Überraschendes Urteil im Fall eines Impfpass-Fälschers: Das Amtsgericht Ettenheim hat einen Ruster, der in einer Apotheke fingierte Impfnachweise vorgelegt hatte, freigesprochen. Dies war zur Tatzeit jedoch nicht strafbar, entschied das Gericht.
Ettenheim/Rust - Impfnachweise gefälscht, in der Apotheke aufgeflogen und dennoch nicht bestraft – der Fall eines 38-jährigen Rusters, der am Mittwoch am Ettenheimer Amtsgericht verhandelt wurde, klingt kurios, ist jedoch kein Einzelfall. Mit seinem Urteil schloss sich Richter Wolfgang Wegmann dem einiger Landgerichte in Deutschland an, die zuvor ebenfalls entschieden hatten, dass die Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke nicht strafbar sei.
Der Familienvater aus Rust erschien nicht persönlich zur Verhandlung, sondern ließ sich von seinem Verteidiger Ulrich Schweier vertreten. Dieser erklärte im Namen seines Mandanten, keine Aussagen zur Tat machen zu wollen. Wie der Staatsanwalt erläuterte, sei der 38-jährige im Oktober in die Schlossapotheke in Rust gegangen, um für seine Kinder die QR-Codes für den digitalen Corona-Impfnachweis abzuholen. Dabei habe er Impfbücher mit Nachweisen von Erst- und Zweitimpfungen aus dem Klinikum Stuttgart vorgelegt, die einem Mitarbeiter der Apotheke jedoch verdächtig vorkamen. Dieser habe daraufhin die Polizei kontaktiert.
Gefälschte Impfbücher für 200 Euro
Der zuständige Ruster Polizeikommissar bestätigte als geladener Zeuge diesen Ablauf. Bei der Polizei sei bekannt, dass gefälschte Impfbücher oft aus dem Klinikum Stuttgart kommen – mit der Unterschrift eines Arztes, den es gar nicht gibt. "Solche Impfbücher gibt es für 200 bis 250 Euro", erläuterte der Kommissar. Zum Zeitpunkt der vorgetäuschten Pikse hätten dort zudem keine Impfungen mehr stattgefunden, auch die Chargennummer habe er als falsch erkannt. Zudem gab es im Sozialministerium keine Angaben für die angeblichen Impfungen der Kinder, so der Zeuge.
Mit diesen Informationen habe er schließlich den Angeklagten konfrontiert. "Er hat mir gesagt, er hätte einen ›schweren Impfverlauf‹ gehabt. Das wolle er seinen Kindern nicht antun", schilderte der Kommissar dessen Reaktion. Daraufhin hätte dieser, wohl weil er erkannte, dass er sich verraten hat, nichts mehr sagen wollen.
Nach Abschluss der Beweisaufnahme erläuterte Richter Wegmann die Gesetzeslage. Demnach falle das Fälschen eines Gesundheitszeugnis, also auch eines Impfnachweises, unter Urkundenfälschung. Diese ist – oder besser gesagt war zum Zeitpunkt der Tat – jedoch nur dann strafbar, wenn man den Nachweis einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorlegt. Eine Apotheke falle nicht darunter. Dies sei bereits seit 1871 im Gesetz verankert und sei seitdem auch regelmäßig so behandelt worden. Erst die Corona-Pandemie hätte diese Lücke aufgedeckt.
Regierung hat Gesetz geändert
Die Regierung hat im November 2021 reagiert und das Gesetz entsprechend geändert. Seit dem 23. November gilt es auch dann als Straftat, wenn man seinen gefälschten Impfnachweis in einer Apotheke vorlegt. Dieses Gesetz kommt jedoch "zu spät", um den 38-jährigen Ruster bestrafen zu können.
Die Staatsanwaltschaft plädierte dennoch auf eine Geldstrafe für den Impfpass-Fälscher. Nicht alle Gerichte hätten diesen Sonderfall so gehandhabt, sagte der Staatsanwalt und berief sich auf das Landgericht Konstanz. Zudem habe der Angeklagte mit der Investition von mehreren Hundert Euro "kriminelle Energie" gezeigt. Nicht zuletzt würde die Volksgesundheit gefährdet.
Richter Wegmann ließ sich von dem Plädoyer jedoch nicht beeindrucken und entschied auf Freispruch – analog etwa zum Landgericht Karlsruhe oder Landgericht Stuttgart. "Recht ist Recht und kann nicht gedreht werden", so Wegmann. Der Gesetzgeber sei nun seiner Aufgabe nachgekommen, diese Lücke zu schließen.
Digitale Unterstützung
Zum ersten Mal wurde am Ettenheimer Landgericht am Mittwoch ein digitaler Bildschirm eingesetzt, um allen Beteiligten sowie den Zuhörern die Paragrafen, um die es geht, optisch zu präsentieren. Richter Wegmann nutzte dies, um Änderungen in der Geschichte der Gesetzgebung zur Urkundenfälschung vorzustellen.