Seit diesem Monat gilt auf der B 27 bis Stuttgart Tempo 120. Foto: Ungureanu

Durchgängige Begrenzung löst Protest aus. Wer hat's erfunden? Offener Brief stellt Fragen.

Zollernalbkreis - Ab diesem Monat gilt auf der gesamten Bundesstraße 27 bis Tübingen Tempo 120 – genau wie schon bisher zwischen Tübingen und Stuttgart. Die Nachricht hatte zunächst im Internet, jetzt auch in offenen Briefen Protest ausgelöst.

Warum das?, fragt sich der Hechinger Dirk Mrotzeck. Der ehemalige FDP-Bundestagskandidat kennt sich als Leiter der Waiblinger Niederlassung des Logistikunternehmens LS International Cargo in Sachen Verkehr berufsbedingt gut aus. In einer E-Mail an Landrat Günther-Martin Pauli fragt er, inwieweit die Verkehrsgeräusche durch das Tempolimit reduziert werden sollen, wie sich die Unfallzahlen im betreffenden Abschnitt in den vergangenen Jahren entwickelt hätten, auf welcher gesetzlichen Basis die Geschwindigkeitsbegrenzung beschlossen worden sei, durch welches Gremium und mit welchem Abstimmungsergebnis.

Schon bisher habe es in beiden Richtungen "aus Gründen der Straßenführung, wegen fehlender Standspuren, Oberflächenwasser und der Häufung von Verkehrsunfällen" etliche Bereiche mit Höchstgeschwindigkeitslimit gegeben, heißt es in der Antwort von Dezernatsleiter Christoph Heneka.

Die Unteren Verkehrsbehörden der Städte Balingen und Hechingen sowie das Landratsamt hätten zusätzliche Bereiche mit Begrenzung für nötig gehalten. Zudem sei der Wechsel zwischen Abschnitten mit und ohne Tempolimit für die Autofahrer "unübersichtlich" gewesen.

Zu den Fragen Mrotzecks teilt Heneka mit: Betroffene, die in der Nähe der Bundesstraße wohnen und sich über Lärmbelästigung beklagen, würden die Lärmschutzeinrichtungen "für nicht auskömmlich erachten"; gleichwohl sei klar, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung den Geräuschpegel nicht groß senken könne. Daher diene der Lärmaspekt auch nicht der "rechtlichen Rechtfertigung der beschlossenen Geschwindigkeitsreduzierung".

Was die Unfallzahlen angehe: Allein 2014 habe es bei Steinhofen 33 Unfälle gegeben, davon 17 Geschwindigkeitsbedingt. Bei einem solchen Unfallschwerpunkt komme nur ein Tempolimit in Betracht. Und was dir rechtliche Basis angeht: Solche Maßnahmen würden von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde erlassen, und zwar aufgrund von Paragraph 45 der Verkehrsordnung. Es handle sich also um keine Gremienentscheidung; die damit befassten Unteren Verwaltungsbehörden hätten sich dabei mit der übergeordneten Behörde fachlich abgestimmt.

Mit den "Unteren Verwaltungsbehörden" und der "übergeordneten Stelle" will sich Mrotzeck nicht zufrieden geben. "Wer hat entschieden, dass die Tempobegrenzung auf 120 eingeführt wird?", fragt er in einer weiteren E-Mail und bittet die Kreisverwaltung, ihm das entsprechende Dokument zur Verfügung zu stellen.

Anfang März habe er irritiert von einem Tempolimit auf der B 27 zwischen Balingen und Bodelshausen ab Ostern erfahren, schreibt auch der Kreissprecher der Alternative für Deutschland (AfD), Jan Hermann, an das Regierungspräsidium Tübingen und den Balinger Landrat Günther-Martin Pauli. Studien hätten belegt, dass ein Tempolimit nur zu einer geringen Senkung des Lärmpegels beitrage. Denn die Hauptverursacher seien bekanntlich die Laster. Außerdem habe man schon Einiges in die Lärmschutzwände bei Engstlatt investiert.

Für Hermann, der sich bereits auf Facebook über das Tempolimit echauffiert hatte, ist unverständlich, wie eine solche Entscheidung ohne Bürgerbeteiligung in einer "Hau-Ruck-Aktion durchgepeitscht" werden konnte.