Unter anderem stehen Stefan Räpple, Doris von Sayn-Wittgenstein und Christina Baum auf der Rednerliste. Foto: dpa

Ulm wehrt Veranstaltung mit Hilfe des Gerichts ab. Themen sind Parteiausschlüsse und Verfassungsschutz.

Burladingen - Was man in Ulm, ja selbst in der AfD nicht wollte, kommt jetzt nach Burladingen: Unter der Überschrift "Alternativ bleiben" wollen sich die harten Rechtsausleger der Partei am kommenden Samstag, 9. Februar, in der Fehlastadt treffen. Wo, das halten sie noch geheim. Zutritt gibt es nur auf persönliche Einladung und nach Anmeldung.

Es werde um die Themen Parteiausschlüsse und Überwachung durch den Verfassungsschutz gehen, wie es in einer Online-Veröffentlichung heißt. Die "Dialogveranstaltung", wie sie in den Internetforen der AfD bezeichnet wird, wollten die Ulmer Stadtverwaltung und der Erste Bürgermeister Martin Bendel im Bürgerzentrum Eselsberg nicht haben. Für ihn sei das keine Partei- sondern eine "Privatveranstaltung einzelner AfD-Mitglieder", ließ Bendel sich zitieren.

Die Anfrage für die Belegung des Eselsbergs kam von dem Ulmer Kreisverbandssprecher und AfD-Landtagsabgeordneten Eugen Ciresa. Jener wollte die Ablehnung nicht hinnehmen und zog namens des Kreisverbandes Ulm/Alb-Donau vor das Sigmaringer Verwaltungsgericht. Der zuständige Richter lehnte den Eilantrag ab und gab der Stadt Ulm am Montag Recht.

Die Begründung: Der Rechtsanwalt, der die AfD vertreten sollte, konnte keine Vollmacht vorlegen, teilte das Verwaltungsgericht Sigmaringen auf seiner Internetseite mit. Wörtlich heißt es da: "Zur Begründung führt das Gericht aus, die Anträge seien unzulässig, weil der den Prozess führende Rechtsanwalt seine Vollmacht nicht nachgewiesen habe. Damit seien die Anträge nicht wirksam gestellt."

Nun laden die AfD-Rechtsausleger nach Burladingen ein. Im Internet können sie dem neuen Veranstaltungsort, vermutlich der Burladinger Stadthalle, gar noch etwas Gutes abgewinnen: Der neue Treffpunkt sei zwar mit Mehrkosten verbunden und mache es notwendig, zehn Euro Eintritt pro Person zu nehmen. "Positiv ist allerdings, dass die neue Veranstaltungsräumlichkeit mehr Gäste zulässt und somit für die bisher bereits ausgebuchte Veranstaltung weitere Anmeldungen angenommen werden können. Die hochkarätige Besetzung unserer Dialogveranstaltung bleibt unverändert", heißt es in einem der AfD-nahen Profile im Netzwerk Facebook.

Teilnehmer sind teils so radikal, dass die Partei selbst sie loswerden will

Tatsächlich stehen auf der Rednerliste vor allem Vertreter des ultrarechten Flügels aus dem ganzen Bundesgebiet. Teilweise sind diese so radikal, dass selbst die AfD Parteiausschlussverfahren gegen den einen oder anderen betrieb und durchsetzte. Der Großteil der Sprecher gehört wohl deshalb auch zu den Erstunterzeichnern des sogenannten "Stuttgarter Aufrufs" vom Oktober 2018. In dem wehren sich die Unterzeichner gegen "das lähmende Gift jener, die sich als Mitstreiter ausgeben" oder gegen jene, die bereit seien, "verdiente Mitglieder zu opfern", indem sie deren Parteiausschluss beantragen.

Schirmherrin der Veranstaltung, die jetzt in Burladingen stattfinden soll, ist die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum aus dem Main-Tauber-Kreis. Sie wird zum deutschnationalen Flügel der Partei gezählt und geriet vor einigen Monaten in die Schlagzeilen, weil ein Mitarbeiter ihres Stuttgarter Büros, Marcel C., anscheinend 2009 als Organisator zu einer Schulung des Landesverbandes der JN, der Jugendorganisation der NPD, eingeladen hatte. Der Politikwissenschaftler soll in seiner Studienzeit Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania gewesen sein.

