Mehr als zwei Jahre nach ihrer Einführung sind die Auswirkungen der neuen Gebührenordnung der Tierärzte spürbar. Viele Halter können Behandlungen nur dank einer Versicherung stemmen. Landwirte müssen schwierige Entscheidungen treffen.
Durchfall beim Hund, Krebs bei der Katze und das Pferd hat eine Kolik: Um all das medizinisch versorgen zu lassen, müssen Tierhalter seit Oktober 2022 tiefer in die Tasche greifen. Seit diesem Zeitpunkt gilt die neue Gebührenordnung der Tierärzte (GOT). Dank dieser sind Behandlungen deutlich teurer geworden; teilweise stiegen die Preise um das dreifache, besonders wenn ein Tier im Notdienst versorgt werden muss. Grund für die Preissteigerungen war seinerzeit unter anderem, dass die die Kosten für die Praxen höher geworden waren und die Gehälter der tiermedizinischen Fachangestellten angepasst werden mussten. Zuvor waren die Sätze der Gebührenordnung 20 Jahre lang nicht erhöht worden. Unsere Redaktion hat sich umgehört, welche Auswirkungen die Anpassung auf Tierärzte, Tierschützer und Landwirte hatte.
Mehr Gehalt und mehr Papierkram in Tierarztpraxen
Die neuen GOT gilt nun seit etwas mehr als zwei Jahren und habe „viel mehr Auswirkungen gehabt als man gedacht hat“, berichtet Tierarzt Jörg Schäffner vom Kleintierzentrum Kinzigtal unserer Redaktion. Er habe mehrere Effekte beobachten können, die sich teilweise überlagern. Dass während der Corona-Pandemie viele Menschen Tiere angeschafft haben, die sie nun nicht mehr, auch tiermedizinisch, versorgen können, verschärfe einen Konflikt, den es schon vorher gegeben habe: Eine Behandlung, gerade im Notdienst, kann extrem teuer werden – so teuer, „dass da durchaus Tausende von Euro durchrauschen können“, sagt Schäffner.
Viele Halter hätten aufgrund der mit der neuen GOT einhergehenden Preissteigerungen eine Versicherung für ihre Tiere abgeschlossen. Dabei gebe es einige, die alle inklusive Routinebehandlungen erstatten, aber auch solche, die nur Notfällen übernehmen. Gerade diese könnten für so manchen eine finanzielle Katastrophe bedeuten, insbesondere wenn sie nicht viel verdienen oder nur von einer geringen Rente leben. „Das kann bei einigen eine Frage über Sein oder Nichtsein nach sich ziehen“, so Schäffner. Aus diesem Grund begrüßt der Tierarzt, dass sich Halter zumindest dagegen versichern, „damit man finanziell nicht ganz so schrecklich tief fällt.“ Die zunehmende Zahl der Tierversicherungen bedeutet für Schäffners Angestellten aber auch oft einen Mehraufwand, denn viele Gesellschaften verlangen Nachweise und Berichte, die die Praxis liefern muss. „Noch mehr Papierkram für uns“, fasst Schäffner zusammen.
