Am Grabmal für Sternenkinder am Kindergrabfeld auf dem Balinger Friedhof legen Familien Blumen und Figuren für ihre vor der Geburt verstorbenen Kinder nieder. Foto: Erath

Krankenhausseelsorgerin berichtet über Leid der Eltern. Trauerfeier für über 100 tot geborene Kinder.

Zollernalbkreis - Wenn ein Kind unterwegs ist, ist die Freude bei den Eltern und deren Angehörige in der Regel riesengroß. Doch manchmal kommt der Tod vor der Geburt und eine ganze Familie trauert. Ulrike Erath ist Krankenhausseelsorgerin und hilft bei der Trauerbewältigung nach Fehl- und Totgeburten.

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Mehr als 100 Kinder sterben jährlich im Zollernalbkreis, bevor sie auf die Welt kommen. Am Freitag, 9. Oktober, werden die sogenannten Sternenkinder der vergangenen zwölf Monate, die vor der 24. Schwangerschaftswoche im Mutterleib gestorben sind und weniger als 500 Gramm wiegen, im Anschluss an eine Trauerfeier auf dem Balinger Friedhof gemeinsam in einer Urne beerdigt. Angehörige und alle, die sich mit dem Thema auseinandersetzen möchten, sind ohne Anmeldung ab 14 Uhr vor die Aussegnungshalle eingeladen.

Tot- und Fehlgeburten lange ein Tabuthema

Die Trauerfeier für Sternenkinder findet erst seit wenigen Jahren immer am ersten Freitag im Oktober statt. Davor waren Tot- und Fehlgeburten vielmehr ein Tabuthema in der Gesellschaft, erzählt Pastoralreferentin Ulrike Erath. Als Krankenhausseelsorgerin gestaltet sie nicht nur die Trauerfeier, sondern begleitet auch die Eltern und Familien nach dem Verlust eines Kindes – egal wie groß es beim Todeszeitpunkt gewesen ist. "Für die Familie stirbt ein Kind. Ganz gleich wie klein es noch ist", erklärt Erath, die seit 2018 Seelsorgerin am Zollernalbklinikum ist: "Daher ist die Trauer um den Verlust oft sehr groß."

Erath erzählt, dass Eltern von Sternenkindern in den vergangenen Jahren auch von Klinikseite mehr Raum für ihre Trauer bekommen haben. "Es ist nicht nur ein medizinischer Eingriff, es ist ein Embryo, der zu einem Kind herangewachsen sollte", so Erath. Das zeigt sich auch darin, dass seit 2013 ein Gesetz die Beerdigungspflicht von toten Embryos regelt, die früher meist mit dem Klinikmüll entsorgt wurden. Kommt das tote Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche auf die Welt, ist die ethische Bestattung laut Gesetz die Aufgabe der Klinik. Stirbt das Kind nach der 24. Schwangerschaftswoche und wiegt mehr als 500 Gramm, ist die Beerdigung Aufgabe der Eltern.

Eltern steht Teilnahme an Trauerfeier frei

Den Eltern, deren Sternenkinder am Freitag beigesetzt werden, steht es frei, an dieser Trauerfeier teilzunehmen. Für viele ist die Sternenkinderbeerdigung wichtig, um der Trauer ein Ventil zu geben und mit der Schwangerschaft endgültig abzuschließen und nach vorne zu schauen. Andere Paare bleiben der Feier aber auch fern. Über die Gründe kann man laut Erath nur spekulieren. Dennoch hat sie schon beobachtet, dass Eltern, die noch keine Kraft hatten, an der Beerdigung teilzunehmen, im Folgejahr stellvertretend für ihr Sternenkind zur Trauerfeier kommen. Ähnlich geht es auch Frauen, die vor vielen Jahren ein Kind verloren haben, als es diese Form der Trauerbewältigung noch nicht gegeben hat.

Erath begleitet die Eltern nach der stillen Geburt und der medizinischen Eingriffe im Krankenhaus und beerdigt als Pastoralreferentin die Kinder gemeinsam mit ihrer evangelischen Kollegin, der Bisinger Pfarrerin Gudrun Ehmann. Auch für sie ist die Trauerfeier nicht einfach. "Man spürt die große Trauer und die geplatzten Hoffnungen", sagt Erath nachdenklich. Schließlich sei eine solche Tot- oder Fehlgeburt auch für Profis aus dem Krankenhaus – Hebammen und Ärzten wie Seelsorger – immer noch eine Belastung. Dennoch merke man während der Trauerfeier auch die Liebe zwischen den Paaren, die sich gegenseitig Halt geben.

Die Trauerfeier unterscheidet sich von einer für Erwachsene. Die Liedauswahl und die Gebete beziehen sich auf die Kinder; jedes Elternpaar bekommt eine Kerze mit einem rosaroten und einem hellblauen Stern. Erath weiß, dass es viele Eltern als tröstlich empfinden, dass die Sternenkinder gemeinsam beerdigt werden und sie so auf ihrer Reise nicht allein sind. Manche Paare stehen bei der Trauerfeier abseits, wollen ganz für sich sein. Andere suchen den Kontakt zu Menschen, denen ein ähnliches Schicksal widerfahren ist.

Familien können Blumen und Figuren an Gedenkstein ablegen

An einem Gedenkstein beim Kindergrabfeld auf dem Balinger Friedhof können die Familien Blumen und Figuren für die Sternenkinder hinterlegen. Die Sammelgräber der vergangenen drei Jahre – die Jahre zuvor fand das Sternenkinderbegräbnis in Ebingen statt – sind recht kahl.

Derzeit bemühen sich die Klinikseelsorgerinnen darum, dass das Grabfeld entsprechend gestaltet wird. Erath erzählt, dass es deswegen bereits Gespräche mit der Stadt Balingen gegeben hat, seither aber nichts mehr passiert sei. "Der Platz ist für Eltern von Sternenkindern wichtig – schließlich liegen an diesem Ort hunderte kleine Menschen", sagt Erath.

Ein weiteres Angebot für trauernde Eltern geht in diesem Herbst in Hechingen an den Start. Der Treffpunkt "Ohne Dich" der Hospizgruppe Hechingen trifft sich jeden ersten Freitag in geraden Monaten in St. Luzen von 15.30 bis 17.30 Uhr. Die ersten Treffen sind am Freitag, 2. Oktober und 4. Dezember.