Als Kandidat wollen die beiden Kreisverbände Fiechtner loswerden, am Donnerstag soll in Ebingen ein neuer Kandidat anstelle des Stuttgarters nominiert werden. Foto: dpa

Kandidatennominierung beschäftigt mittlerweile Landgericht Stuttgart. Neuwahl soll wie geplant stattfinden.

Zollernalbkreis - Die Nominierung eines Kandidaten für die Bundestagswahl im Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen droht die AfD ins Chaos zu stürzen. Zugleich stellt sich mit dem Vorgang die Frage nach der inneren Verfasstheit der Partei – und er wirft ein Schlaglicht darauf, wie es die AfD mit dem Rechtsstaat hält.

Die beiden Kreisverbände Zollernalb und Sigmaringen wollen sich am Mittwoch in der Tailfinger Zollern-Alb-Halle auf den Bundestagswahlkampf einstimmen. Mit dem baden-württembergischen Landessprecher Marc Jongen, dessen Stellvertreter Martin Hess sowie dem hiesigen Landtagsabgeordneten Stefan Herre sind von 19 Uhr an prominente AfD-Vertreter dabei. Nicht mit dabei ist dagegen der im Januar als Kandidat für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen nominierte Stuttgarter Mediziner Heinrich Fiechtner. In der AfD findet man das gar nicht so verkehrt. Als Kandidat wollen die beiden Kreisverbände Fiechtner loswerden, am Donnerstag soll in Ebingen ein neuer Kandidat anstelle des Stuttgarters nominiert werden.

Die beiden AfD-Kreisverbände sind guten Mutes, dass das klappt. Dass sie den nominierten Fiechtner einfach so wieder abwählen und einen neuen Kandidaten aufstellen können. Fiechtner aber lässt sich nicht so leicht weggrätschen – und wie es aussieht, wird die AfD ihn als mittlerweile in Ungnade gefallenen Kandidaten auch nicht ganz so einfach wieder los, wie sich die beiden Kreisverbände das gedacht hatten.

Über seinen Anwalt Reinhard Löffler hat Fiechtner am Landgericht Stuttgart eine einstweilige Verfügung beantragt mit dem Ziel, die erneute Nominierungsversammlung zu verhindern. Das Gericht entscheidet in der Sache (Aktenzeichen 21 O 211/17) wohl am Mittwoch, hat aber gegenüber Löffler bereits eine sogenannte vorläufige Rechtsauffassung geäußert, die, das zeigt laut Löffler die Erfahrung, in den allermeisten Fällen auch die endgültige ist.

Demnach ist die Nominierung Fiechtners im Januar zum Kandidaten des hiesigen Wahlkreises, anders als es das Landesschiedsgericht der Partei festgestellt hat, formal korrekt gelaufen. Insbesondere seien die Einladungsfristen, wie von einem Mitglied moniert, eingehalten worden. Fiechtner ist demzufolge der gewählte Kandidat. Eine erneute Nominierungsversammlung, wie sie für Donnerstag geplant ist, hat dasLandgericht nicht ausdrücklich untersagt – allerdings klargestellt, dass die Nominierung eines anderen Kandidaten wohl mit erheblichen Rechtsproblemen belastet wäre.

"Partei muss lernen, wie Rechtsstaat funktioniert"

Rechtsanwalt Löffler hält das für eine "starke Vorfestlegung", ganz im Sinne seines Mandanten. Für die AfD-Kreisverbände Zollernalb und Sigmaringen bedeute diese vorläufige Rechtsauffassung, die aller Voraussicht nach durch den Erlass einer entsprechenden Verfügung bestätigt werde, eine "schallende Ohrfeige". Fiechtner hat zudem das Bundesschiedsgericht seiner Partei angerufen, nachdem er es zuvor, wie er sagt, vergeblich beim Landesschiedsgericht versucht hatte. Löffler hofft bei den Verantwortlichen der beiden AfD-Kreisverbände – dem Landtagsabegordneten Stefan Herre (Zollernalb) und Andrea Zürcher (Sigmaringen), auf einen positiven Effekt: "Die AfD", sagt Löffler, "muss lernen, wie der Rechtsstaat funktioniert."

Dieser Lernprozess, das zeigen Aussagen, steht offenbar noch sehr am Anfang. Andrea Zürcher, die stellvertretende Vorsitzende des AfD-Kreisverbands Sigmaringen, sagte gegenüber unserer Zeitung, dass das Landgericht Stuttgart ihrer Meinung nach für den "Fall Fiechtner" überhaupt nicht zuständig sei: Das Gericht dürfe sich "nicht in innerparteiliche Angelegenheiten einmischen". Das Landgericht könne gerne über den von Fiechtner gestellten Antrag auf einstweilige Verfügung entscheiden, aber diese Entscheidung, sagt die AfD-Funktionärin, "hat für uns keine Bedeutung". Fiechtners Anwalt Löffler wertet das als "Rechtsauffassung einer Mohrrübe".

Kreiswahlleiterin: "absoluter Ausnahmefall"

Trotz der Bedenken, die der Stuttgarter Richter mit Blick auf eine neuerliche Nominierung geäußert hat, soll diese nach Angaben von Andrea Zürcher am Donnerstagabend im Ebinger Brauhaus wie geplant vollzogen werden.

Ohnehin, so stellt Zürcher es nun dar, sei Fiechtner im Januar dieses Jahres gar nicht nominiert worden. Vielmehr handele es sich um einen "Wahlvorschlag", der erst dann rechtskräftig werde, wenn er beim Kreiswahlamt abgegeben worden sei. Genau das sei aber bislang nicht geschehen – also dürfe die AfD Fiechtner wieder abwählen und, "so oft wir wollen", neue Kandidaten wählen.

Die beiden Kreisverbände stecken wegen des ganzen Vorgang in einem gehörigen Dilemma – und sie stehen unter Zeitdruck: Am 17. Juli, 18 Uhr, endet die Einreichungsfrist für die Kreiswahlvorschläge. Angesichts der Querelen ist offen, ob die AfD im hiesigen Wahlkreis überhaupt einen Kandidaten präsentieren wird.

Ein waches Auge auf den Vorgang hat mittlerweile die Kreiswahlleiterin Cornelia Staab. Dass eine Partei einen nominierten Kandidaten wieder loswerden will, bezeichnet Staab als "absoluten Ausnahmefall". Wenn die AfD einen Wahlvorschlag einreiche, werde man diesen genau anschauen und gegebenenfalls Rücksprache mit der Landeswahlleiterin halten.

Die Sigmaringer AfD-Frau Andrea Zürcher sagte am Dienstag zudem, dass ihr mittlerweile kein Kandidat fast schon lieber wäre als ein Kandidat namens Fiechtner. Dieser habe durch seine "beleidigenden Äußerungen" und durch sein "parteischädigendes Verhalten" das Vertrauen und den Rückhalt der Basis verloren. Für Fiechtner würde sich, so Zürcher, im Wahlkampf niemand engagieren.

Es ist erst ein halbes Jahr her, da wurde Fiechtner von den hiesigen AfDlern nach der Nominierungsversamlung in den höchsten Tönen als idealer Kandidat gelobt. Für den Wahlkreis hatte ihn der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Herre vorgeschlagen.

Dem "CDU-Platzhirsch" Thomas Bareiß sollte der Stuttgarter, das war der Plan, ordentlich Paroli bieten. Es kam ganz anders: Mittlerweile bekämpfen sich allein Fiechtner und die AfD nach Kräften.