Eine Frau bedient einen Spielautomaten. 400 Geräte gibt es in 33 Spielhallen im Kreis. Die IHK will den Betreibern Steine aus dem Weg räumen, die Kommunen kämpfen indes gegen die Eröffnung neuer Vergnügungseinrichtungen. Foto: dpa

IHK hilft neuen Betreibern mit Bürokratieabbau. Zahl der Spielsüchtigen steigt weiter. Mit Kommentar.

Zollernalbkreis - Während die Städte und Gemeinden im Zollernalbkreis gegen die fortschreitende Ausbreitung von Spielhallen kämpfen, räumt die Industrie- und Handelskammer Reutlingen-Tübingen-Zollernalb (IHK) deren Betreibern Steine aus dem Weg.

Sich selbst auf die Schulter geklopft hat die IHK Reutlingen mit einer Pressemitteilung, in der sie bekannt gibt, was sie beim Finanz- und Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg erreicht hast: "Gute Nachrichten für neue Spielhallenbetreiber", heißt es da. Und weiter: "Sie werden künftig von bürokratischer Doppelarbeit entlastet."

Zwei Sozialkonzepte mussten Personen, die erstmals eine Spielhalle eröffnen, bisher vorlegen – eines nach Paragraph 33c der Gewerbeordnung und eines nach Paragraph sieben des Landesglücksspielgesetzes. Ein Sozialkonzept nach der Gewerbeordnung fällt – dank des Einsatzes der IHK Reutlingen – künftig weg. Als Grund für ihre Initiative gibt sie an, dass die Anforderungen an das Sozialkonzept nach dem Landesglücksspielgesetz "umfangreicher und schärfer" seien.

Mitarbeiter von Spielhallen müssen geschult werden

Wie sehen die Anforderungen aus? "Das Sozialkonzept muss nach dem aktuellen Stand der suchtwissenschaftlichen Forschung entwickelt und laufend aktualisiert werden", heißt es in Paragraph sieben. "Spielhallenbetreiber müssen darstellen, welche Maßnahmen zur Verhinderung problematischen und pathologischen Glücksspiels ergriffen werden und beschreiben, wie betroffene Spieler in ein Hilfesystem vermittelt werden." Zudem müssten die Verfasser des Konzepts ihre fachliche Qualifikation benennen und jene Personen angeben, die für die Umsetzung des Sozialkonzepts verantwortlich seien.

Ferner ist im Paragraphen vermerkt, dass Mitarbeiter von Spielhallen, die während der Arbeit direkten Kontakt mit Spielern hätten, sowie deren Vorgesetzte durch eine Einrichtung geschult werden müssten, die in der baden-württembergischen Suchthilfe tätig ist – und zwar im Abstand von höchstens drei Jahren. Ein Betreiber müsse jeweils zu Jahresbeginn seine Maßnahmen zur Umsetzung des Sozialkonzeptes darlegen und zudem Informationsmaterial der örtlichen Beratungsstellen sowie wissenschaftlich anerkannte Selbsttest zum Erkennen problematischen und pathologischen Glücksspiels gut sichtbar in der Spielhalle auslegen – ebenso wie die Anträge zur Aufnahme in die Sperrdatei.

Warum sich die IHK für Spielhallenbetreiber stark macht, erklärt deren Pressesprecher Christoph Heise: "Letztlich geht es um Bürokratieabbau", so Heise. "Auch Spielhallen sind eben Mitgliedsunternehmen für uns, denen aufgefallen ist, dass sie bisher manches doppelt tun mussten." Auch an anderer Stelle kämpfe seine Institution für weniger Bürokratie für Unternehmen, betont Heise und fügt hinzu, dass es sich auch bei Spielhallen schließlich um legale Unternehmen handle.

Gleichwohl: Im Zollernalbkreis kämpfen die Gemeinden seit Jahren gegen die Ausbreitung von Spielhallen, die stellenweise wie Pilze aus dem Boden schießen. So hat Albstadt Ende 2013 den Vergnügungssteuersatz von 17 auf 20 Prozent erhöht und 2011 einen Bebauungsplan für Tailfingen so abgeändert, dass sich keine neuen Spielhallen im Innenstadtgebiet ansiedeln dürfen. Die Stadt Balingen hat mittels Bebauungsplan die Spielhallen ins Industriegebiet Gehrn ausgelagert.

Die Zahl der entsprechenden Lokale steigt dennoch: 33 Spielhallen gibt es derzeit im Zollernalbkreis – mit nicht weniger als 400 Geräten darin.

Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die bei der Suchtberatungsstelle Hilfe in Anspruch nehmen. Waren es 2006 noch neun im Zollernalbkreis, sind 2011 bereits 57 Personen zur Beratung gekommen. 2013 zählte die Suchtberatungsstelle nach eigener Auskunft 78 Spielsüchtige – und das sind nur die bekannten Fälle. Laut Statistik sind drei Viertel der Spielsüchtigen männlich. Im Durchschnitt sind sie Mitte 30, und knapp die Hälfte von ihnen hat Schulden in einer Höhe bis zu 25 000 Euro, knapp 20 Prozent von ihnen sogar noch mehr.

Kommentar: Schäd-/nützlich

Von Karina Eyrich

"Pecunia non olet", Geld stinkt nicht, soll Kaiser Vespasian gesagt haben, um die altrömische Urinsteuer zu rechtfertigen. Und der Industrie- und Handelskammer ist es egal, ob das Gewerbe ihrer Mitgliedsfirmen der Gesellschaft nutzt oder schadet. Deshalb hat sie sich dafür eingesetzt, dass Spielhallenbetreiber künftig weniger Bürokratie zu erledigen haben, wenn sie eine Spielhallen- und eine Aufstellererlaubnis beantragen wollen.

Klar: Die IHK ist keine moralische Instanz, sondern ein Wirtschaftsverband und deshalb verpflichtet, sich für das Wohl ihrer Mitglieder einzusetzen. Auch für das Wohl jener, die einem Gewerbe nachgehen, das die Städte und Gemeinden mit allen verfügbaren Mitteln einzudämmen versuchen.

Grundsätzlich verwerflich ist das nicht. Allerdings bleibt ein G’schmäckle. Da hätte es vielleicht Dringenderes zu erledigen gegeben.