Eine Mitarbeiterin von ZF arbeitet am Band im Werk von Friedrichshafen. Foto: dpa

Nur noch elf Prozent aller Teile entwickeln die Autohersteller allein – dennoch verlangen sie von Zulieferern hohe Preisnachlässe. Daimler verhält sich dabei vergleichsweise moderat.

Stuttgart - Zulieferer und Autohersteller verbindet eine Art Hassliebe: Keiner kann ohne den anderen existieren – trotzdem zwingen die mächtigen Autohersteller ihre Lieferanten jedes Jahr aufs Neue zu finanziellen Zugeständnissen. Mit Forderungen nach durchschnittlich vier Prozent Rabatt hat der Druck 2012 erneut zugenommen, sagt der Stuttgarter Unternehmensberater Hans-Andreas Fein. Vor zwei Jahren begnügten sich die Autobauer mit 3,5 Prozent, wovon sie etwas mehr als die Hälfte durchgesetzt haben. Die aktuelle Erfüllungsquote liegt bei 67,5 Prozent im Schnitt – nur 2006 waren die Hersteller mit ihrer Preispolitik noch erfolgreicher und setzten 69 Prozent ihrer Forderungen durch.

Fein berät seit 22 Jahren Autozulieferer, seit  2002  fragt  er  anonym  bei ihnen ab, wie  sie  sich  von  den  Herstellern  behandelt fühlen. Für die aktuelle Studie hat er 72 Fragebögen ausgewertet. Am häufigsten wurde die Kundenbeziehung mit BMW und Daimler dokumentiert, gefolgt von Audi und VW. Somit ist die Studie zwar nicht repräsentativ – gibt aber Einblick in die üblicherweise harten Auftragsverhandlungen hinter verschlossenen Türen.

Der Münchner Premium-Autobauer BMW war 2012 am wenigsten erfolgreich und bekommt weniger als die Hälfte seiner geforderten Ersparnisse. Mitbewerber Audi und Daimler schaffen mehr als 60 Prozent, allerdings hat Daimler mit 2,4 Prozent im Schnitt auch vergleichsweise geringe Nachlässe gefordert. Aktueller Spitzenreiter ist die Rüsselsheimer GM-Tochter Opel mit Forderungen nach sieben Prozent geringeren Preisen, die von den Zulieferern zu 80 Prozent auch gewährt wurden. „Offenbar haben die Zulieferer Angst um ihre Aufträge und wollen mit Zugeständnissen helfen“, sagt Fein. Angesichts der hohen Verluste von Opel liegt dieser Schluss nahe, das schlechte Abschneiden von BMW erklärt sich erst beim Vergleich mit dem Jahr 2010: Damals gelang es den Münchnern bei einer überdurchschnittlichen Forderung nach 6,4 Prozent Rabatt knapp vier Prozent herauszuholen. Der Verlierer 2010 hieß Daimler, der dafür wiederum in den Jahren davor erfolgreich war. „Pi mal Daumen werden 50 Prozent der Forderungen erfüllt“, sagt Fein, kein Hersteller erziele auf Dauer überdurchschnittliche Ersparnisse. Zuletzt haben Massenhersteller wie VW und Opel höhere Forderungen durchgesetzt als Premium-Autobauer wie Audi, Daimler, BMW und Porsche.

Unter den Herstellern gibt es Unterschiede im Umgang

Lieferanten hingegen, die sich regelrecht ausgepresst vorkommen, haben womöglich jahrelang zu wenig Innovationen und Einsparungen geliefert und würden nun „wieder auf Kurs gebracht“. Manchmal benutzen die Autobauer Zulieferer auch nur für Preisverhandlungen, um Druck auf andere zu machen: „Hersteller suchen sich ihre Zulieferer danach aus, wer in den nächsten vier bis fünf Jahren strategisch am besten zu ihnen und ihren anderen Lieferanten passt“, sagt Fein. In den Auftragsverhandlungen werde der Auserwählte dann „so lange weichgekocht, bis der Preis stimmt“.

Exponierte Zulieferer haben das Spiel längst begriffen und reichen den Druck durch die Hersteller ihrerseits an kleinere Lieferanten weiter. „Vor allem Mittelständler haben im Moment mit sehr hohen Zugeständnissen zu kämpfen“, sagt Fein. Der Friedrichshafener Getriebehersteller ZF hat jüngst bekanntgegeben, die Zahl seiner Lieferanten deutlich zu reduzieren und spürbare Preiszugeständnisse von ihnen zu verlangen. ZF zählt zu den weltgrößten Autozulieferern und legt großen Wert darauf, dass die eigenen Lieferanten in Europa, Asien und Amerika gleichermaßen Produkte anbieten – ein Trend, den auch Fein feststellt.

Aus Sicht des Unternehmensberaters verschenken noch immer viele Zulieferer die Chance, ihrerseits Schwachstellen der Hersteller auszunutzen. Denn die sind auf die Produkte ihrer Lieferanten mehr denn je angewiesen: 2012 konstruierten die Hersteller nur noch elf Prozent aller Teile selbst, 29 Prozent entwickelten sie gemeinsam, 50 Prozent der Forschungsarbeiten stemmten die Zulieferer alleine. Einfacher wird das in Zukunft nicht: „Das Geschäft wird in den nächsten Jahren eher härter“, meint der Nürtinger Autoprofessor Willi Diez. „Dadurch wird der Umgangston zwischen Herstellern und Zulieferern wieder rauer.“