Eine seltene Szene in der gerade abgelaufenen Saison in der Handball-Bundesliga: Der HBW Balingen-Weilstetten bejubelt einen Sieg – hier den 28:27-Erfolg im Derby bei Frisch Auf Göppingen. Foto: Eibner

Lübeck-Schwartau statt Kiel, Bietigheim statt Göppingen, Rimpar statt Erlangen. Der HBW Balingen-Weilstetten muss sich nach dem Abstieg aus der 1. Handball-Bundesliga neu orientieren.

Doch damit, dass die Busfahrer der "Gallier" ihre Navigationsgeräte neu justieren, ist es nicht getan. Auch die Mannschaft wird sich umstellen müssen, wenn sie die Rolle des Underdogs mit der des Favoriten tauscht. Ein Umstand, der nicht zu unterschätzen ist, schon als der HBW 2017 zum ersten Mal aus der "stärksten Liga der Welt" ins Unterhaus abstieg, tat sich der Klub schwer. Statt der angepeilten Rückkehr in die 1. Liga stand am Ende der Saison 2017/18 lediglich der fünfte Tabellenplatz für die Schwaben zu Buche, ehe es ein Jahr später – inzwischen hatte Jens Bürkle den Trainerjob von Runar Sigtryggsson übernommen – als Zweitliga-Meister mit der Rückkehr ins Oberhaus klappte.

Zweimal in Folge hatte der HBW zuletzt die Klasse gehalten. In dieser Saison war die Bilanz von 16:52 Punkten zu wenig. Nur der TuS N-Lübbecke, der am Montag Trainer Emir Kurtagic nach zweijähriger Tätigkeit in Ostwestfalen freistellte und sich mit einem anderen Coach neue Impulse für ein Team erhofft, das nahezu unverändert und mit Neuzugang Nikolas Katsigiannis im Tor in die kommende Spielzeit geht, landete mit 14:54 Punkten hinter den Schwaben. Der TSV GWD Minden, mit dem sich der HBW lange Zeit um den rettenden 16. Platz rangelte, schloss die Runde mit 18:50 Punkten ab. In der Saison 2020/21 hatte der HBW mit satten 29:47 Punkten noch den 15. Rang unter damals 20 Mannschaften belegt, musste dabei aber auch bis zum vorletzten Spieltag zittern.

Erster Abstieg in Bürkles Karriere

Für Trainer Jens Bürkle ist es der erste Abstieg in seiner Handball-Karriere. "Das ist tatsächlich mein erster Abstieg seit ich im Handball tätig bin. Es gab aber Momente, in denen es mir schlechter ging. Wir haben so viel investiert und ausprobiert und massiv Energie in diese Saison gesteckt. Wir können wirklich guten Gewissens in den Spiegel schauen. Ich ziehe wirklich den Hut vor dieser Mannschaft, wie sie es geschafft hat, nach schweren Phasen wieder aufzustehen, macht mich schon stolz. Natürlich ist es nicht schön, abzusteigen, auf der anderen Seite hat es für Balingen aber auch eine gewisse Normalität, wenn man an die Mittel denkt, die wir im Vergleich mit der Konkurrenz haben. In dieser Saison haben Kleinigkeiten gefehlt. Wir müssen immer ans Limit kommen, um in dieser Liga erfolgreich zu sein, und das ist uns nicht häufig genug gelungen", sagt Bürkle.

Auf den HBW wartet namhafte Konkurrenz

Der HBW-Trainer hat großen Respekt vor der Aufgabe, die auf ihn und sein Team in der kommenden Spielzeit in der 2. Liga wartet. "Es gibt viele Mannschaften, die oben mitspielen können. Mit TuSEM Essen, dem HSC Coburg, der HSG Nordhorn-Lingen und den ›Eulen‹ Friesenheim sind noch alle vier Erstliga-Absteiger der vergangenen Saison dabei. In Hagen entsteht ein spannendes Projekt. Der Favorit aber ist für mich der TuS N-Lübbecke. Außerdem wird der Rollentausch für uns sehr anspruchsvoll. Und so eine Niederlage, wie es der Abstieg für uns nun mal ist kann bei einer Mannschaft verschiedene Dinge auslösen. Entweder sie hinterlässt ein Trauma oder aber, sie ist eine Lehre fürs Leben, sagt Bürkle.

