Wie kann man heute noch Künstler sein und die Menschen mitnehmen? Friederike Schleeh und Jens Hogh-Binder haben eine Antwort darauf, geben Einblick in die Vorbereitungen für ihre Ausstellung und räumen mit Klischees auf.
Sechs Monate sind es noch bis zur Ausstellung von Friederike Schleeh und Jens Hogh-Binder in der Oberndorfer Klosterkirche. Das ist nicht mehr allzu viel Zeit, denn die Ausstellung soll ausschließlich aus Exponaten bestehen, die extra für diesen Zweck angefertigt wurden. Darauf warten, dass die Muse einen küsst, ist da keine Option. „Das ist ohnehin eine überholte Vorstellung“, sagt Friederike Schleeh schmunzelnd. Professionelle Künstler seien Arbeitstiere.
Das zeigt sich schon darin, dass alles selbstgemacht ist. Der Holztafelrahmen für den Bildträger werden selbst gebaut, mit Leinwand bespannt und anschließend grundiert. Die Malmaterialien werden aus Farbpigmenten und Bindemitteln – Schleeh verwendet Öl und Acryl – selber hergestellt. Erst dann beginnt der Schaffensprozess an sich: Für die Künstlerin ist Kunst auch gutes Handwerk. Verträumtes Pinselschwingen ist allenfalls Klischee.
Vor rund acht Jahren haben sie und Jens Hogh-Binder das Atelier Co-Werk im Irslenbach in Altoberndorf eröffnet. Regelmäßig fanden Veranstaltungen, etwa Konzerte, dort statt. Dann kam die Pandemie. Nun möchten die Künstler herausfinden, was Oberndorf braucht.
Interesse am Herstellungsprozess
Das soll unter anderem mit der Ausstellung im August getestet werden. „Wir wollen aufmachen – das Atelier und uns persönlich“, erklärt Jens Hogh-Binder.
Das bedeutet: beim künstlerischen Prozess mitnehmen, Einblicke geben – zum Beispiel durch einen Blog auf der Website, die gerade überarbeitet wird. Denn der Zeitgeist zeige, dass das Interesse am Herstellungsprozess und an den Personen, die hinter dem Geschaffenen stehen, immer größer werde.
Die Ausstellung, die ab August in der Klosterkirche zu sehen sein wird, steht unter dem Titel „Streben und Schweben“.
Wechselspiel aus Dialog und Kontrast
Ideen gebe es sowieso immer genug, sagt Jens Hogh-Binder. Die Herausforderung sei, diese zu strukturieren und zu verbinden, so dass ein Wechselspiel aus Dialog und Kontrast entsteht, sagt er über die mittlerweile schon jahrzehntelange Zusammenarbeit mit Friederike Schleeh.
So arbeite jeder Künstler für sich, das Geschaffene wirke aber in einer gemeinsamen Ausstellung zusammen. „Uns verbindet die Energie und das Machen-Wollen“, erklärt Schleeh.
Das „Streben“
Wo wir beim „Streben“ wären. Dieser Part der Ausstellung liegt bei Jens Hogh-Binder. Er arbeitet an einer großen Bodeninstallation, die sich aus empor gereckten Armen und Händen zusammensetzt. Siegesjubel, kindliche Ausgelassenheit, Tänzerisches, etwas empfangen wollen, ein Über-sich-hinaus-Wachsen – Hogh Binder verdeutlicht, wie viele verschiedene Emotionen in dieser einen Geste stecken und möchte gleichzeitig eine Verbindung zum Deckenfresko der Klosterkirche schaffen.
Vor dem Erschaffen stand aber das Planen und Berechnen, denn die 36 Objekte der Bodeninstallation müssen erst einmal sinnvoll verteilt werden – in diesem Fall in Anspielung auf den „Corona-Abstand“.
Erst rechnen und messen
Die empor gereckten Hände hat Hogh-Binder zunächst in Ton modelliert und dann ein Negativ in Gips geschaffen, das schließlich mit Stein und Zement ausgegossen wird. Und ehe aus einem Stein- oder Gips-Block weitere figürliche Skulpturen entstehen, muss auch erst einmal gerechnet und abgemessen werden. Dann geht es daran, erst die Konturen aufzuzeichnen und dann herauszuarbeiten – anfangs mit der Flex, dann mit Meißel, Fäustel und Pressluft.
Spiel der Dimensionen
Friederike Schleeh musste sich derweil im Vorfeld mit den Maßen der Klosterkirche befassen. Für den Part des „Schwebens“ erschafft sie sieben Bilder, die genau in die Nischen der Klosterkirche passen sollen. Sie sollen Fenstercharakter haben, die Idee eines Ausblicks aufnehmen, der aber begrenzt ist, und mit der Himmelsthematik spielen.
Dafür mussten erst einmal einige Fragen geklärt werden: Wie groß müssen die Bilder sein? Was im Atelier riesig wirkt, kann in der großen Klosterkirche untergehen. Wie stark die Rahmung, um den Fenstereffekt zu erzielen? Wie kann man dem Barocken und den dominanten Lampen in der Klosterkirche etwas entgegensetzen?
Verschiedene Ebenen
Und dann gilt es noch, ganz profane Dinge wie Ausstellungsaufsicht und Versicherung zu klären.
Ist das erledigt, geht es an die künstlerische Arbeit. Während die erste Schicht bei Schleehs Malerei bewusst den Zufall mit einschließt, sind alle weiteren Schritte gut durchdacht: Denn die Künstlerin setzt auf eine Kombination von Ornament mit seiner konkreten Form, geometrischer Komposition, die Illusion von Raum und Richtung erzeugen kann und die Vorstellung abbildet, dass das Leben auf einen Punkt zuläuft.
Bewegung und Tanz sind große Themen
Neben den Nischenbildern entsteht auch ein großes Bild für den Chorraum, eine raumgreifende Installation zum Thema Tanz. Bewegung wird auch bei der Eröffnung am 2. August ein wichtiger Aspekt sein, denn die Oberndorfer Ballerina Kristina Metova wird gemeinsam mit ihrer Schule TanzDance auftreten und das Thema der Aufstellung aufgreifen. Damit wird sie temporär Teil einer vielgestaltigen konzeptuellen Präsentation.
Weitere Informationen gibt es unter: co-werk.de und http://www.hogh-binder.de/