Arbeitsplatz mit Aussicht: Zwei-Sterne-Koch Martin Herrmann ist Küchenchef des oberhalb Bad Griesbachs gelegenen Hotels Dollenberg. Foto: Dollenberg

Der Ortenauer Spitzenkoch Martin Herrmann vom Bad Griesbacher Dollenberg hat Anfang April seine zwei Michelin-Sterne verteidigt. Im Gespräch berichtet er von seiner Küchenphilosophie, der Liebe zu regionalen Produkten – und über Geld.

Küchenchef Martin Herrmann ist schon ein »alter Hase« im Gourmet-Geschäft: Bereits 2010 gab es für ihn die Zwei-Sterne-Bewertung des „Guide Michelin“ – die er seither jedes Jahr verteidigt. Im Gespräch mit unserer Redaktion verrät der 56-Jährige, was ihm beim Kochen wichtig ist, und was er selbst gerne isst.

 
Dollenberg-Küchenchef Martin Herrmann mit zwei seiner Mitarbeiter Foto: Armbruster

Herr Herrmann, wie viele Stunden arbeitet man als Sterne-Koch eigentlich?

Wir haben keinen 36-Stunden-Job, aber 13 bis 14 Stunden am Tag arbeiten wir auch nicht. Das wollen wir auch nicht, meine Mitarbeiter und ich brauchen unsere Freizeit. Ich arbeite so zehn, meine Jungs wohl neun Stunden – früher war das noch anders. Am Wochenende und an Feiertagen ist es mehr.

Das klingt fordernd!

Es ist auf jeden Fall fordernd, jeden Morgen von Neuem daran zu arbeiten, noch besser zu werden. Produkte kontrollieren, Leute formen und Leistung fordern – das hat viel mit Disziplin zu tun. Da muss man selbst dabei sein, und neben den Mitarbeitern stehen. Es fängt jeden Tag bei Null an. Am Abend sagen die Gäste dann, ob es schmeckt oder nicht.

Ein Fünf-Gänge-Menü gibt es im „Le Pavillon“ ab rund 160 Euro – das klingt nach viel Geld...

Ist es tatsächlich aber nicht für das, was wir bieten. Beste Produkte haben ihren Preis. Wir verdienen unser Geld mit den Hotelgästen. Viele Restaurants, gerade im Zwei- oder Drei-Sterne-Bereich, können sich nicht selbst tragen und werden vom angeschlossenen Hotelbetrieb subventioniert.

Was ist Ihnen persönlich beim Kochen wichtig?

Beim Kochen sollte man sich aufs Wesentliche konzentrieren. Was das ist, muss jeder Koch für sich herausfinden. Ein Kresseblatt mehr bringt ein Gericht nicht unbedingt weiter, so unsere Philosophie. Früher haben wir viel komplizierter gekocht, regelrechte Türmchen auf den Tellern gebaut.

Das ist heute anders?

Wir verkörpern im „Le Pavillon“ französische Küche und die Franzosen sind sehr produktorientiert. Früher – nach meinem ersten Stern – bin ich oft mit meinem Schwager Meinrad Schmiederer in Drei-Sterne-Restaurants essen gegangen, auch in Paris. Da hatte man nur zwei Elemente auf dem Teller – aber was für ein Hochgenuss! Wenn man das versteht, verändert sich etwas im Kopf. Manche Köche denken vielleicht auch zu kompliziert beim Kochen.

Bei der Michelin-Gala ist auch ihr Sommelier Christophe Meyer ausgezeichnet worden. Welche Rolle spielt der Wein in ihrem Konzept?

Er ist ein wichtiger Bestandteil – Speisen und Wein müssen sich ergänzen. Wenn ich mit Christophe ein neues Gericht entwickele, dann wird ein Bissen in Mund genommen, dazu kommt ein kleiner Schluck Wein – er muss mit Fleisch, Soße und Gemüse eine Rundung ergeben. Wir leben ja zudem in einer Weinregion mit tollen Winzern. Die unterstützen wir auch und haben viele Ortenauer Weine auf der Karte.

Was bedeutet Ihnen Regionalität in der Küche?

Wenn man schon die besten Produkte vor der Tür hat, liegt es nahe, dass man sie verwendet. Nur mit regionalen Produkten zu kochen, ist aber schwierig. Im Gourmet-Restaurant müssen wir auch andere anbieten – Atlantikfische etwa.

Apropos Regionalität: Sie selbst kommen ja auch aus der Ortenau ...

Ja, ich bin in Haslach geboren und aufgewachsen, bis ich zehn Jahre alt war. Dann sind wir nach Neuried-Müllen umgezogen. Mein Vater hat dort in der ehemaligen Milchzentrale einen Betrieb gegründet – die Ortenauer Fernküche. Mein Bruder ist übrigens auch Koch.

Die Liebe zum Kochen liegt also in der Familie?

Sozusagen! Mein Vater ist eigentlich gelernter Metzger, meine Mutter kommt aus einem gastronomischen Betrieb, dem „Engel“ in Fischerbach, den jetzt mein Bruder führt.

Ist der Fachkräftemangel ein Problem in der Sterne-Gastronomie?

Ja. Auch wir bekommen nur noch über Organisationen und Headhunter Leute. Natürlich hat die Gastronomie auch Fehler gemacht und Leute verbrannt. Corona hat die Situation noch verschärft.

Wie gehen Sie damit um?

Seit gut 15 Jahren integrieren wir Menschen aus dem Ausland – aus Indien und Tadschikistan. Als Mitarbeiter machen die einen guten Job. Mein Sous-Chef etwa kommt aus Kalkutta. Er ist mein Stellvertreter – ich könnte mir keinen besseren vorstellen!

Essen Sie selbst eigentlich auch gerne Mal deftig?

Unbedingt! Ich esse liebend gern Geschmortes – Ochsenbäckle etwa. Ich liebe es auch, bei meiner Schwester zu essen, die kocht sensationell gut. Sie kocht nicht „Schickimicki“, es schmeckt aber halt einfach.

Aus der Region

Martin Herrmann ist ein Gewächs der Ortenau: Er wurde 1966 in Haslach geboren, wuchs auch in Neuried auf und ging ab 1982 in Bad Peterstal-Griesbach im Betrieb seines späteren Schwagers in die Lehre. 1991 stieg er dort zum Küchenchef auf. 1998 wurde der erste Michelin-Stern für das französische Restaurant „Le Pavillon“ verliehen, 2010 folgte der zweite.