Coach lässt sich mit Zielvorgabe noch Zeit

Schon jetzt ein Ziel für die Runde auszugeben, ist nicht Bürkles Ding. "Natürlich wollen und müssen wir uns hohe Ziele setzen. Aber wir müssen erstmal die Mannschaft final zusammenbauen, und dann hängt viel davon ab, wie die Integration der Neuzugänge verläuft", so Bürkle. Externe Neuzugänge gibt es Stand jetzt mit dem routinierten Kreisläufer Felix Danner (HSG Wetzlar) und dem kroatischen Spielmacher Filip Vistorop (HC PPD Zagreb) zwei. Aus dem Drittliga-Team rücken mit Elias Fügel und Tim Hildenbrand zwei talentierte Rechtsaußen nach, die sich um die Rolle als Back-up von Moritz Strosack bewerben. Fix aus dem Perspektivteam stoßen zudem der vielseitige Kreisläufer Tobias Heinzelmann und Linksaußen Patrick Volz dazu. Mit Spielmacher Elias Huber und Rückraumspieler Till Wente, der sich in der Off-Season einer Operation an der Hand unterziehen muss, stehen zwei weitere Youngster in der Startlöchern, die bereits bei ihren Einsätzen in Liga 1 zu überzeugen vermochten.

Bisher zwei externe Neuzugänge

Verlassen werden den HBW Kreisläufer Marcel Niemeyer – ob er nach einem Knorpelschaden im Knie noch einmal auf ein Handball-Parkett zurückkehrt, wird sich weisen – der Franzose James Junior Scott (Frederica HK/Dänemark), der sein Potenzial immer wieder andeutet, aber in seinen beiden Jahren beim HBW nie so richtig zündete, sowie mit Tim Nothdurft (Bergischer HC), Fabian Wiederstein (SG BBM Bietigheim) und Gregor Thomann (HSG Konstanz) drei Spieler, die entweder echte Eigengewächse sind oder aber den entscheidenden Schritt zum Profi über den Nachwuchs der JSG Balingen-Weilstetten und die HBW-Drittliga-Mannschaft machten. Zudem dürfte wohl auch Vladan Lipovina am Sonntag bei der 26:33-Auswärtsniederlage beim HC Erlangen sein letztes Spiel im HBW-Trikot absolviert haben. Der Montenegriner – mit 177 Treffern Siebter der HBL-Torjägerliste – hat zwar noch einen Vertrag bei den Galliern. Der aber gilt nur für die 1. Liga. Und so gut es Lipovina in Balingen gefallen mag, die 2. Liga kann nicht sein Anspruch sein.

Vorbereitung beginnt am 18. Juli

Der Vorbereitungsplan für die kommende Saison steht schon in großen Zügen. Nach Medizinchecks und Fototermin bittet Coach Bürkle sein Team am 18. Juli zur ersten Trainingseinheit. Danach geht’s gleich ab ins Trainingslager nach Lautenbach im Schwarzwald. "Wir wollen die Integration der neuen Spieler schnell voranbringen und uns als Mannschaft finden", sagt Bürkle.

Teilnahme am Altensteiger S-Cup

Wie immer steht beim HBW das Vorbereitungsturnier um den S-Cup in Altensteig (29. bis 31. Juli, Eichwaldhalle) auf dem Programm. Neben dem HBW mischen die Erstligisten Rhein-Neckar Löwen und TVB Stuttgart, die Zweitliga-Konkurrenten HSG Nordhorn-Lingen und Eulen Ludwigshafen, der Schweizer Erstligist HC Kriens/Luzern, für den künftig die Schweizer Handball-Ikone Andy Schmid und der ehemalige Balinger Fabian Böhm auflaufen, Viertligist SG H2Ku Herrenberg und Gastgeber TSV Altensteig mit. Weitere Tests steigen gegen die Rhein-Neckar Löwen, gegen den Schweizer Erstligisten HC Suhr-Aarau (6. August), die Rhein-Neckar Löwen (13. August), den französischen Erstligisten HBC Charters, der die vergangenen Spielzeit auf Rang zehn der Ligue 1 abschloss (18. August) sowie den französischen Zweitligisten Selestat Alsace Handball (25. August) an.