Zollernalbkreis - Spannung bis zur Auszählung des letzten Wahllokals: Mit gerade einmal 311 Stimmen Vorsprung vor den bärenstarken Grünen hat die CDU im Wahlkreis Balingen das Direktmandat verteidigt. Nicole Hoffmeister-Kraut zieht in den Landtag ein – und neben ihr AfD-Mann Stefan Herre.

Von Jubel über Zittern bis Niedergeschlagenheit – auf den Wahlpartys der Parteien herrschten die unterschiedlichsten Stimmungen.

CDU

Die Christdemokraten um Kandidatin Nicole Hoffmeister-Kraut waren im Bizerba-Restaurant Waagschale in Balingen zunächst guter Dinge – bis die Landesprognose und dann die ersten Ergebnisse aus dem Wahlkreis eintrudelten. Bestürzung, Fassungslosigkeit und Sorge standen in den Gesichtern geschrieben. Mitunter lagen die Grünen während der Auszählung vor der CDU. Erst ganz am Schluss stand fest, dass Hoffmeister-Kraut das so sicher geglaubte Direktmandat verteidigt hatte. Erleichterung machte sich breit, es wurde gejubelt. Zweitkandidat Roland Tralmer sprach von einem "Fotofinish". Hoffmeister-Kraut meinte, sie habe nicht gedacht, dass es so eng werden würde. Gleichwohl sei sie aufgrund der starken Arbeit der CDU im Wahlkampf nun motiviert und voller Vorfreude auf die Arbeit als Abgeordnete im Landtag. Sorge bereite ihr das gute Abschneiden der AfD.

Grüne

Von einem "historischen Ergebnis für die Grünen" im Wahlkreis Balingen spricht deren Kandidat Erwin Feucht. Schwarz und Grün fast gleichauf, 29,4 zu 29,0 Prozent – der Wahlkampf habe sich gelohnt. Enthusiastisch feierten die Anhänger der Grünen im völlig überfüllten Bistro des Ebinger Kunst-Werk-Hauses.

Spannung machte sich breit, als die ersten Ergebnisse aus dem Wahlkreis eintrudelten und sich ein knappes Rennen zwischen Schwarz und Grün abzeichnete. Jubelrufe wurden laut angesichts der Tatsache, dass die Grünen in einigen Orten die CDU überflügelt hatten. Alle witterten eine Sensation – doch dazu kam es am Ende nicht. Feucht ist dennoch zufrieden mit seinem Resultat. Er sieht das als Belohnung der Politik des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

AfD

"Ein absolutes Top-Ergebnis": So bewertet der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Herre das Abschneiden seiner Partei im Wahlkreis Balingen – aus dem Stand 18,1 Prozent und damit das Zweitmandat für ihn persönlich. Herre feierte auf der Wahlparty der AfD in Stuttgart. "Ich bin hoch zufrieden. Wir haben im Land an die 15 Prozent geholt. Vor der Wahl habe ich gesagt, zwölf Prozent und ein wenig mehr, das wäre toll." "Wir haben stark gekämpft", sagt Herre weiter und betont, dass man im hiesigen Wahlkreis in jedes Haus einen Flyer gesteckt habe. Welche Schwerpunkte er im Landtag beackern will? "Das müssen wir in der Fraktion zuerst einmal besprechen." Herre verweist aufs Wahlprogramm und nennt vor allem die Einwanderungspolitik, den Abbau der Bürokratie und die Energiepolitik.

SPD

Umgeben von ihren Kindern, Enkeln und einer kleinen Schar Genossen erfuhr die SPD-Kandidatin Angela Godawa die erste Hochrechnung und später das vorläufige Endergebnis – einstellig, magere 9,9 Prozent. Sie sei "betrübt und riesig enttäuscht", sagte Godawa, vor allem nachdem Hans-Martin Haller 15 Jahre lang eine gute Politik für die Region gemacht habe. Es sei aber immer schwer gewesen, in diesem Wahlkreis das Mandat zu halten. Die gute inhaltliche Arbeit der SPD im Land sei durch das Thema Flüchtlinge überdeckt worden, das wenig mit der Landespolitik zu tun habe: "Diese Wahlniederlage haben wir nicht verdient", so Godawa.

FDP

Was das FDP-Ergebnis angeht, so ist Landtagskandidat Dirk Egger aus Meßstetten "super zufrieden, denn wir ziehen gestärkt in den Landtag ein. Das freut mich sehr, wenn es für mich persönlich auch ein kleiner Wermutstropfen ist, nicht dabei zu sein. Das ist schade, aber das Gesamtergebnis passt". Dass die Freien Demokraten "klare Inhalte definiert" hätten, etwa in den Bereichen Bildungs- und Infrastrukturpolitik, habe der Wähler belohnt, freut sich Egger. "Viele haben mir gesagt, dass die FDP noch die einzig wählbare Alternative für Demokraten ist", berichtet Egger und folgert: "Wir sind auch dafür belohnt worden, dass wir gute Oppositionspolitik gemacht haben und nicht einfach nur dagegen waren."

Linke

"Das ist natürlich enttäuschend auf ganzer Linie", sagt Andreas Hauser, Kandidat der Linken im Wahlkreis Balingen. Das Ergebnis seiner Partei nannte er "katastrophal". Woran dies liegt, vermochte er noch nicht zu sagen. "Wir hatten die Hoffnung, dass die soziale Komponente mindestens fünf Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung betrifft und interessiert und haben somit gehofft, dass wir diese Hürde knacken. Dass wir so abgestraft werden, das ist schon eine schwer verdauliche Kost." Das Ergebnis im Wahlkreis – 2,3 Prozent – empfindet Hauser auch persönlich als Enttäuschung.

Kommentar: Wahlbeben

Von Steffen Maier

Was für ein Ergebnis im Wahlkreis Balingen! Wer hätte gedacht, dass CDU und Grüne Kopf an Kopf um den Sieg ringen? Wer hätte das desaströse Abschneiden der SPD für möglich gehalten? Und wer hätte der AfD zugetraut, aus dem Stand 18 Prozent zu holen? Die Wähler haben gesprochen, für den Wahlkreis bedeutet das ein Erdbeben. Sicher: Die CDU bleibt stärkste Kraft, Nicole Hoffmeister-Kraut musste aber gehörig Federn lassen. Die Grünen können im Vergleich zu 2011 nochmals kräftig zulegen – das zeigt, dass sie auch im ländlichen Raum immer stärkere Wurzeln schlagen. Die SPD mit Angela Godawa verliert massiv – und außerdem das Zweitmandat. Dieses sichert sich AfD-Mann Herre. Der Wahlkreis wird also wie bisher von zwei Abgeordneten in Stuttgart vertreten. Beide, Hoffmeister-Kraut wie Herre, sind neue Gesichter. Eine wahre Zeitenwende.