Mit seinen Äußerungen zur Migrationspolitik polarisiert Friedrich Merz – auch in Lahr läuft die Debatte.
Viel wurde in den vergangenen Tagen über die Aussagen von Friedrich Merz rund um ein „Problem im Stadtbild“ diskutiert. Unserer Redaktion hat sich dazu in Lahr umgehört.
Das ist passiert: Hintergrund war eine Aussage des Kanzlers in Potsdam, laut der man im Umgang mit der AfD schon sehr weit gekommen sei. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen.“
Auf die Frage, was er mit dem „Problem“ gemeint habe, sagte er auf einer Pressekonferenz: „Fragen Sie mal ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“ Kritiker warfen Merz Rassismus vor, es gab mehrere Demonstrationen. Später präzisierte Merz seine Aussagen und erklärte, dass es ihm um jene gehe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich nicht an Regeln halten würden. Viele hätten Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen.
Ilona Rompel (CDU-Fraktionsvorsitzende im Lahrer Gemeinderat): Laut Rompel habe Merz mit Blick auf die Migrationspolitik erklärt, dass man frühere Versäumnisse korrigiere und Fortschritte mache – und immer noch ein Problem im Stadtbild zu habe. „Alles andere ist Interpretationssache“, so Rompel. Danach sei das Ganze skandalisiert worden. Dabei habe er seine Aussagen ja später präzisiert. Mit Blick auf eine Umfrage des ZDF habe der Kanzler einen Nerv getroffen – hier stimmten 63 Prozent Merz’ Aussagen zu.
Rompel verweist auf einen Brief von mehr aus 50 Frauen aus der Öffentlichkeit, in dem diese Merz für seine Aussagen kritisieren und einen Forderungskatalog zur Sicherheit von Frauen aufstellten, in dem es etwa um die Aufnahme von Femiziden ins Strafgesetzbuch und eine Reform des Abtreibungsgesetz geht. „Die Forderungen haben mit den Äußerungen nichts zu tun“, kritisiert Rompel. Es gebe ganz andere Probleme als die nun laufenden Diskussionen. Dazu gehörten die Reform der Wehrpflicht, die Wirtschaftslage und die finanzielle Situation der Kommunen.
Anwohner in der Innenstadt: Eine Lahrerin hat sich in einer Mail an unsere Redaktion gewandt. In der City merke man, dass sich das Stadtbild sehr zum Nachteil verändere. Sie beschwert sich über „ausländische Männergruppen, vorwiegend Jugendliche“, die die Stadtmitte aufmischen würden, andere ließen sich von deren Verhalten anstecken. Zudem beschwert sie sich über den vielen Müll, der überall fallen gelassen werde.
Roland Hirsch (SPD-Fraktionsvorsitzender): Hirsch hält die „Stadtbild“-Aussage für „etwas zu pauschal“. Er erwarte von der Regierung, geräuschloser zu arbeiten. Aus der Ampel sollte man gelernt haben, Differenzen nicht öffentlich auszutragen. In Lahr lebten 110 Nationen, damit habe man sich arrangiert und sei stolz darauf. Bislang laufe auch die Arbeit mit Institutionen wie dem Interkulturellen Beirat recht gut.
Was Hirsch im Lahrer Stadtbild aber stört, sind die E-Scooter, die teils von zwei Jugendlichen auf einmal in hohem Tempo gefahren werden. Das betreffe aber nicht nur Migranten, ebenso wenig wie teils wahrnehmbarer Schmutz und Unrat, die immer häufiger auf der Straße landeten .
Bürgermeister Guido Schöneboom: „Wir erleben seit Jahren einen starken Zuzug, dementsprechend verändert sich unser Stadtbild. Wir haben schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, dass unsere Werkzeuge für eine erfolgreiche Integration begrenzt sind“, erklärt der Erste Beigeordnete, betont aber auch, dass es sehr schwer sei, eine „Großstadtdebatte“ auf eine 50 000-Einwohner-Stadt zu übertragen. Deshalb wolle er sich daran nicht vertieft beteiligen.
Freundeskreis Flüchtlinge: „Es ist sehr beschämend, dass eine solche Aussage vom Bundeskanzler kommt“, sagt Dagmar Ehret vom Sprecherteam des Freundeskreis Flüchtlinge zu Merz’ Potsdamer Äußerung . Sie habe mit Migranten gesprochen, die die Aussagen „ganz schlimm“ finden. Sie kenne zudem keine jungen Mädchen, die nachts auf der Straße Angst haben.
Natürlich habe man in Lahr ein anderes Stadtbild als vor 30 Jahren. Ehret störe das nicht. „Ich kenne viele Migranten und ihre Familien und habe deren Freundlichkeit und Gastfreundschaft kennengelernt.“ Auch als in den 1990er-Jahren die russischen Spätaussiedler nach Lahr kamen, habe sich das Stadtbild verändert – bereits damals sei Angst geschürt worden.
Gerade im sozialen und medizinischen Bereich brauche es Migranten. „Wir müssen damit leben, dass es eben auch andere Kulturen gibt“, betont sie. Es sei auch in Ordnung, wenn man bestimmte Bräuche oder die Sprache im neuen Land erhalte – solange man Werte wie das Demokratieverständnis teile.
Die ZDF-Umfrage
Die Umfrage bezieht sich auf Merz’ präzisierte Aussagen zu Problemen mit jenen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich nicht an Regeln halten. 63 Prozent erklärten, Merz habe Recht – Zustimmung kam von deutlich mehr älteren als jüngeren Teilnehmern. Für 29 Prozent liegt Merz falsch. 33 Prozent fühlen sich an öffentlichen Orten unsicher, 66 Prozent sicher. Zwischen Männern und Frauen gibt es kaum Unterschiede. Mit Flüchtlingen in der eigenen Wohngegend gibt es laut 18 Prozent Probleme. Allerdings gab es Kritik an der Umfrage, nach der Ergebnisse verkürzt und irreführend dargestellt worden seien.