen erschöpft sein

Doch im Oktober wird gewählt, und Masisi verspricht, das Binnenland zur einkommensstarken Industrienation zu machen. Ein sehr ehrgeiziges Unterfangen: Mit 2,4 Millionen Einwohnern ist der Markt klein und der Konsum entsprechend begrenzt. Hinzu kommen hohe Arbeitslosigkeit, Fachkräftemangel – und die Tatsache, dass Diamanten eben doch nicht für die Ewigkeit sind. Zumindest nicht der lange Zeit hohe Marktpreis, der seit Beginn des Ukraine-Krieges massiv gelitten hat.

In Botswana haben die Edelsteine ein Haltbarkeitsdatum: Im Jahr 2052 werden die Vorkommen weitgehend erschöpft sein. Masisi quetscht heraus, was geht. Er hat kürzlich De Beers, dem größten Diamantenproduzenten der Welt, bessere Konditionen für das Joint Venture „Debswana“ abgerungen. Der Präsident nennt das „Riesen schütteln“. Künftig erhält Botswana 30 Prozent der geförderten Rohware statt bisher 25 Prozent. Der Anteil wird noch steigen. Mit neuen Gesetzen soll die Wertschöpfungskette in Botswana verlängert werden.

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Lucara gehört das Karowe-Bergwerk, in dem nun der riesige Diamant gefunden wurde, allerdings vollständig. Die Bevölkerung wird also voraussichtlich nur über Steuereinnahmen profitieren. Die Regierung will Bergbauunternehmen dazu verpflichten, einen Anteil von 24 Prozent an lokale Firmen zu verkaufen, wenn die Regierung ihre Option, Anteilseigner zu werden, nicht ausübt.

Das Land soll zum Singapur Afrikas werden

Aus der Endlichkeit des kostbaren Rohstoffs macht Masisi keinen Hehl. Er hat das Regierungsprogramm „Beyond Diamonds“ (Jenseits der Diamanten) ins Leben gerufen, er will das verarbeitende Gewerbe und die Landwirtschaft ankurbeln und dafür auch den Naturschutz einschränken. Gemüseimporte sind teils absurd hoch besteuert, um die eigene Produktion anzukurbeln. Man merkt, dass Masisi eine Freundschaft mit Simbabwes Autokraten Emmerson Mnangagwa pflegt und auch die Beziehungen mit China intensiviert. Botswana ist nicht mehr ganz so unverrückbar auf der Seite des Westens zu verorten wie früher.

Masisi will sein Land zum technologisch führenden „Singapur Afrikas“ machen. Dafür hat er entsprechende Förderprogramme gestartet. Doch am Rande einer Investorenkonferenz im vergangenen Jahr erzählte ein Berater aus Estland, dass er bereits dreimal Spezialisten für die Digitalisierung von Verwaltungen aus dem baltischen Staat in den Süden Afrika geholt habe – schließlich gilt Estland in diesem Bereich als weltweiter Vorreiter. „Passiert ist nichts“, sagte er, „es mangelt an der Umsetzung im Alltag.“