Gespenstische Ruhe nach dem Gewittersturm. Rangendingen war besonders stark betroffen. Hagel, Sturm und Regen richteten Schäden an, die Feuerwehr deckte die Kirche wieder ein und pumpte vollgelaufene Keller leer. Foto: Beiter

Feuerwehren am Sonntag im Dauereinsatz. Rangendingen erleidet heftige Schäden. Bewohner fassungslos.

Zollernalbkreis - Weltuntergangsstimmung am Sonntagnachmittag: Schwere Unwetter haben gestern in Teilen des Zollernalbkreises getobt.

Am heftigsten getroffen hat es Rangendingen. Sturm und Hagel deckten Dächer ab, Keller liefen voll, Gärten wurden zerstört. Die Feuerwehren waren im Großeinsatz. Mit ungeheurer Kraft zog ein Hagelsturm über Rangendingen hinweg. Innerhalb von nur zehn Minuten hinterließ das Unwetter durch den gesamten Ort eine Schneise der Verwüstung. Erst war es dunkel geworden, dann hatte ohne Vorwarnung der Hagel eingesetzt. Eisklumpen groß wie Tischtennisbälle schlugen Vordächer ein, zerbeulten Autos, hämmerten gegen Scheiben und zersiebten Rollläden. Der Hagel schlug Obstplantagen und das Gemüse in den Gärten kurz und klein. Windhosen rissen Ziegel von den Dächern, die Sturmböen knickten Bäume und Äste. Es schüttete solche Regenmassen, dass im gesamten Ortsgebiet zahlreiche Keller vollliefen.

Feuerwehr Hechingen flickt über die Drehleiter Kirchendach

Gegen 20 Uhr zählte die Feuerwehr Rangendingen in einer Zwischenbilanz 48 Einsatzstellen. Rund 100 Einsatzkräfte der Feuerwehren aus Rangendingen, Hechingen und Haigerloch waren im Einsatz, sagte der stellvertretende Abteilungskommandant Frieder Dieringer. Das Zentrum des Unwetters lag lokal über dem nordwestlichen Zipfel des Zollernalbkreises und traf vor allem die Kerngemeinde Rangendingen. Bietenhausen und Höfendorf blieben einigermaßen verschont, so Dieringer. In Stein und Hechingen hatte es zwar geregnet, doch der Hagel blieb aus.

Als sich das Unwetter gelegt hatte, spielten sich überall im Ort die gleichen Szenen ab. Die Menschen kamen aus den Häusern, gleichermaßen erschreckt und erleichtert, dass es endlich vorüber war. Auf den Straßen offenbarten sich die Zerstörungen. Überall lagen Blätterfetzen, Bäume sind wie gerupft. Jalousien und Rollläden sahen aus, als ob mit Schrotflinten darauf geschossen worden wäre. In der Ortsmitte hieß es kurze Zeit "Land unter". Laub hatte die Kanalisationseinläufe verstopft. Das Wasser schoss 25 Zentimeter hoch durch die neu sanierte Haigerlocher Straße. Dort und im tiefer gelegenen Mühlweg liefen Keller mit Oberflächenwasser voll. Außerdem drückte Wasser aus dem überlasteten Kanal in die Häuser. Doch nicht nur die tiefer gelegenen Straßenzüge im Ortskern oder in den Weiden sind betroffen. Auch in den deutlich höher gelegenen Wohngebieten wie im Fleischäcker boten sich ähnliche Bilder. Das Wasser war in Sturzbächen von Hängen in die Gärten gelaufen und hatte Kelleraufgänge und die dazugehörigen Kellerräume geflutet. Schwer getroffen wurde die Haigerlocher Straße. "Jetzt wohne ich 45 Jahre hier und hatte noch nie Wasser im Keller", sagte Doris Laufer. Auch andere ältere Rangendinger können sich nicht daran erinnern, ein ähnlich schweres Gewitter schon mal erlebt zu haben. An der katholischen Galluskirche hatten die Windböen Ziegel von den Dächern gerissen. "Das ist exakt dieselbe Stelle wie beim Orkan Lothar", sagte Pfarrer Norbert Dilger. Mit Hilfe der Drehleiter der Feuerwehr Hechingen wurde der Schaden am Kirchendach behoben.

Betroffen, wenngleich nach bisherigem Stand der Informationen weitaus weniger stark, waren auch andere Städte und Gemeinden im nordwestlichen Kreisgebiet. Einsätze fuhren die Feuerwehren in Grosselfingen, Owingen, Hart und Haigerloch. Laut Kreisbrandmeister Stefan Hermann liefen auch dort Keller voll und wurden Dächer abgedeckt. Allerdings blieben die Schäden durch Hagel und Sturm im Vergleich zu Rangendingen eher gering. Einige Straßen waren kurzzeitig unpassierbar, blockiert durch herabgestürzte Äste und umgeknickte Bäume.

In Hechingen fegte die Böenwalze gegen 16.30 Uhr durch die Straßen. Der Sturm blies praktisch die komplette Zeltstadt über den Haufen, die die Helfer des Ferienspielevereins Ratzgiwatz tagsüber aufgebaut hatten. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter räumten noch am selben Abend auf. Einige Zelte und Pavillons sind zerstört, der Sturm knickte die Stangen ab. Nach ersten Schätzungen erlitt der Ferienspiele-Verein einen Schaden von mehreren tausend Euro. Nichtsdestotrotz sollen die Ferienspiele mit rund 560 Kindern und 120 Betreuern heute morgen planmäßig starten. Dass möglicherweise etwas improvisiert werden müsse, sei "den Kindern sowas von egal", so Jürgen Fischer, altgedienter Ratzgiwatz-Funktionär.

Das Unwetter zog Richtung Norden ab und richtete in Tübingen und Reutlingen laut Kreisbrandmeister Hermann enorme Schäden an. Die Feuerwehren der beiden großen Städte waren vollständig ausgerückt. Ihre Kollegen von der Zollernalb schickten Verstärkung. Ein Zug aus Balingen und Albstadt besetzten dort die Feuerwache, um im Bedarfsfall ausrücken zu können. Verschont blieb Balingen. Dort fand gestern Abend das Marktplatz-Open-Air mit Tausenden von Besuchern statt. Die Gewitterfront sei an der Stadt "vorbeigeschrammt", so Hermann.