Auf der früheren Schwarzwaldbahn Calw-Weil der Stadt rollt sein 1988 kein Zug mehr. Doch seit einem Jahrzehnt wollen die Kreise Calw und Böblingen einen S-Bahnbetrieb auf dieser Strecke.

Böblingen/Calw - Über die Gleise der früheren Schwarzwaldbahnstrecke Calw-Weil der Stadt rollt sein 1988 kein Zug mehr. Doch seit einem Jahrzehnt wollen die Kreise Calw und Böblingen, das sich das ändert. Ihrem Ziel sind jetzt so nah wie nie zuvor.

Diesel- oder Stadtbahnbetrieb, das ist Geschichte. Auch Aussagen wie diese - "Wir wollen es selbst machen, die Region ist bei diesem Thema nicht dabei" (der frühere Böblinger Landrat Bernhard Maier Mitte 2005) - sind längst überholt. Denn drei Jahre danach ergab eine neue Untersuchung, dass eine Verlängerung der S-Bahn schneller und kundenfreundlicher ist als alles andere. "In 58 Minuten von Calw bis zum Hauptbahnhof Stuttgart", schwärmt Calws Vizelandrätin Claudia Stöckle heute. Und das ohne Umsteigen.

 

Eine tolle Sache, meinten auch die Kreisräte in Calw und Böblingen. Sie verabschiedeten sich Mitte 2008 von den sogenannten Insellösungen und beschlossen, weitere Untersuchungen mit dem Ziel S-Bahn-Verlängerung durchführen zu lassen. Maier führte erste Gespräche mit dem Innenministerium und sprach von "positiven Signalen". Jetzt, ein gutes Jahr später, hat sich sein Nachfolger Roland Bernhard zu Wort gemeldet. Er sagte kürzlich, dass 2010 "wichtige Entscheidungen" anstehen. Verträgt das S-Bahn-Netz den Zug aus Calw? Stimmt der Verband Region Stuttgart zu?

Der VRS ist Aufgabenträger für die S-Bahn. Sein Gebiet umfasst Stuttgart und die Kreise Göppingen, Esslingen, Rems-Murr, Ludwigsburg und Böblingen. Calw gehört nicht dazu. Doch er ist offenbar bereit, über seine Grenzen hinauszugehen und den Nachbarkreis, dessen Einwohner vielfach zu den Arbeitsplätzen in Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart pendeln, anzubinden. Aber dafür, so VRS-Direktor Jürgen Wurmthaler, gibt es drei Bedingungen: "Die Takte müssen passen", also kein Nachteil für das S-Bahn-Netz Stuttgart; keine finanzielle Beteiligung der Region; keine Teilung der Trägerschaft. Der VRS will auf der Strecke Calw-Weil der Stadt das Sagen haben. "Das sind Fixpunkte", erklärt Wurmthaler.

Die erste Bedingung wird gerade noch untersucht. Der Kurzzug aus Calw - er soll aus einem Waggon bestehen - muss in Weil der Stadt oder Renningen an die S1- oder S60-Bahnen an- und abgekoppelt werden können, erklärt Stöckle. Dabei darf der enge Fahrplan im Netz nicht aus den Fugen geraten. Ein Problem dabei: Die S60 Böblingen-Renningen ist noch gar nicht in Betrieb. Das macht die sogenannte Harmonisierung für die Gutachter nicht einfacher.

Über die Finanzierung, sagt Stöckle, "muss noch verhandelt werden". Klar ist, dass das Teilstück der Schwarzwaldbahn nur dann reaktiviert werden kann, wenn Bund und Land 85 Prozent der förderfähigen Kosten über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz aufbringen. Den Rest werden sich wohl die beiden Landkreise teilen. Die für Gutachten anfallenden Kosten werden von Anfang an zu 80 Prozent von Calw und zu 20 Prozent von Böblingen getragen. Ob der Schlüssel auch beim Streckenbau gilt, ist offen. Der Böblinger Landrat sagt: "Als Grundvoraussetzung für die Realisierung erwarte ich ein hohes finanzielles Engagement des Landkreises Calw."

Die Rückkehr der Züge kostet laut Stöckle rund 60 Millionen Euro. Sie sollen weitgehend auf der Trasse der früheren Schwarzwaldbahn fahren. Um Zeit zu sparen, wird aber auf die Schleife um den Hacksberg bei Weil der Stadt-Schafhausen verzichtet. Hier wird eine Abkürzung gebaut. Noch ungeklärt ist, an welchen Stellen zweite Gleise gelegt werden, damit die S-Bahnen aneinander vorbeikommen.

Auch wenn vieles noch nicht entschieden ist, darunter die Trägerschaft, ist Stöckle zuversichtlich. Sie spricht von "Rückenwind aus Stuttgart" und viel Zustimmung von den Gemeinden, die an der Strecke liegen: "2015 könnte der Zug fahren."

Gutachter gehen von täglich 2950 Fahrgästen aus. Profitieren soll von der Schienenverbindung aus Calw auch die S60, die nach mehrfacher Verspätung jetzt Ende 2011 in Betrieb gehen soll. Hier wird mit zusätzlich 730 Fahrgästen gerechnet.