Drei Städte in Region Neckar-Alb bewerben sich. Meßstetten überlegt. Krisensichere Arbeitsplätze.
Zollernalbkreis - Kurioser Wettlauf um Investitionen, krisensichere Arbeitsplätze, Steuergelder und anrechenbare Einwohner, die eigentlich lieber woanders wären: Mittlerweile melden vier Städte Interesse an, Standort des neuen Großgefängnisses zu sein.
Eigentlich schien es so gut wie sicher, dass die neue Justizvollzugsanstalt des Landes nach Rottweil kommt. Allerdings zieht sich dort die Standortsuche seit Jahren hin. Wo immer der Rottweiler Gemeinderat einen Standort benannte, formierte sich umgehend massiver Widerstand – in der eigenen Bürgerschaft rund um den Standort und bei den Nachbarkommunen. Offenbar hat niemand grundsätzlich etwas gegen das Großgefängnis, solange es nicht vor der eigenen Haustür steht.
Zwar beteuerte der Rottweiler Rat diese Woche, an den beiden umstrittenen Standorten Stallberg und Bitzwäldle festzuhalten. Allerdings gibt es mit beiden Flächen Probleme (wir berichteten): Der Stallberg steht auf Gipsgrund, gegen den Bitzwald an der Kreisgrenze zur Zollernalb laufen Naturschützer, Zepfenhaner und Schömberger Sturm. Und die Gegner feiern Etappensiege, der örtliche Naturschutzverein wertet den neuen Standortsuchlauf des Landes als "Teilerfolg".
So ein Gefängnis – das hätten viele gern
Mittlerweile wittern offenbar auch andere Städte ihre Chance und bringen sich in Stellung: Als erstes hob Rottenburg den Finger. Der Gemeinderat hat diese Woche ebenfalls beschlossen, eine Bewerbung beim Land einzureichen. Das ehemalige Flugplatzgelände bei Baisingen soll angeboten werden. Allerdings formiert sich in dem Dorf bereits der Widerstand. Eine Bürgerinitiative hat sich gebildet und bereits mehr als 300 Unterschriften gegen das Projekt vor ihrer Haustür gesammelt. Sie sehen nicht nur die Landschaft, sondern auch das "Sozialgefüge" in Gefahr, wenn zu den 1200 Einwohnern 500 bis 700 Häftlinge kommen sollen. Abgewunken hat Villingen-Schwenningen. Die Stadt will keinen Standort-Suchlauf starten, allerdings meldet ein privater Grundstückseigentümer Interesse an der JVA an.
Am Donnerstag nun warf Hechingen, Stadt mit Untersuchungsgefängnis und Landgerichtssitz, den Hut in den Ring. Der Rat beschloss bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen, eine Bewerbung einzureichen. In Hechingen ist seit Jahren ein sogenannter "Vorsorgestandort" für ein Jugendgefängnis ausgewiesen. Die Fläche befindet sich an der Zufahrt zur Kreismülldeponie. Bislang ging die Stadt aber davon aus, dass die Fläche zu klein für die neue Groß-JVA ist. Außerdem liegt sie in landschaftlich sensiblem Terrain am Albtrauf. Hechingen sieht offenbar die Chance, mit hunderten von Häftlingen über die magische Schwelle von 20 000 Einwohnern zu springen und damit den Status einer großen Kreisstadt zu erhalten, was aus eigener Kraft nicht so einfach zu schaffen ist. Die Einwohnerzahl stagniert seit Jahren.
Frist für Bewerbungen läuft Ende März aus
Eine Bewerbung bereitet derzeit auch eine zweite Stadt im Zollernalbkreis, Meßstetten, vor. Der Gemeinderat beschloss in seiner Klausurtagung, das Projekt zumindest weiterzuverfolgen. Die Stadt überlegt fieberhaft, wie sie den geplanten Abzug der Bundeswehr kompensieren könnte. Meßstetten liegt verkehrstechnisch zwar etwas ab vom Schuss, mit der Zollernalbkaserne könnte aber schon bald eine erschlossene Fläche frei werden. Der dortige Rat hat sich bereits einen profunden Referenten eingeladen: Hans-Peter Wurdak, Leiter der Justizvollzugsanstalt Offenburg. Er gab aus eigener Erfahrung Entwarnung in Fragen, die die Bevölkerung in der Standortdebatte stets am meisten bewegt: Eine Gefahr durch Freigänger oder Ausbrecher bestehe nicht, die Anlieger würden sich durch erhöhte Polizeipräsenz eher sicherer fühlen. Die Immobilienpreise seien durch das Image, Knaststandort zu sein, nicht eingebrochen, auch der Fremdenverkehr leide nicht. Dafür hätten Einzelhandel und Handwerk Vorteile. Als "Faustformel" könne gesagt werden, dass ein Arbeitsplatz auf zwei Gefangene komme.
Wirtschaftliche und strukturpolitische Erwägungen sind stets die Motivation für Bewerbungen, für die die Frist Ende des Monats ausläuft. Es geht nicht nur um schätzungsweise 250 Arbeitsplätze, sondern auch um die Häftlinge selbst: Sie gelten als "anrechenbare Einwohner". Von dieser Qoute hängen die sogenannten Schlüsselzuweisungen ab – der Anteil an der Einkommenssteuer, den das Land den Kommunen überweist. Der "Grundkopfbetrag" beträgt 932 Euro pro Jahr. Zum Vergleich: Hechingen kalkuliert in diesem Jahr mit Schlüsselzuweisungen in Höhe von 4,3 Millionen Euro, rund 11,5 Prozent des Gesamtetats.