Das Gewerbegebiet Orschweier zwischen A utobahn und Rheintalbahn dominiert heute das Ortsbild. Foto: Stadt Mahlberg

Vor 50 Jahren war in Orschweier von Industrie noch kaum etwas zu sehen, heute dominiert das Gewerbe das Ortsbild. Die Eingemeindung nach Mahlberg machte das möglich. Doch auch das Dorf selbst hat sich seitdem weiterentwickelt.

Orschweier - "Orschweier war damals begehrt", berichtet Ortsvorsteher Bernd Dosch. Sowohl die Stadt Ettenheim als auch die Stadt Mahlberg buhlten um den Ortsteil in strategisch günstiger Lage an Autobahn und Rheintalbahn. Für die Orschweierer war das keine leichte Situation. "Man war sich in der Bevölkerung nicht sicher, was der richtige Weg ist", sagt Dosch. "Dass ein Zusammenschluss notwendig ist, war klar". Letztlich wurde es Mahlberg – für Dosch die richtige Entscheidung. "Ich kann nur Positives berichten", sagt er.

Der Ortsvorsteher hat die Eingemeindung damals im Kindesalter nur unbewusst mitbekommen, hat sich inzwischen aber in diverse Protokolle und Zeitungsberichte aus der Zeit eingelesen. Auch um sich auf die Eingemeindungsfeier im Oktober vorzubereiten, erzählt er. Wie emotional das Thema teilweise war, macht Dosch an einem Beispiel deutlich: Fünf Orschweierer Gemeinderäte hätten damals Flugblätter verteilt mit, wie sich im Nachhinein herausstellte, falschen Zahlen über die Eingemeindung. Diese wurden später von Bürgermeister Rudolf Loosmann im Mitteilungsblatt korrigiert.

Nur die Vorwahl verbindet Orschweier noch mit Ettenheim

Bei einer Bürgeranhörung am 14. November 1971 stimmten 250 Orschweierer für einen Zusammenschluss mit Mahlberg und 82 dagegen, präsentiert Dosch aus den damaligen Protokollen. Der Gemeinderat entschied schließlich am 3. Februar 1972 mit knapper Mehrheit von fünf zu vier für die Eingemeindung nach Mahlberg, acht Tage später wurde der Vertrag unterzeichnet. Die Ettenheimer gingen damit leer aus. Nur die Vorwahl verbindet Orschweier noch mit Ettenheim.

Als der Zusammenschluss feststand, schrieb Loosmann im Mitteilungsblatt: "Beide Bürgermeister betonen, dass dieses Ergebnis zwar keine Veranlassung zur Freude sei, sondern vielmehr einem Gebot der Stunde, um in den Genuss der finanziellen Vergünstigungen zu kommen". "Es war also kein Zusammenschluss aus Liebe", so Dosch schmunzelnd.

Der Ortsvorsteher ist sich sicher, dass sich Orschweier als sechster Teilort Ettenheims nicht so hätte entwickeln können, wie sich das Dorf entwickelt hat. Im Eingemeindungsvertrag, den Dosch im Gespräch mit unserer Redaktion zeigt, wurden viele wichtige Punkte festgehalten. Darunter die Wasser- und Abwasserversorgung, der Bau der Mehrzweckhalle und der Ausbau Orschweiers zum Industriestandort. Der damalige Mahlberger Bürgermeister Ulrich Hehr "war ein richtiger Stratege", urteilt Dosch. Firmen wie Ehret, Blasi, Metalltex oder allen voran Aldi sorgten auch heute noch für "gute Steuereinnahmen". Auch wegen dieser Gewinne sei die Stadt Mahlberg heute schuldenfrei, nachdem Ulrich Hehr die Stadt 1994 an seinen Nachfolger Dietmar Benz mit einigen Schulden übergeben hatte. "Es ist eine Erfolgsgeschichte", sagt Dosch.

Maßnahmen wurden schnell umgesetzt

Auch Hehr selbst erinnert sich noch gut an die Zeit nach der Eingemeindung. "In Orschweier ist relativ schnell alles umgesetzt worden", sagt er. Dazu gehörte die Wasserversorgung und die Kanalisation. Das Ziel war es, in Orschweier um den Bahnhof eine gewerbliche Struktur zu entwickeln. "Der Standort war durch den Gleisanschluss interessant für Firmen", sagt Hehr. Auch der Autobahnanschluss liegt auf Orschweierer Gemarkung. "Es gab dann einen gewissen Schub", erzählt der Altbürgermeister. Relativ schnell habe man das Gewerbegebiet "voll gemacht" mit dem Aldi-Zentrallager als Krönung. Auch das Postzentrum, das sich dann später in Lahr angesiedelt hat, hätte Hehr gerne nach Orschweier geholt.

Heute allerdings sieht Dosch in seinem Dorf weit mehr als nur einen Gewerbestandort. "Dass wir auch Arbeitsplätze haben, kommt eigentlich an zweiter Stelle", sagt er. Orschweier sei "ein kleines Dorf, in dem man schnell Kontakt mit den Einheimischen bekommt." Das Vereinsleben sei prägend – etwas mehr als in Mahlberg – und auf Festen oder Hocks könne man schnell Kontakte knüpfen. Der Ort habe sich, so Dosch weiter, nicht nur in Sachen Gewerbe weiterentwickelt. Auch Wohngebiete und Innenverdichtung wurden durch die Eingemeindung möglich. Heute zählt Orschweier rund 1700 Einwohner. Zu Zeiten der Eingemeindung seien es noch 850 gewesen.

Vereine waren schon immer gut durchmischt

Dosch selbst ist in Orschweier geboren und in Mahlberg in die Schule gegangen. Kleinere Rivalitäten zwischen den Orten habe er erst mitbekommen, als er Ortsvorsteher war. "Aber auch das waren nur Stammtischsprüche", sagt Dosch. Orschweierer und Mahlberger hätten sich schon immer in den Vereinen durchmischt. "Für uns ist das normal", sagt der Ortsvorsteher. Vor allem in der Narrenzunft Hornig waren stets viele Mahlberger, die bis 1990 keine eigene Zunft hatten.

Auf die Frage, ob er nun Orschweierer oder Mahlberger ist, antwortet Dosch, dass das immer darauf ankomme, in welcher Situation er gefragt werde. Er schwanke selbst hin und her und so gehe es sicher auch vielen anderen Orschweierern. Eine Ortsidentität gebe es weiterhin, sichtbar zum Beispiel im Fußballverein SC Orschweier, aber "Hardliner", die darauf bestehen, dass sie Orschweierer und nicht Mahlberger sind, gebe es nicht.

Nur Sportplatz nicht umgesetzt

Ein geplantes gemeinsames Projekt von Orschweier und Mahlberg sei ein Sportgelände in der Mitte gewesen, berichtet Dosch. Dies sei jedoch nie umgesetzt worden, da die Vereine für sich selbst sehr gut funktionierten. Die meisten anderen Projekte der Eingemeindung seien umgesetzt worden.