Zu Besuch im Drei-Sterne-Lokal Bollwerk der Gastlichkeit – Wie schmeckt es eigentlich im Bareiss?

Anja Wasserbäch
Claus-Peter Lumpp wurde vom Michelin als „Mentor Chef“ ausgezeichnet. Foto: /KI/Midjourney/Montage: Sebastian Ruckaberle

Käsewagen im Drei-Sterne-Restaurant? Im Bareiss selbstverständlich. Warum manche Traditionen nicht überholt, sondern unübertrefflich sind. Ein Besuch in Baiersbronn.

Während kulinarische Moden kommen und gehen wie Schwarzwälder Wetterlagen, thront das Bareiss unerschütterlich in luftiger Höhe. Seit 2007 hält es mit dem kongenialen Duo Claus-Peter Lumpp und Stefan Leitner an der Spitze der Küchenbrigade drei Michelin-Sterne. Inzwischen tragen zwölf Restaurants in Deutschland diese Auszeichnung. Was aber macht das Bareiss so besonders, dass es „eine Reise wert“ ist, wie es vom Guide Rouge etikettiert wird? Im Juni erst wurde Lumpp vom Michelin als „Mentor Chef“ ausgezeichnet.

 
Maître Thomas Brandt, Claus-Peter Lumpp und Sommelier Teoman Mezda. Foto: www.guenterstandl.de

Denn das Bareiss ist – bei aller Tradition - auch anders: 2024 wurde es behutsam renoviert, der barocke Pomp vergangener Tage wich einer zeitgemäßen Eleganz. Heute sieht man samtbezogenen Minotti-Stühlen, dunkler Fischgrätparkett, sanfte maigrüne Wände, farblich abgestimmte Vorhänge, holzvertäfelte Decke und weiß eingedeckte Tische. In der Mitte, das Markenzeichen, ebenfalls im zeitgemäßen Update: ein fein gebundenes, großes Blumenarrangement in einer Vase der Porzellankünstlerin Stefanie Hering. Ja, man geht auch optisch mit der Zeit, ohne die Wurzeln zu kappen.

Was aber geblieben ist: die hohe Qualität. Die weißen Tischdecken, die am morgen noch frisch aufgebügelt wurden. Der Käse- und der Kuchenwagen, die Produktqualitäten. Und es gibt einen neuen Küchenchef: Cyril Bettschen, seit vier Jahren im Haus, wurde an die Position berufen. Die Weichen für die Zukunft sind also gestellt.

Ein Essen ist immer nur so gut, wie die Menschen, die es rahmen

Und bei einem ausgiebigen Mittagslunch, für den das Wort eher untertrieben ist, stellt sich heraus, wie großartig es ist, dass das sehr Gute bewahrt wird. Und dass hier mit dem Pâtissier Stefan Leitner einer der besten seines Fachs zugange ist.

Ein Essen ist ja aber immer nur so gut, wie die Menschen, die es rahmen. Mit dem Maître Thomas Brandt im Service und Teoman Mezda als Sommelier sind hier in Mitteltal ebenfalls Koryphäen ihres Fachs zugange.

2024 wurde es behutsam renoviert, der barocke Pomp vergangener Tage wich einer zeitgemäßen Eleganz. Foto: www.guenterstandl.de

Claus-Peter Lumpps Küche ist eine, die sich weigert, Kompromisse zu machen. Es ist die klassische Grand Cuisine, die aber doch immer wieder ganz im Hier und Jetzt ist, die so präzise gekocht ist, dass es eine wahre Freude ist. Hier gerät selbst das verwöhnteste Gaumengedächtnis ins Schwärmen. Vor allem ob der Großzügigkeit, die so gar nicht im Menü verankert ist.

Die Dekadenz des Augenblicks

Los geht es beim großzügigen Degustationsmenü in 12 Gängen mit den Apéros auf der Etagère. Den Begriff „Fingerfood“ würde man hier wohl als kulinarische Ketzerei betrachten. Es sind kleine, große Kunstwerke, geschmacklich bleibt vor allem die Quiche mit feinem Ziegenkäse und Kirschgel in Erinnerung. Das Sauerteigbrot wird mit perfekt temperierter Süßrahm- sowie Salzbutter von Frauen im Dirndl serviert, die Küche grüßt mit einer kalten Mousse aus Kohlrabi und einer Rooibos-Vinaigrette, dazu einem Rooibos-Eistee.

