In einer Stellungnahme stellen sich die Ortenauer Rathauschefs hinter einen Brandbrief von Kreisen, Kommunen und Wirtschaftsverbänden an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Dieser wird darin aufgefordert, einen Reformprozess zum Abbau von bürokratischen Hürden einzuleiten. Foto: Kreisverband Gemeindetag

Die Ortenauer Bürgermeister haben sich hinter einen Brandbrief von Kreisen, Kommunen und Wirtschaftsverbänden an Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestellt. Gemeinsam fordern sie einen schnellen Bürokratieabbau in Baden-Württemberg.

Ortenau - "Bei ehrlicher Betrachtung beschäftigen sich Staat, Wirtschaft und Gesellschaft viel zu oft mit sich selbst", konstatierten Städte und Gemeinden, Betriebe und Banken bereits Ende Oktober in einem offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Als Beispiele nannten sie die vielfältigen Anforderungen des Datenschutzes, fehlende Effizienz der Klimaschutzmaßnahmen, überbordende Regelungen beim Bauen, das komplizierte Vergaberecht oder die Auflagen für kleine und mittlere Banken. "Die Folge sind lähmende Behäbigkeit und ein empfundener Stillstand", so ihr Urteil. Es bedürfe sofort eines "Entfesselungspakets", das Staat, Wirtschaft und Gesellschaft aus dem "überregulierten Gesetzesrahmen" befreie.

Ortenauer Bürgermeister beraten sich zunächst

Diese Forderung stieß im Kreis ganz offenbar auf offene Ohren: "Wir haben den in Rede stehenden offenen Brief in dieser Woche innerhalb unserer Ortenauer Runde eingehend besprochen und diskutiert", erklärt Wolfachs Bürgermeister Thomas Geppert, Kreisverbandsvorsitzender des baden-württembergischen Gemeindetags, am Donnerstag. Das Resultat ist eine gemeinsame Stellungnahme aller Ortenauer Rathauschefs: "Dieser klare, gemeinsame Appell ist richtig und war überfällig. Es ist ein dringender Weckruf, der nicht überhört werden darf!", heißt es darin zum Brandbrief an Kretschmann. Es bleibe zu hoffen, "dass der große Reformbedarf auch von unserem Herrn Ministerpräsidenten erkannt wird".

Der Verweis auf Europa, den Bund und die kommunale Ebene als Hauptverursacher von Überregulierung und Bürokratie greife zu kurz, heißt es weiter. "Alle Ebenen müssen jetzt entschlossen handeln. Die Vorschläge zum Bürokratieabbau und zu Standardsenkungen in Baden-Württemberg liegen im Übrigen seit Jahren vor, bislang ist jedoch nichts geschehen."

"Schulterschluss" mit Landrat Frank Scherer

Nahezu wortgleich hatte sich Landrat Frank Scherer bereits am Dienstag bei seiner Haushaltsrede im Kreistag geäußert – war aber konkreter geworden. "Wo wir als Kreis selbst handeln konnten und durften, haben wir das in der Vergangenheit schon mutig getan", betonte der Landrat in seiner Rede. Unter den Zuhörern befanden sich aufgrund ihrer Doppelfunktion als Kreisräte auch viele der Ortenauer Rathauschefs. Laut Geppert suchten die Bürgermeister mit ihrer Stellungnahme den "Schulterschluss" mit Scherer. "Ich erinnere nur an den von mir verfügten Abbau von über 1000 internen Verwaltungsvorschriften zum 1. April 2010, die Etablierung der Standortklausel, wonach wir im Landratsamt alle rechtlichen Spielräume zugunsten positiver Standortfaktoren nutzen und an unsere fortlaufende Digitalisierung und Optimierung der Organisation und Geschäftsprozesse", erklärte Landrat Scherer.

Doch das alle helfe nichts, "wenn wir durch neue Gesetze immer neue Standards und kompliziertere Abläufe vorgegeben bekommen", kritisierte Scherer weiter. "Hier wäre es meist besser, wenn die kommunale Ebene den Weg zum Ziel weitgehend selbst gestalten könnte."

"Zukunftskonvent" soll Abhilfe schaffen

Hinter dem Brandbrief an Winfried Kretschmann steht ein Bündnis aus Gemeinde-, Städte- und Landkreistag, Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammertag, dem Verband Unternehmer Baden-Württemberg sowie dem Sparkassen- und dem Genossenschaftsverband. Sie verweisen in ihrem Brief darauf, dass sie die 1101 Städte und Gemeinden, 35 Landkreise sowie die etwa 800 000 Betriebe, 50 Sparkassen und rund 140 Volksbanken und Raiffeisenbanken im Land vertreten. Sie schlagen vor, einen "Zukunftskonvent" einzuberufen. Der soll den Auftrag des Gesetzgebers erhalten, konkrete Vorschläge für das geforderte Ermutigungs- und Entfesselungspakt formulieren. Kretschmanns reagierte bisher verhalten: Das Land sei für vieles der falsche Ansprechpartner.