Nur etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod ihres Lieblingsmenschen Prinz Philip ist nun auch Queen Elizabeth II. gestorben. Foto: Hanson

Nach dem Tod von Königin Elizabeth II. ist nicht nur Trauer angebracht, meint die Kolumnistin: Das außergewöhnliche Leben der Queen hat viele Aspekte, die es zu feiern gilt.

London - "Die Welt lebt von Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht." Auf niemanden dürfte der Satz des Schauspielers Ewald Balser so sehr zutreffen wie auf das 96 Jahre dauernde Leben von Königin Elizabeth II.. Mehr als eine Ära – eine Epoche der Weltgeschichte ist am Donnerstag auf Schloss Balmoral zu Ende gegangen. Dass die Queen an ihrem Lieblingsort sterben durfte – wie wunderbar. Denn von ihrem Leben hat sie – reich, privilegiert – nicht so viel gehabt, wie man meinen möchte. Ihr Leben lang im Rampenlicht, die meistfotografierte Frau der Weltgeschichte. Da bleibt kein Fehltritt unbemerkt, ist keine Schwäche drin. Wer hätte mit ihr tauschen wollen?

Die Nationenfamilie war ihr ein Herzensanliegen

An ihrem 21. Geburtstag hat sie – geliebte und einst unbeschwerte Tochter des nachgerückten, stotternden Königs George VI. – ihr ganzes Leben in den Dienst des Empire gestellt. Mehr als ein Königreich lag ihr zu Füßen, als sie mit 25 Jahren Königin wurde. Das Commonwealth – zu deutsch: Gemeinwohl – war ihr lebenslang Herzensangelegenheit: der Zusammenschluss von Menschen von Neuseeland bis Kanada in 56 Staaten der Welt. Es ist einer der Gründe dafür, dass sie für mehr stand als für Tradition und dass sie das Zeitalter des Kolonialismus – in der Praxis heute noch präsent – früher überwunden hat als der Rest der Welt.

Wie viel politischen Schaden hat sie wohl verhindert?

In die aktuelle Politik – in Großbritannien turbulenter als in vielen westeuropäischen Staaten – hat sie sich nie öffentlich eingemischt. Diese kluge, stille, standfeste Frau hat das Wirken von Premierministern vom großen Winston Churchill über die resolute Margaret Thatcher bis zum seltsamen Boris Johnson ertragen und in wöchentlichen Gesprächen kritisch begleitet. Wie viel an verhindertem Schaden wir ihr und ihrer großen Erfahrung verdanken: Wissen werden wir es nie.

Hat sie Fehler gemacht? Bestimmt. Die späte öffentliche Reaktion auf den Tod von Prinzessin Diana gilt als ihr größter. Im Rückblick ist ihre Zurückhaltung Zeichen für eine ihrer stärksten Qualitäten: Erst überlegen, dann reden. Nur selten hat sie öffentlich große Reden gehalten. Doch die wenigen bleiben in Erinnerung. Weil sie etwas zu sagen hatte mit all ihrer Erfahrung, weil sie Halt gab.

Ihrer Basis war die Liebe ihres Lebens

Sie war ein Kind von Eltern, die nicht vor dem vernichtenden Bombenhagel auf London im Zweiten Weltkrieg geflüchtet waren. Als Automechanikerin hat sie zu Kriegszeiten gedient – und später einen wesentlichen Beitrag zur Aussöhnung zwischen Briten und Deutschen geleistet. Nicht nur, weil sie einen Mann liebte, der auch deutsche Wurzeln hatte. Die Liebe zu Prinz Philip dauerte fast so lange wie ihr Leben und war die wichtigste Basis ihrer Stärke und Standfestigkeit. Kind dieser Liebe ist Charles, der nun als König zur rechten Zeit – kaum jemand hat so früh wie er Klima- und Naturschutz thematisiert – regieren wird.

Als Philip starb, waren ihre Tage gezählt

Wer selbst eine lebenslange Liebe erleben darf, mag geahnt haben, dass Elizabeths Tage gezählt waren, als Philip 2021 starb. Nachträglich gehört es zu den vielen menschlichen Aspekten, die diese starke, humorvolle, selbstironische Frau auszeichneten.

Übrigens: Nicht nur an Lebensalter hat sie, eine körperlich kleine Frau, einige der größten Männer der Weltgeschichte überlebt: Winston Churchill, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela. Jetzt ist sie wieder vereint mit der Liebe ihres in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Lebens.