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Alle drei Jahre zeigt die Pisa-Studie, wie gut oder schlecht das Bildungssystem ist. Der baden-württembergische Kultusminister Rau aber zweifelt die Aussagekraft der Daten an.

Stuttgart - Alle drei Jahre zeigt die Pisa-Studie, wie gut oder schlecht das Bildungssystem ist. Der baden-württembergische Kultusminister Helmut Rau aber zweifelt die Aussagekraft der Daten an - und droht mit dem Ausstieg. Die SPD warnt davor.

Pisa, die vier Buchstaben stehen für "Programme for international Student Assessement". Im regelmäßigen Rhythmus von drei Jahren wird die Studie im Auftrag der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) vorgenommen. Das Ziel: In den OECD-Staaten sowie 33 Partnerländern - von Albanien über Kolumbien bis zur Türkei - werden 15-jährige Schülerinnen und Schüler in unterschiedlichen Bereichen getestet. Stets mit einem Schwerpunkt: Im Jahr 2000 war es die Lesekompetenz, drei Jahre später lag das Hauptaugenmerk der Studie auf den mathematischen Fähigkeiten, 2006 wurde der Schwerpunkt auf dem Feld der Naturwissenschaften angesiedelt.

In diesem Jahr beschäftigten sich die Experten bei ihren Untersuchungen wiederum mit der Lesekompetenz und der Frage, ob die Länder aus den Ergebnissen der Studie vor neun Jahren inzwischen die notwendigen Reformbeschlüsse gezogen haben.

Die Ergebnisse dieser jüngsten Untersuchung werden erst im kommenden Jahr vorliegen, aber schon jetzt sorgt die nächste Pisa-Studie im Jahr 2012 für Diskussionen. Dann werden die mathematischen Fähigkeiten der Jugendlichen wieder abgefragt, und einer wie Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau ist skeptisch geworden. Es geht um die Frage, wie verlässlich und damit wie vergleichbar die ermittelten Daten sind. Zur Erinnerung: Im Jahr 2006 gab es zwischen OECD und dem deutschen Pisa-Konsortium heftigen Streit darüber, wie gut oder schlecht es denn nun um die naturwissenschaftlichen Kenntnisse der deutschen Schüler bestellt ist.

Seither hat es mehrere Versuche zwischen der Kultusministerkonferenz und der OECD gegeben, die Unklarheiten und Unstimmigkeiten zu beseitigen. Doch die Bemühungen blieben im Ansatz stecken. Nun aber wollen die Bildungspolitiker der Länder endlich Klarheit haben - und haben deshalb die zuständige OECD-Direktorin Barbara Ischinger für diesen Donnerstag zur Kultusministerkonferenz nach Bonn geladen. "Ziel des Gesprächs ist die Klärung der Geschäftsgrundlage, auf der eine Entscheidung zur Teilnahme Deutschlands an Pisa 2012 erfolgen kann", sagt Kultusminister Rau. Hintergrund der Aufregung: Rau will vermeiden, dass unterschiedliche Deutungen der Pisa-Ergebnisse die Akzeptanz und Aussagekraft der Studie künftig infrage stellen. Und Rau will "ein verbindliches Angebot" auf dem Tisch haben, das "einen verlässlichen Kostenrahmen und die Leistungen beinhaltet, die mit einer Teilnahme Deutschlands verbunden sind".

Nach Auskunft seiner Sprecherin mussten die Länder für die aktuelle Pisa-Studie in diesem Jahr zusammen rund 3,1 Millionen Euro berappen, auf Baden-Württemberg entfielen dabei Kosten von 400.000 Euro. Für Rau steht fest: "Die Geschäftsgrundlage muss stimmen." Dabei geht es ihm aber nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern vor allem um die Inhalte: "Wir möchten wissen, ob wir aus den fortlaufenden Untersuchungen erkennen können, inwieweit unsere Reformmaßnahmen gewirkt haben." Soll heißen: Rau will eine verlässliche Untersuchung darüber haben, ob Maßnahmen wie die massiv ausgebaute frühkindliche Bildung die erhofften Früchte trägt.

Rau droht mit Pisa-Ausstieg

Baden-Württemberg, so betont er, sei "wie alle Länder grundsätzlich bereit, sich an der nächsten Pisa-Studie zu beteiligen" - wenn die OECD zuvor die notwendige Klarheit schaffe. Möglicherweise gelingt das bereits an diesem Donnerstag. Sofern "die noch offenen methodischen, technischen und finanziellen Fragen rechtzeitig und zur Zufriedenheit der Länder" beantwortet würden, könne schon in Bonn eine Grundsatzentscheidung über die Teilnahme an Pisa 2012 getroffen werden, verspricht Rau.

Die SPD-Opposition im baden-württembergischen Landtag forderte Rau inzwischen auf, "nicht länger die Ausstiegskeule zu schwingen", wie ihr bildungspolitischer Sprecher Norbert Zeller sagt. Baden-Württemberg brauche dringend "den internationalen Vergleich in der Bildungspolitik, so Zeller, der Vorsitzender des Landtags-Schulausschusses ist. Zeller vermutet, dass die Kritik Raus damit zu tun hat, dass dem Minister "die von den bisherigen Pisa-Studien ans Licht gebrachten unangenehmen Wahrheiten über das Schulsystem in Baden-Württemberg nicht in den Kram" passen. Zeller warnte die CDU-FDP-Landesregierung vor der Außenwirkung eines Pisa-Ausstiegs. Mit "einem negativen Votum in der Kultusministerkonferenz", so Zeller, "könnte Baden-Württemberg die Teilnahme aller anderen Bundesländer blockieren", da Deutschland nur dann bei der Pisa-Studie 2012 berücksichtigt wird, wenn ein einstimmiges Votum der Bundesländer vorliegt.