Richter Hartmut Schnelle (Mitte) bei der Eröffnung der Hauptverhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht. Rechts Richter Tobias Handschell, links Richterin Friederike Monz Foto: dpa

Am zweiten Verhandlungstag im Prozess gegen die früheren LBBW-Vorstände rückt der Richter die Zweckgesellschaften der Landesbank in die Nähe von „kriminellen Machenschaften“. Das bringt selbst den souverän auftretenden Siegfried Jaschinski aus dem Tritt.

Stuttgart - Die Befragung des angeklagten früheren LBBW-Chefs Siegfried Jaschinski fängt am Donnerstag ganz harmlos an. Es geht im Kern um die Frage, warum die LBBW die Zweckgesellschaften, in denen sie in den Jahren 2005 und 2006 Risiken in Milliardenhöhe ausgelagerte, nicht in ihre Bilanz aufgenommen hat. Wo es doch, wie die früheren LBBW-Vorstände unisono betonen, nichts zu verbergen gab.

 

Die Antwort, dass dies seinerzeit internationalen Gepflogenheiten entsprach, genügt dem Vorsitzenden Richter der 14. Wirtschaftsstrafkammer am Stuttgarter Landgericht nicht. „Ich will damit nicht hinter dem Berg halten“, sagt Hartmut Schnelle. „Wir haben mit solchen Konstrukten nicht selten zu tun.“ Er zählt auf: Eine Rechtsanwaltskanzlei gründet über einen Anteilseigner eine Briefkastenfirma in einem Steuerparadies wie dem US-Staat Delaware, oder in Dublin, auf den Cayman Inseln oder auf Jersey. Die Gesellschaft stellt Direktoren vor Ort ein. Diese Art von Zweckgesellschaften, betont Schnelle, würde genutzt „für kriminelle Machenschaften. Dort werden Bestechungsgelder verwaltet und betrügerische Kapitalanlagen gehalten.“

Die darauffolgende Erklärung von Jaschinski, der sich bemüht, die Entstehung dieser Auslandsanleihemärkte in Deutschland zu erläutern, stellt Schnelle offenkundig nicht zufrieden. „Um es mal auf den Punkt zu bringen“, setzt der Richter an, „warum kann eine Landesbank, die einen öffentlichen Zweck zu erfüllen hat, um ihre Geschäfte zu betreiben nicht eine anständige Gesellschaft gründen?“

Die Wortwahl des Richters bringt die Verteidiger in Stellung, die sich dagegen verwehren, eine „Debatte über unanständige Gesellschaften“ zu führen. Jaschinksi erklärt, die Gründung von Zweckgesellschaften sei damals der einzige Weg gewesen, um mittelständischen Unternehmen in schwieriger Zeit außerhalb des Bankgeschäfts einen Kredit zu besorgen. Wären die Zweckgesellschaften in die Konzernbilanz eingegliedert worden, hätten die Unternehmen ihre Kredite nicht in der gewünschten Höhe erhalten. Auch, weil die Bank für diese Kredite Eigenkapital hätte bereitstellen müssen.

Der Richter bohrt weiter. Er will die Frage klären, ob nicht doch ein Treuhandverhältnis zwischen der LBBW und den Zweckgesellschaften bestand und diese somit in der Bilanz hätten auftauchen müssen. Schnelle insistiert: „Wo ist der schriftliche Auftrag der Bank an die Kanzlei für die Errichtung von Zweckgesellschaften?“ Von der LBBW habe das Gericht die Auskunft bekommen, dass der Vertrag nicht gefunden werden konnte. Angesichts des Finanzierungsvolumens in Milliardenhöhe, das über diese Zweckgesellschaften abgewickelt wurde, mag der Richter das nicht glauben. Schnelle will wissen, wie die Direktoren der Zweckgesellschaften hießen, die auf Empfehlung der LBBW die ABS-Papiere, also die durch Vermögensgegenstände abgesicherten Wertpapiere kauften. „Welche Ausbildung haben sie, was ist ihr beruflicher Hintergrund, was bekommen die Direktoren für ihre Arbeit?“, legt er nach. Jaschinski irritieren diese Fragen sichtlich. Antworten, die den Richter zufriedenstellen, hat er nicht parat.

Vor der Befragung des früheren LBBW-Chefs hat sein früherer Kollege Bernhard Walter zu den Risiken in den Zweckgesellschaften ausgesagt. Der frühere Kredit-Vorstand betont, dass die LBBW zwar strategisch auf die Finanzierungsgeschäfte über Zweckgesellschaften setzte, aber nur „in sehr moderatem Umfang“. Fast acht Milliarden Volumen sei eine „gewaltige Zahl“, so Walter, es entsprach aber nur 1,5 Prozent der Bilanzsumme der Bank. Bei der IKB und der Sachsen LB war das seinerzeit anders. Dort machten diese Wertpapiere 47 bzw. 45 Prozent der Bilanzsumme aus, so Walter. In den Jahren 2005 und 2006 sei das Ausfallrisiko der Papiere bei der LBBW gering gewesen, „jedes Portfolio von Mittelstandskrediten ist deutlich risikoreicher“. Erste Wertberichtigungen aus diesen Papieren habe die LBBW Ende 2007 gebildet – damals war die Finanzmarktkrise bereits in Gang. Auslöser waren sogenannte Subprime-Kredite, also schlechteste Kredite, die in einem Wertpapier gebündelt wurden. In solche Papiere hatte die LBBW weder direkt noch über die Zweckgesellschaften investiert, betont Walter.