Einen regelrechten Boom gibt es derzeit im Libanon, was den Bau von Photovoltaikanlagen betrifft. Foto: Murat/dpa

2018 wurde das Projekt initiiert und lief vielversprechend an, dann kam Corona, und jetzt der Neustart: Die Gemeinde Althengstett setzt die Entwicklungszusammenarbeit mit der Stadt Chekka im Libanon fort.

Althengstett/Chekka - Durch die Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Handel, Energieerzeugung oder Fort- und Weiterbildung soll man in der libanesischen Kommune weiter in der Lage bleiben, Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, zusätzlich zur eigenen Bevölkerung aufzunehmen. Viele Städte des Landes waren unter der Last der Flüchtlingsströme aus Syrien längst an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gestoßen. Das Hunderte Kilometer entfernte Althengstett will einen Beitrag dazu leisten, dass syrische Flüchtlinge weniger nach Europa drängen, weil sie in ihren unmittelbaren Nachbarländern zufriedenstellend versorgt werden können.

Staatliches Stromnetz völlig überlastet

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt ein Projekt zur Installation von Photovoltaikanlagen auf dem Rathaus, einem Bildungszentrum und für die Straßenbeleuchtung in Chekka. Die Kosten dafür – rund 170 000 Euro – werden komplett übernommen. Grund für eine fünfköpfige Althengstetter Delegation, in die nordlibanesische Stadt zu reisen und Details des Vorhabens zu besprechen. "Die Stromgewinnung durch Photovoltaik gewinnt im Libanon immer mehr an Bedeutung, derzeit werden wie wild Photovoltaikanlagen gebaut", sagte Bürgermeister Clemens Götz, ein Mitglied der Delegation, zu der auch Ryyan Alshebl, Antonia Ginter, Manfred Schwarz und Josef Schuhmacher gehörten, im Gespräch mit unserer Redaktion. Das staatliche Stromnetz sei völlig überlastet und liefere lediglich noch zwei Stunden am Tag Strom. Ansonsten sei man auf den teuren Generatorenstrom angewiesen – wenn es ihn überhaupt gebe. Mit dem Umstieg auf Photovoltaik könne der immense Treibstoffverbrauch für die Generatoren reduziert werden.

Chance zum Wissenstransfer genutzt

Bei dem Besuch in Chekka ging es nicht nur um technische Aspekte, "sondern auch um Wissenstransfer", betonte der Althengstetter Rathauschef. Um das Projekt Photovoltaik nachhaltig zu machen, wurde über Kurse für Wartung und Instandhaltung der Anlagen gesprochen. Nicht zuletzt ging es um die Qualität der Solarmodule: "Diese sollten hochwertig sein, denn die Menschen dort sind nicht reich genug, um billige Sachen zu kaufen", die schnell reparaturanfällig würden, so Götz. Mittlerweile sei die Ausschreibung für die Anlagen auf den genannten Gebäuden freigegeben worden. "2023 möchten wir uns anschauen, was aus dem Projekt geworden ist."

Große kulturelle und religiöse Vielfalt

Das Programm während des fünftägigen Aufenthalts war mit Terminen vollgepackt – auf jeden Fall aber für jeden einzelnen Besucher ein persönlicher Gewinn. Beeindruckt waren die Gäste aus Deutschland vom guten Zusammenleben in großer kultureller und religiöser Vielfalt. "Das funktioniert, weil die Menschen dort einander aushalten", erörterte der Bürgermeister, also die Lebensweise des jeweils anderen akzeptiert werde. Der Libanon ist ein Land der Gegensätze, beeindruckend und spannend zugleich, was durch Gespräche mit dem Botschaftsangehörigen Dominic Steinrode, Erzbischof Youssef Soueif und Friedrich Bokern von der Organisation "Relief and Reconciliation" noch deutlicher wurde. "Mut, Hoffnung, Aufbruch stehen neben der Verzweiflung von hoch qualifizierten Menschen, die ins englisch-, französisch- oder arabischsprachige Ausland emigrieren", äußerte sich Götz nach der Reise. Auch die oft sehr schwierige Situation der zahlreichen Flüchtlinge aus Syrien sei immer wieder thematisiert worden.

Beim Klimaschutz jedenfalls hat die Gemeinde Althengstett seit Jahren Globales und Lokales im Blick. Längst hat man dort erkannt, dass Klimaschutz nicht nur eine Sache der großen Politik ist, sondern jeder Einzelne durch sein Verhalten seinen Teil dazu beitragen kann – aus Althengstetter Sicht auch ein guter Ansatz über Ländergrenzen hinweg.