Die rote Schleife gilt weltweit als Symbol der Solidarität mit HIV-Infizierten: Viele betroffene Ortenauer leiden auch heute noch unter Ausgrenzung. Foto: Kalaene

Stigmatisierung, Ausgrenzung, Vorurteile – mit ihrer Erkrankung können HIV-Infizierte heute gut leben, mit den sozialen Folgen oft nicht. Ortenauer Beratungsstellen haben im Vorfeld des Welt-Aids-Tags auf deren Situation aufmerksam gemacht.

Ortenau - In den Köpfen der Menschen läuft der Fortschritt allerdings nicht so zügig: "Viele HIV-Infizierte haben nach wie vor wenig Freunde und kaum Kontakt zur Familie", berichtet Jürgen Schwarz von der Aids-Hilfe Offenburg/Ortenaukreis. Gemeinsam mit Ullrich Böttinger, Leiter des Amts für Soziale und Psychologische Dienste, und Rebecca Bruder von der Beratungsstelle für HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten, informierte er bei einer Online-Pressekonferenz am Mittwoch über die Situation Betroffener im Kreis. Anlass war der bevorstehende Welt-Aids-Tag am Mittwoch, 1. Dezember.

Viele HIV-Positive erfahren Diskriminierung

Das persönliche Umfeld Betroffener – auch die Familie – reagiere noch häufig mit Ablehnung, so der Tenor. "Als HIV-Infizierter wird man immer noch in eine Ecke gestellt – man sei ja selber Schuld", erläutert Schwarz. Eine wichtige Funktion der Aidshilfe sei daher ein stückweit Familienersatz zu sein.

Immer wieder werden Betroffene Opfer diskriminiert: 95 Prozent der Teilnehmer einer Online-Befragung der Studie "Positive Stimmen 2.0" haben angegeben in den vergangenen zwölf Monaten eine stigmatisierende Erfahrung gemacht zu haben. "Diese Studie verdeutlicht umso mehr, dass weitere Anstrengungen nötig sind, die vorhanden Denkmuster zu reflektieren, aufzubrechen und durch neue Bilder und Fakten zu ersetzen", betont Amtsleiter Böttinger.

Eine Pflicht, sich als HIV-Positiver zu offenbaren, gibt es nicht – weder am Arbeitsplatz noch beim Arztbesuch. Doch wer beschließt, aus der Infektion ein Geheimnis zu machen, trägt nicht selten schwer an der Entscheidung. "Viele stehen unter dem Druck, sich nicht zu verplappern." Böttinger wünsche sich, dass jeder HIV-Positive sich folgenlos offenbaren könne. Denn vielen gehe es hinterher besser.

Die Situation lasse sich nur durch sachliche Information und Aufklärung verbessern, ist Schwarz überzeugt. Sowohl in der HIV-Beratungsstelle des Landratsamts als auch bei der Aids-Hilfe gehören daher Präventionsveranstaltungen mit dazu. Dabei und bei der sogenannten aufsuchenden Arbeit – beispielsweise Info-Angebote in Bordellen – sei der Einfluss der Pandemie allerdings noch deutlich zu spüre, berichtet Rebecca Bruder.

Bis einschließlich Oktober haben 395 Menschen (2020: 368 Personen) die HIV-Beratungsstelle persönlich aufgesucht. Davon haben sich 356 Personen (2020: 330 Personen) auf HIV testen lassen. Es fanden auch neun persönliche und 97 telefonische Beratungen ohne nachfolgende Testung statt. Zusätzlich erfolgten zwölf schriftliche Beratungen per E-Mail. "Erfreulicherweise hatten wir in dem Zeitraum keinen positiven HIV-Befund", freut sich Bruder.

Info:

Die Aidshilfe hatte im laufenden Jahr 649 Beratungskontakte mit 157 Menschen (63 Frauen, 94 Männer), berichtet Schwarz. Neu-Infizierte seien zwei dazugekommen. Die Dunkelziffer ist aber wohl größer, gibt es doch noch weitere Testmöglichkeiten, wie etwa niedergelassene Ärzte.