Mit dem Gefangenen-Transporter ist der 37-jährige Angeklagte zur Gerichtsverhandlung gebracht worden. Seit einem halben Jahr sitzt er in U-Haft. Foto: Ungureanu

21-jähriger Deutscher und 37-jähriger Italiener vor Gericht. Angeklagte legen Geständnisse ab.

Hechingen/Balingen/Albstadt - Ihnen wird vorgeworfen, Cannabis kiloweise erworben, gebunkert und verkauft zu haben: Vor dem Hechinger Landgericht müssen sich ein 21-jähriger Deutscher und ein 37-jähriger Italiener dafür verantworten. Die Angeklagten, die seit einem halben Jahr in U-Haft sitzen, haben am ersten Verhandlungstag umfassende Geständnisse abgelegt.

Beide räumen ein, schon früh Gras konsumiert zu haben. Mit 15 habe er zum ersten Mal geraucht, sagt der 21-Jährige. Ab dem 17. Lebensjahr regelmäßig, bis zu fünf Gramm Cannabis am Tag. Er habe auch Erfahrungen mit Pilzen, LSD, Heroin und Kokain gemacht. "Es hat geholfen, den Kopf frei zu kriegen und positiver zu denken", sagte er. Mit 16 habe er zum ersten Mal Gras geraucht, sagt der 37-Jährige. Bis zu fünf Gramm am Tag. Ab dann sei er dabei geblieben: "Mit Marihuana war alles einfacher für mich."

Beide Angeklagten hatten keine einfache Kindheit. Die Eltern des jungen Deutschen trennten sich, der Vater begann den Jungen zu schlagen, weil der "nicht gut genug in der Schule" war. Der Junge zog zur Mutter, die er als "liebevoll, aber total überfordert" beschrieb. Er ging zurück zum Vater, von dort in eine Wohngruppe im Diasporahaus, danach in eine WG mit einem Kumpel, vorübergehend auch zu einer Freundin, schließlich zurück zur Mutter.

Der Italiener war mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen, da war er gerade mal ein Jahr alt. Mit sechs gaben ihn die Eltern in ein Kloster in Italien, mit zwölf kam er nach Deutschland zurück, schaffte den Hauptschulabschluss, begann eine Lehre zum Industriemechaniker, brach ab, begann eine Ausbildung als Stuckateur, brach erneut ab, wurde wiederholt straffällig.

Schimmel-Stoff entsorgt: Kumpel bittet zur Kasse

Wie es zu dem Handel in großem Stil gekommen war? Der junge Deutsche hatte seinerzeit, in der WG, einen Italiener namens F. kennengelernt, der ein Stockwerk tiefer wohnte. F. habe kaum Deutsch gesprochen, er habe ihm nach und nach Deutsch beigebracht. "Ich dachte, er sei mein bester Freund", sagte der 21-Jährige vor Gericht. Darum habe er sich auch breit schlagen lassen, als F. eines Tages mit zwei weiteren Männern vor der Tür stand und ihn bat, 16 Kilogramm Marihuana zu "bunkern".

Das Zeug sei nicht besonders gut gewesen, es habe schon nach einer Woche begonnen zu schimmeln. Dummerweise habe er die verschimmelten Blüten "herausgepickt" und entsorgt – am Ende fehlten zwei Kilo, er stand bei Kumpel F. mit 8000 Euro in der Kreide. Als "Wiedergutmachung" schlug ihm F. vor, Cannabis-Lieferungen von Innsbruck nach Albstadt zu übernehmen – zwischen 1,5 und 3,5 Kilogramm, per Flixbus, im Koffer. Das tat er – in ein, zwei Fällen auch für den mitangeklagten 37-Jährigen, der das Zeug zu 60 Prozent weiter verhökerte und zu 40 Prozent konsumierte.

Er hätte es wohl weiterhin getan, sagte der 21-Jährige. Denn F. habe ihm versprochen, ihm für jedes Kilogramm, das er nach Deutschland brachte, 100 Euro von seinen Schulden zu erlassen. 500 Gramm habe er selbst von jeder Lieferung zum Weiterverkauf bekommen. In 2,5-Gramm-Päckchen habe er den Stoff an seine Kundschaft gebracht – aber nie, wie er versichert, an Minderjährige.

Zur zuletzt geplanten Kurierfahrt im Januar 2018 kam es nicht mehr: F. ging den österreichschen Ermittlern ins Netz und sitzt seither dort hinter Gittern. Die Restschulden für das entsorgte Schimmel-Gras bezifferte der 21-Jährige auf 5500 Euro.

Zu dem Mann, der am Bahnhof in Albstadt den Koffer in Empfang nahm, wollte er keine Angaben machen. Das habe F. stets geregelt, sagte er. Den mysteriösen "Zio" aus Italien, der F. in Österreich mit größeren Mengen des Stoffs versorgt haben soll, habe er nie getroffen.

Die Verhandlung wird am Montag, 15. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt. Dann soll der in Österreich inhaftierte F. per Videokonferenz zugeschaltet werden.