Offen rechtsradikal sind Äußerungen, die der 29-Jährige auf einem Facebook-Profil als "Marcel Montana" publiziert haben soll: Dort gratulierte er dem norwegischen Rechtsextremisten und Massenmörder Anders Behring Breivik. Er hat am selben Tag wie Marcel C. Geburtstag.

In Burladingen mit von der Partie ist auch Doris von Sayn-Wittgenstein, ehemals schleswig-holsteinische AfD-Landesvorsitzende. Die hatte vor einigen Monaten ihren Rücktritt von diesem Amt erklärt, nachdem Mitte Dezember der AfD-Bundesvorstand ein Parteiausschlussverfahren gegen sie beschlossen hatte. Grund waren "mutmaßlich strafrechtlich relevante Vorgänge". Sayn-Wittgenstein wurde vorgeworfen, den vom Verfassungsschutz Thüringen als rechtsextremistisch eingestuften Verein Gedächtnisstätte unterstützt zu haben.

Neben ihr auf der Burladinger Rednerliste findet sich auch Jessica Bießmann, die 2016 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin als Direktkandidatin der AfD gewählt wurde. Im Oktober 2018 leitete der Berliner Landesverband der AfD ein Parteiausschlussverfahren gegen Bießmann ein. Zuvor hatte ein Twitter-Nutzer auf alte Fotos bei Myspace hingewiesen, auf denen die Abgeordnete vor einem Regal posierte, auf dem Weinflaschen mit Hitler-Etiketten ("Führerwein") standen. Die Fotos, so rechtfertigte sie sich damals, seien zehn Jahre zuvor in der Wohnung eines Freundes entstanden. Zu diesem bestehe kein Kontakt mehr und die Flaschen habe sie damals nicht bemerkt.

Christiane Christensen, die ebenfalls für Samstag in Burladingen angekündigt ist, ist ehemalige stellvertretende Vorsitzende der AfD Rheinland-Pfalz. Der Landesverband hatte sie wegen öffentlicher Polemik, Verleumdung und Schmähkritik der Arbeit der AfD-Landespartei abgemahnt. Wegen des Vorwurfs, Christensen habe systematisch mit dem früheren NPD-Funktionär Sascha Wagner zusammengearbeitet, beschloss der Parteivorstand Rheinland Pfalz schließlich einstimmig ein Parteiausschlussverfahren. Wagner soll bei der Protestbewegung "Kandel ist überall" mitgearbeitet haben. Christensen ist Mitbegründerin dieser Gruppierung, die dem rechtspopulistischen Spektrum zugerechnet wird und sich nach der Ermordung einer 15-Jährigen in der pfälzischen Stadt gegründet hatte.

Weiter soll der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Stefan Räpple dabei sein, der erst vor wenigen Wochen für Schlagzeilen gesorgt hat, weil er nach Pöbeleien im Stuttgarter Landtag von der Polizei aus dem Parlament gebracht wurde – ein in der Geschichte des Landtags bisher einmaliger Vorgang. Bereits einen Tag zuvor, am 11. Dezember 2018, fasste die AfD Baden-Württemberg den Beschluss, gegen Räpple ein Parteiausschlussverfahren wegen Verstößen gegen die Grundsätze der Partei und wiederholten parteischädigenden Verhaltens einzuleiten.

Moderator der Veranstaltung ist Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Magazins Compact mit Sitz in Berlin. Für den Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler ist Compact ein "rechtes Querfrontmagazin" mit einer "rechtspopulistischen und antiamerikanischen Orientierung sowie einer Neigung zu verschwörungstheoretischen Argumentationsweisen".

Der AfD-Kreisverband Zollernalb hat, wie es scheint, keinerlei Probleme damit, dass die Rechtsausleger nach Burladingen kommen: Auf der Facebook-Seite wird die Ankündigung des "Veranstaltungskrachers" mit den Worten kommentiert: "Willkommen im Zollernalbkreis".