Suchtkranke Patienten haben im Lengenbachtal in nur vier Tagen eine alte Brücke abgerissen und eine gebaut. Foto: Freizeit und Tourismus Bad Liebenzell GmbH

Jeder Mensch braucht eine neue Chance: Das gilt besonders für Suchtkranke, die sich etwas zu schulden kommen ließen. Einige von ihnen machten sich jetzt im Lengenbachtal in Bad Liebenzell nützlich.

Bad Liebenzell - Vier Patienten der forensischen Abteilung des Zentrums für Psychiatrie Calw/Klinikum Nordschwarzwald haben am Glasbrunnen bei Bad Liebenzell oberhalb des Maisenbacher Wassermuseums eine neue Brücke gebaut. Nach gerade einmal vier Tagen Bauzeit, inklusive Abbau der kaputten, alten Brücke, erstrahlt der Übergang im Lengenbachtal wieder in neuem Glanz, teilt die Freizeit und Tourismus Bad Liebenzell GmbH mit.

Überweg gesperrt

"Die alte Brücke war in einem maroden Zustand, sodass wir sie zuletzt leider komplett sperren mussten", ist von Förster Alex Volkert, zuständig für das Forstrevier Schömberg, zu erfahren. Im Vergleich zum beliebten Monbachtal in Bad Liebenzell ist das Lengenbachtal nicht ganz so stark frequentiert. "Als wir die Brücke dann sperren mussten, kamen auf einmal die Nachfragen und teils auch Beschwerden", erzählt Volkert weiter. Somit musste eine schnelle und auch nachhaltige Lösung her, ist die Brücke doch ein wichtiges Bindeglied bei Wanderungen zwischen Schömberg und Bad Liebenzell.

Sinnvolle Arbeit

Nach Rücksprache mit einem Kollegen nahm er Kontakt mit dem Zentrum für Psychiatrie Calw/Klinikum Nordschwarzwald auf. Schnell stand fest, das gemeinsam das Projekt in Angriff genommen werden soll. "Für unsere Patienten sind solche Projekte sehr wertvoll. Eine sinnvolle und vor allem bleibende Arbeit, die einen auch mal an die eigene Leistungsgrenze bringen kann. Außerdem war die Tätigkeit im Wald sehr beruhigend, und trotz der harten Arbeit war die Motivation groß, die Brücke fertigzustellen", erzählt Klemens Keppler, Betreuer des Projektes und Ansprechpartner beim Zentrum für Psychiatrie/Klinikum Nordschwarzwald.

Heimisches Eichenholz

Gefertigt wurde die Brücke aus heimischem Eichenholz, das von einem Sägewerk in Igelsloch geliefert wurde. Nicht einfach in der Bearbeitung, wie sich herausstellte, dafür sehr langlebig. Die Kosten für das Material trug die Stadt Bad Liebenzell, die "Manpower" kam von den Patienten des Projekt-Teams. Stolz ist Keppler, dass sie trotz der nicht ganz so einfachen Begebenheiten den Bau der Brücke so erfolgreich gemeistert haben.

Forst fehlt Kapazität

Ebenfalls vor Ort bei der Übergabe ließ es sich der medizinische Direktor der forensischen Klinik, Matthias Wagner, nicht nehmen, das Werk seiner Patienten zu begutachten: "Wir sind froh, dass wir hier im Nordschwarzwald des Öfteren solche tollen Projekte in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Calw durchführen können." Solche Projekte könne man absolut als Win-Win-Situation bezeichnen, da der Forst oftmals nicht die Arbeitskräfte und Zeit habe, um alles umzusetzen. Eine sinnvolle Beschäftigung, habe sie doch auch etwas mit Wiedergutmachung und Arbeit in der Gesellschaft zu tun. "Das ist etwas, was wir gerne umsetzen, hilft es doch unseren Patienten auch, wieder einen Schritt in Richtung Leben in der Gesellschaft zu machen", so Wagner weiter.

Beteiligt an diesem Projekt waren vier Patienten, die sich aktuell in der forensischen Abteilung des Zentrums für Psychiatrie Calw/Klinikum Nordschwarzwald befinden. Eine Abteilung für suchtkranke Patienten, die ein Kriminaldelikt begangen haben. Für sie ist es ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft und Normalität.

Eindrucksvoll erzählt einer der Patienten seine Geschichte, wie er bereits mit zwölf Jahren das erste Mal mit Cannabis in Berührung kam. Härtere Drogen folgten und es blieb nicht nur beim Konsum. Schnell fand er sich in einem verheerenden Teufelskreis wieder von Drogen, Schulden und Perspektivlosigkeit. Auch einige Ortswechsel und vermeintliche Neuanfänge brachten keine Besserung. Letztendlich gipfelte seine Situation beim Eintreiben von Geldschulden in einem schweren Raub mit gefährlicher Körperverletzung. Dankbar ist er, dass er trotz aller widriger Umstände eine abgeschlossene Ausbildung hat und Projekte wie diese, helfen ihm sehr, seinen neuen Weg abseits der Drogenwelt zu finden.

Als Dankeschön gab es im Anschluss der Übergabe einen kleinen Imbiss und Getränke, gesponsert von der Stadt Bad Liebenzell.

Abschließend waren sich alle einig, dass es ein tolles gemeinsames Projekt war - und sicherlich nicht das letzte dieser Art.

Info

Forensische Abteilung des Zentrums für Psychiatrie Calw

(wk). Laut Homepage des Zentrums für Psychiatrie Calw/Klinikum Nordschwarzwald hat die dortige Forensische Psychiatrie die Aufgabe, psychisch kranke Rechtsbrecher zu bessern und zu sichern. Die forensische Klinik ist zuständig für Patienten, die aufgrund einer Suchterkrankung eine Straftat begingen. Sie müssen zur Vorbeugung krankheitsbedingter Rückfälle unter gesicherten Bedingungen behandelt werden. Sie sollen die Chance zur sozialen Reintegration erhalten, um wieder ein Leben in der Gesellschaft führen zu können. Die Patienten haben einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung. Der Schutz der Bevölkerung und des Personals vor einer erneuten Straffälligkeit hat höchste Priorität.