Zollernalbkreis - Ein seltener Gast hat sich diese Woche in den Wäldern im Kreis herumgetrieben: Luchs Friedl hat auf der Durchreise Station in Bisingen-Thanheim gemacht.

"Das hat’s hier noch nie gegeben", sagt Jagdpächter Josef Fritz aus Grosselfingen begeistert. In seinem Revier ist Anfang dieser Woche der Luchs Friedl aufgetaucht. Namentlich bekannt ist die Raubkatze, weil sie im April von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) mit einem Peilsender ausgestattet wurde.

Seither ist der junge Luchs im Land unterwegs – und seit Neuestem auch im Zollernalbkreis. Laut Auskunft von Luchsexperte Micha Herdtfelder von der FVA ist Friedl etwa drei Jahre alt. Durch den GPS-Sender am Halsband ist Friedls Reise auf 30 Meter genau nachverfolgbar. Forstdirektor Hermann Schmidt weiß daher, wie der Luchs nach Thanheim gekommen ist: "Friedl ist vom Schwarzwald über die Alb nach Ulm gewandert und von dort wieder in Richtung Stuttgart, dann ist er weiter über Salmendingen und Thalheim und hat bei Jungingen und Schlatt die B 32 überquert." Dann ist der Luchs oberhalb von Thanheim aufgetaucht.

Als über die Sendersignale deutlich wurde, dass der Luchs sich mehrere Tage in dem Bisinger Revier aufhält, machten sich Mitarbeiter Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA) mit Forstdirektor Schmidt und Jagdpächter Fritz auf Spurensuche – und wurden fündig. Offenbar war Friedl hungrig und hat sich im Thanheimer Wald ein Rehkitz genehmigt. "Den Rest essen dann meistens Füchse, das heißt, von dem Kitz war nicht mehr viel übrig", so Schmidt.

Gesehen hat den Luchs bisher niemand. "Luchse sind scheu", sagt Schmidt, "und für Menschen und Hunde absolut harmlos." Auch Schafhalter müssten sich keine Sorgen machen, denn "bisher hat sich der Luchs anständig verhalten". Es sei erfreulich, wenn eine hier ausgestorbene Tierart wieder einwandere, betont Schmidt. "Die Jäger sind natürlich alle begeistert und wollen jetzt ihre Fotoapparate mit auf die Jagd nehmen."

"Der junge Luchs ist allein unterwegs und vermutlich auf der Suche nach einer Luchsdame", sagt Schmidt. Sollte er die nicht finden, könne es sein, dass wieder in die Schweiz zurückkehrt, wo er ursprünglich gelebt hat. "Wir hoffen, dass er alles unbeschadet übersteht und nicht überfahren wird", sagt der Forstdirektor. Inzwischen ist Friedl auf dem Weg nach Süden.

Durch den Peilsender erhoffen sich die Wildexperten Informationen über das Verhalten der seltenen Raubkatzen. "Luchse lösen sehr unterschiedliche Reaktionen aus", sagt Micha Herdtfelder von der Freiburger Forschungsanstalt. Spaziergänger seien verunsichert, Jäger hätten Angst, dass die Jagd durch Anwesenheit des Luchses erschwert wird. Diese Sorgen seien aber unbegründet. Um den Luchs zu schützen, wird der aktuelle Standort des Tieres von der FVA nicht herausgegeben.

Info: Luchse

Luchse erreichen etwa die Größe eines Schäferhundes, haben einen kurzen Schwanz und charakteristische Ohrpinsel. In ihrem Streifgebiet von bis zu 300 Quadratkilometer erbeuten sie hauptsächlich Rehe und Gämsen, gelegentlich auch Füchse und andere Säugetiere. Übergriffe auf Nutztiere werden durch private Verbände entschädigt. Dem Menschen gegenüber zeigt sich der Luchs äußerst selten. Kommt es zu einer Begegnung, so zieht sich der Luchs schnell zurück. Hinweise auf Luchse nimmt die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt unter Telefon 0761/4 01 82 74 entgegen.