Flüchtlinge in Arbeit bringen: Klaus Meusel (links) und Jürgen Stach wollen beide das Gleiche, plädieren aber für unterschiedliche Wege. Foto: Birgit Heinig

„Wir brauchen die Zuwanderung“. Der Jobclub VS warnt vor einer „Erschütterung“ der Sozialsysteme und des Wirtschaftsstandorts Deutschland ohne die Integration von Flüchtlingen. Jürgen Stach sieht das anders.

Zur Informationsveranstaltung mit dem Titel „Demographische Krise und Flüchtlings-Integration“ waren rund 130 Menschen ins Theater am Ring gekommen.

 

Klaus Meusel, Vorstandsmitglied der Asyl-Unterstützungsgruppe, führte ins Thema ein sprach von Deutschland als der nach Japan zweitälteste Bevölkerung der Welt, von den „Babyboomern“, die in den nächsten zehn Jahren massenweise in Rente gehen, vom Fachkräftemangel und gleichzeitig vollen Flüchtlingsunterkünften.

Meusel formulierte die nach den jüngsten Messerangriffen und dem Wahlausgang in Sachsen und Thüringen zurzeit heiß diskutierte Frage, wie viele Migranten Deutschland tragen könne, um: „Wie viele braucht Deutschland?“ Im Rahmen der „konzertierten Arbeits- und Ausbildungsplatzvermittlungs-Initiative“ (KAVI) interviewen Ehrenamtlichen des Jobclubs in Kooperation mit HFU-Studierenden in den 13 Flüchtlingsunterkünften des Kreises momentan Menschen, um berufliche Talente und damit Potenzial zu entdecken und sie mit Hilfe von Paten und Patinnen in Arbeit und Ausbildung zu bringen.

Positiv überrascht

„Und ich kann jetzt schon sagen: Wir sind positiv überrascht“, so Meusel und warb an diesem Abend für KAVI um Patinnen und Paten, die die Flüchtlinge bei der Arbeitssuche begleiten.

Der demographische Wandel führe zu einer schon lange absehbaren „massiven Krise“, fuhr Meusel fort. In Deutschland seien bereits 1,6 Millionen offene Stellen zu beklagen. Weder die Erhöhung des Renteneintrittsalters noch der Arbeitszeit seien politisch durchsetzbar. Nur durch Zuwanderung und eine positive Integration auf Visum- oder Asylbasis könne man erwerbsfähige junge Menschen gewinnen. „Dazu brauchen wir eine Willkommenskultur und die innere Überzeugung, dass Flüchtlinge weder ein Risiko darstellen, noch Konkurrenz, sondern Chance und Notwendigkeit sind“.

Dramatische Bilder

Vereinsmitglied Bernd Stern demonstrierte an einer in einem interaktiven IT-Tool des Statistischen Bundesamtes zu findenden Bevölkerungspyramide, wohin die Reise führen könnte und erzeugte dramatische Bilder. Versorgten 1953 noch 5,4 Arbeitnehmer einen Rentner, so sind es aktuell noch 2,4 und auf 2060 hochgerechnet noch 1,5.

Er sei eingeladen worden, um den demographischen Wandel im Schwarzwald-Baar-Kreis darzustellen, bezweifle aber, ob er auf der richtigen Veranstaltung sei. „Kein Mensch weiß, was 2060 ist“, begann der Kreis-Sozialreferent Jürgen Stach seinen Vortrag und wandte sich entschieden gegen die „unseriösen und parteipolitischen“ Schlussfolgerungen seiner Vorredner.

Integration allein hilft nicht

Auch er sei der Ansicht, dass es notwendig sei, Flüchtlinge in Arbeitsverhältnisse zu bringen, „da bin ich mit dem Jobclub einig“, doch alleine die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt könne das komplexe Problem der sich verändernden Bevölkerungszusammensetzung nicht lösen und sei keine ausreichende Grundlage für Neuregelungen in der Flüchtlingspolitik, sagte Stach.

Arbeitsplätze fehlen

Die Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen, dass die Erwirtschaftung der staatlichen Sozialausgaben steigen und das nicht nur wegen der Renten, sondern auch wegen wachsender Ausgaben für Jugendhilfe, Erziehung und Bildung. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sei zudem die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent gestiegen. Die Arbeitskräftenachfrage gehe aufgrund der Krise im Maschinenbau und der Autozulieferer zurück, der Einstiegsbereich für Ungelernte breche gar weg, niederschwellige Angebote im Helferbereich, prädestiniert für Flüchtlinge, die noch kein Deutsch können, fehlen zunehmend.

„Dadurch werden mehr Menschen auf Transferleistungen aus staatlichen Töpfen angewiesen sein“, so Stach, wehrte sich aber gegen den Ausdruck „demographische Krise“. „Eine Krise haben wir erst, wenn wir nicht mehr reagieren können“.

Dass die Bundesregierung reagiere, das beteuerte die SPD-Bundestagsabgeordnete Derya Türk-Nachbaur, aber: „das dauert. Es gibt nicht den Königsweg und Flüchtlinge alleine werden den demographischen Wandel nicht stoppen“.