Mit seinem Akkordeon und bekannten Liedern lädt Jens Neher via Facebook zum "Corona-Singen" ein. Foto: Dillmann

Musiker Jens Neher bringt Geselligkeit ins soziale Netzwerk. 170 Teilnehmer aus ganz Europa.

Zollernalbkreis - Vor Kurzem noch war das Schwabenland von buntem, geselligem Treiben erfüllt. Davon ist heute keine Spur mehr. Das Coronavirus hat den Alltag eingenommen und die Menschen voneinander isoliert. Unter dem Motto "Jeder von zu Hause aus, aber keiner allein" bringt Musiker Jens Neher Geselligkeit in die Isolation.

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Jeden Dienstag und Freitag heißt es um 19 Uhr "Wir singen zusammen". Jens Neher packt sein Akkordeon aus und startet live auf Facebook. Jeder kann daran teilhaben.

Das erste "Wir singen zusammen" fand am Freitag statt. Die 170 Teilnehmer kamen größtenteils aus dem Zollernalbkreis. Es fanden sich aber auch Interessierte aus Frankreich, Holland, Südtirol und Slowenien.

Einklinken kann sich jeder, der der Facebook-Seite "Musikschule Jens Neher" folgt oder an der Facebook-Veranstaltung "Wir singen zusammen" teilnimmt. Sobald die Sessions starten, werden die Nutzer von Facebook darüber informiert.

Zu sehen ist Jens Neher mit seinem Akkordeon, der singt und unterhält. Die Teilnehmenden können währenddessen kommentieren, mitsingen oder auch auf dem eigenen Instrument mitspielen. Vorab postet Neher Liedtexte und YouTube-Links der ausgewählten Stücke.

Geboten ist ein bunt gemischtes Programm. Darunter sind vor allem deutschsprachige Hits aus Schlager- und Volksmusik. Musikwünsche können auch geäußert werden. Das Video des ersten "Wir singen zusammen" hat inzwischen schon 4340 Aufrufe und 190 positive Reaktionen sowie 440 Kommentare.

Vielen fehlt das gemeinsame Singen

Am Dienstagabend startete bereits die zweite Runde. Das gemeinsame Singen wird voraussichtlich so lange dienstags und freitags stattfinden, wie die Corona-Krise anhält. Ideengeber war Michael Eberle, dem das Textilunternehmen "Einfach anziehend" in Dietingen gehört. Er selbst ist Schlagzeuger im örtlichen Musikverein. Nachdem das Vereinsleben eingestellt wurde, äußerten viele Leute ihm gegenüber, dass ihnen das Singen fehle. Außerdem unterstützen Ewald und Manuela Restle die Aktion. Aufgrund der Corona-Krise mussten sie das Pfullendorfer "Musikprob Brass Festival" absagen.

Zur Aufmunterung stimmten alle Blasmusiker bei der ersten Session gemeinsam "Die böhmische Liebe" an. "Es ist ein bewegendes Erlebnis", bemerkte Initiator Neher, "keiner hört den anderen, aber jeder spürt, dass die anderen da sind."

Auch Unterricht erfolgt übers Internet

Dem Musiker geht es, wie er sagt, vor allem darum, die Krise einfach mal für eine Stunde vergessen zu können und stattdessen das Gefühl von Geselligkeit zu genießen.

Schon seit mehr als einer Woche gibt er die Unterrichtsstunden in seiner Musikschule online über Skype oder WhatsApp-Call. Von den Schülern wird dieses Angebot dankend angenommen. "Ich denke, dass die Welt nach Corona eine andere sein wird", sagte der Musiker. Aus seiner Sicht habe die Krise zwei Seiten: "Wir werden die sozialen Kontakte und Freundschaften umso mehr zu schätzen wissen. Auf der anderen Seite werden wir mit Video-Konferenzen und Ähnlichem viel natürlicher umgehen."

Dabei könne jedoch nichts den persönlichen Kontakt ersetzen, unterstrich Neher. Er spiele mit dem Gedanken, nach der Krise ein Fest für alle zu veranstalten, die Teil von "Wir singen zusammen" waren. "Vorerst ist das aber nur eine Idee", fügte er an. "Fürs Erste sollten wir den Warnschuss des Lebens hören und uns Zeit für die wirklich wichtigen Dinge nehmen."