Positiv bei der neuen GOT sei, dass die Angestellten, vor allem die Tierarzthelfer, nun besser entlohnt würden. Um 30 Prozent seien deren Gehälter gestiegen; eine weitere Erhöhung sei derzeit Gegenstand von Gewerkschaftsverhandlungen, eine Einigung steht aber noch aus. Schäffner erklärt: „Wenn man einen seriösen Notdienst anbieten will, müssen in diesem mehrere Personen bereit stehen, denn viele Behandlungen sind nur mit mehreren Angestellten durchführbar.“ Er betont auch: „Unsere Angestellten müssen von ihrem Gehalt leben können. Sie sind hoch qualifiziert und man muss sie halten, wenn wir hier in Haslach weiterhin Tierärzte haben will.“
Auch Tierschützer bemerken die gestiegenen Kosten
Animal SOS in Hofstetten verweist auf ihre Sonderposition als „winzig kleine Tierschutzorganisation“ mit zwei Ehrenamtlichen, die die Tiere bei sich privat in der Wohnung, im Garten und Haus aufnehme, versorge und vermittele. „Daher können wir nur schwer mitreden und sind sicherlich kein Maßstab. Wir nehmen einfach immer nur so viele Tiere auf, wie wir richtig versorgen können“, erklärt Isabell Obert. Hätten sie keinen Platz mehr, würden sie an andere Tierschutzorganisationen verweisen. Trotz allem sei merkbar, dass die Tierarztkosten deutlich teurer geworden seien. „Das merken wir auch. Wir sind in der ,glücklichen’ Lage, dass wir nur annehmen, was wir finanziell bewerkstelligen können und wir leben ausschließlich von Spenden“, so Obert. Sie sagt aber auch, dass sowohl sie als auch ihre Mitstreiterin Annette Lauble als tiermedizinische Fachangestellte die Erhöhung für gerechtfertigt und längst überfällig halten; viele ihrer Kollegen hätten lange Zeit vom Mindestlohn leben müssen. „Allerdings hätte die Erhöhung schon vor vielen Jahren stattfinden sollen und nicht zu einem Zeitpunkt der Inflation“, findet Obert.
Auch der Tierschutzverein Kinzigtal berichtet, dass die Ausgaben für den Tierarzt insgesamt gestiegen sind. Allerdings: „Es hängt natürlich auch mit der Anzahl an Tieren und deren Gesundheitszustand zusammen und variiert auch deswegen und nicht nur wegen der Erhöhung“, erklärt Vorsitzende Brunhilde Zapf. Schwierigkeiten bereite dem Verein das nur indirekt, „das Geld fehlt natürlich an anderer Stelle“, so Zapf.
Landwirte zwischen Tierwohl und Wettbewerbsfähigkeit
Ulrich Müller, Vorsitzender der BLHV, fasst zusammen: „Jede Anpassung der GOT führt zu einer direkten Erhöhung der Kosten für Landwirte, wenn tierärztliche Leistungen in Anspruch genommen werden.“ Das habe oft Einfluss auf die Tiergesundheit. „Höhere Kosten für tierärztliche Leistungen können Landwirte dazu veranlassen, präventive Maßnahmen, wie regelmäßige Impfungen oder Gesundheitschecks, auf ein Minimum zu reduzieren“, meint Müller. „ Bei akuten Erkrankungen kann die Sorge um die Kosten dazu führen, dass Landwirte mit der Behandlung von Tieren zögern oder diese ganz unterlassen.“ Ein Grund dafür sei, dass die steigenden Tierarztkosten die Betriebswirtschaft von Landwirten belasteten. Insgesamt führe das zu einen Konflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und Tierwohl: Müllers Fazit: „Die steigenden Tierarztkosten stellen Landwirte vor große Herausforderungen und können sich negativ auf die Tiergesundheit, das Tierwohl und die Wettbewerbsfähigkeit auswirken.“ Es sei daher wichtig, die Auswirkungen der GOT auf die Landwirtschaft kontinuierlich zu beobachten und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen. „Eines ist den Landwirten aber sehr bewusst: Zum Glück haben wir noch ein einigermaßen gute Versorgung durch unsere Tierärzte. Es wäre für uns eine Katastrophe, wenn die tierärztliche Versorgung noch mehr zurückginge.“
Kostenbeispiele
Brunhilde Zapf als Vorsitzende des Tierschutzvereins Kinzigtal kann bezüglich der Kostensteigerungen ein paar Zahlenbeispiele nennen. So kostete im Jahr 2019 hat eine Euthanasie netto 40 Euro, 2024 waren es 67 Euro. Die Kastration eines Katers inklusive Narkose und Injektion 2019 schlug netto mit 50 Euro zu Buche und 2024 mit 65 Euro. Eine Kätzin konnte 2020 für 80 Euro kastriert werden, 2024 musste man dafür 91 Euro zahlen.