Apropos Getränke: Die Weinkarte könnte als Kompendium durchgehen – über 1000 Positionen wollen studiert werden. Doch es empfiehlt sich hier den versierten Empfehlungen von Sommelier Teoman Mezda zu vertrauen, der – ja, man geht mit der Zeit – auch nicht-alkoholische Begleiter auf Lager hat, die nicht zu süß sind und die sagenhaften Speisen begleiten. Wie etwa das warme Amuse (ein schmackhafter Dumpling mit Hummer gefüllt, der in einem Wassermelonen-Zitronenmelisse-Sud badet) oder der gebratene Langostino mit Karotte, Sweet Chili und Orangenvinaigrette, für den das nicht verpönte Wort „lecker“ über die Lippen kommt. Verdammt lecker! Vor allem in der Kombination von Karotte und Süße sowie dem Langostino, der einen an die Atlantikküste beamt.

Reh aus der hauseigenen Jagd, geschossen von Chef Hannes Bareiss

Übers Meer (Kingfisch auf schwarzem Venerereis) geht es mitten in den Wald: Die besten Pilze von Pfifferling bis Steinpilz sind auf einem Spinatbett mit Crème fraîche gebettet, dazwischen ein Brik-Teig-Plättchen: wahnsinnig gut, wahnsinniger Umami-Geschmack.

Die „Waldpilze“ aus dem Degustationsmenü. Foto: Schlemmerbäch

Mit der Forellenzucht im Buhlbachtal hat man nicht nur die frischesten Fische, sondern eben auch die nachhaltigste Art. Heute auf dem Menü ein ebensolches Unikat: Reh aus der hauseigenen Jagd, geschossen von Chef Hannes Bareiss. Der Rehrücken wird gebraten und mit Spitzkohl, Ingwer und Pfefferglace serviert, auf dem benachbarten Teller befindet sich das Rehnüsschen mit Spitzkohlsalat und Birne.

Viele Gäste wählen die Menüs, aber auch „à la carte“ gibt es hier. Was so gar nicht dem Zeitgeist entspricht, weil es wahnsinnig viel Arbeit macht. Im Bareiss werden die Hauptkomponenten in vielen verschiedenen Variationen auf so genannten Satelliten-Tellern serviert. Wer sich auf diese kulinarische Odyssee einlässt, sollte anschließend Muße für die Kontemplation einplanen.

Und während man darüber sinniert, wie das alles überhaupt zu verarbeiten ist, rollte der Käsewagen (!) an, mit perfekt gereiften Stücken, dazu verschiedene Gelees und Haselnüsse aus dem Piemont.

Ein Meister seines Fachs: Stefan Leitner

Das Dessert ist geradezu magisch, die Lieblingsfrucht von Pâtissier Stefan Leitner, die Himbeere, wird hier vom Eistee bis zum Törtchen mit sechs Schichten in Szene gesetzt. Toll auch, dass er mit dem Spagatkrapfen (getoppt von Himbeere) seiner österreichischen Heimat Tribut zollt.

Dann noch die Friandises, die „Kleinigkeiten“, fünf an der Zahl vom Profiterol bis zum Nougatgelee mit Pistazie, Baiser mit Passionsfrucht. Fein ziselierte Wunderstücke.

Der Kuchenwagen. Foto: nja

Und ganz zum Schluss fährt dann noch ein Wagen vor: der Kuchenwagen, der unter vielem anderen mit Schokoküssen, Mousse-au-Chocolat-Torte, Zitronentarte und Aprikosenmadeleines bestückt ist. Ja, das ist wahre kulinarische Grandezza. Vom Anfang bis zum süßen Ende.

Das Restaurant

Bareiss
Hermine-Bareiss-Weg 1, 72270 Baiersbronn-Mitteltal, Öffnungszeiten: Do–So 12:00–14:00 Uhr und 19:00–21:00 Uhr

Mo–Mi geschlossen; www.bareiss.com