Einfahrt verboten? Die SPD-Basis entscheidet, ob sie den Weg frei macht für eine große Koalition im Bund. Alexander Maute, der SPD-Vorsitzende im Kreis, erwartet ein knappes Ergebnis. Foto: Maier

Koalitionsvertrag: SPD-Mitglieder haben Last der Entscheidung. Kreischef Alexander Maute erwartet ein knappes Ergebnis.

Zollernalbkreis - Die Partei-Chefs von CDU, CSU und SPD haben "Ja" zu einander gesagt, die große Koalition kann auf Bundesebene kommen. Doch Moment: Zuvor haben alle SPD-Mitglieder das Wort. Für viele Genossen im Zollernalbkreis ist die Abstimmung zum Koalitionsvertrag eine enorme Last – mit ungewissem Ausgang.

"Mehr Demokratie wagen": Dieser berühmte Satz des ehemaligen SPD-Kanzlers Willy Brandt, sagt SPD-Kreischef Alexander Maute, beschreibe das Votum ziemlich genau, durch das die SPD-Mitglieder entweder Ja oder Nein zum Koalitionsvertrag zwischen der Union und der SPD sagen können. Maute betont das Wörtchen "wagen": Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik liege eine Entscheidung dieser Tragweite nicht allein beim Spitzenpersonal in Berlin, sondern bei den rund 500.000 Mitgliedern bundesweit. Im Zollernalbkreis sind rund 500 Genossen zur Abstimmung aufgerufen – für viele sei diese nicht ein Wagnis, sondern eine enorme Last. "Alle tun sich schwer mit der Entscheidung", sagt Maute. Durch viele Ortsvereine gehe ein Riss.

Diese Stimmung erlebt Maute tagtäglich bei Besuchen und Diskussionen in Ortsvereinen. Bisher habe er noch niemanden gesprochen, der es begrüße, dass die Basis über die Frage der Koalition mitentscheiden darf. "Ich hätte gedacht, dass das viele gut finden." Statt Euphorie herrsche aber ein großes Unbehagen. Und jeder Genosse ringe mit sich. Eine ähnliche Gefühlslage stelle er auch in anderen Kreisverbänden fest.

Dieses Ringen, dieses Hadern, dieses Zaudern rührt laut Maute gar nicht so sehr daher, dass das am Mittwoch beschlossene Regierungsprogramm, der Koalitionsvertrag, aus Sicht der Genossen unbefriedigend ist. Ob Mindestlohn, Mietrecht, Altersarmut oder Pflege – viele Anliegen der SPD seien darin enthalten, sagt Maute. Nein, viele Genossen tun sich schwer mit der großen Koalition. Zu deutlich haben sie noch vor Augen, wie die SPD nach der letzten Auflage des Bündnisses mit der Union in den Jahren 2005 bis 2009 marginalisiert wurde. Sie haben Angst, dass es nach weiteren vier Jahren mit Merkel noch schlimmer kommen könnte, dass die Partei nach einer Neuauflage der "GroKo" erneut an Bedeutung und damit Wähler verliert. Die entscheidende Frage für viele SPD-Mitglieder sei: Gewinnt das Herz oder das Hirn?

Herz würde laut Maute bedeuten: Ablehnung des Koalitionsvertrags. Hirn: Zustimmung. Zustimmung, weil die SPD Politik mitgestalten könnte, weil, wie Franz Müntefering sagte, Opposition Mist ist, und weil die Folgen einer Ablehnung für die SPD weitaus gravierender sein könnten als die einer Zustimmung. Ein Nein würde seiner Meinung nach die SPD im Kern erschüttern. Das Spitzenpersonal wäre erledigt. Es käme wohl zu Neuwahlen, mit einem möglicherweise schlechteren Ergebnis für die SPD. Schlimmer noch: Durch einen erneuten Urnengang könnten die jetzt nicht im Bundestag vertretene FDP und die Alternative für Deutschland den Sprung ins Parlament schaffen. Ganz abgesehen davon, dass die Basis kurze Zeit nach den Kommunalwahlen im Mai erneut einen Bundestagswahlkampf auf die Beine stellen müsste.

"Dieses Szenario gefällt mir ganz und gar nicht", sagt Maute. Der SPD-Kreisvoristzende selbst entscheidet deshalb mit dem Hirn, will dieses Votum aber nicht als Empfehlung verstanden wissen: "Jeder Genosse muss selbst wissen, was ihm wichtiger ist." Martin Rosemann, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Hechingen-Tübingen, geht einen Schritt weiter: Er könne der Basis die Zustimmung "nur empfehlen". Gemeinsam mit Maute stellt Rosemann den Koalitionsvertrag der SPD-Basis am Freitag nächster Woche in Hechingen in der Stadthalle Museum vor. Der Ortsverein Hechingen ist übrigens einer der wenigen, der sich schon klar positioniert hat: mit einer Resolution empfiehlt der Vorstand die Zustimmung. Ob die Mitglieder dem folgen, ist unklar.

Wie die Abstimmung der SPD-Basis ausgeht, wird in zwei Wochen klar sein. Am 14. und 15. Dezember werden die Stimmen in Berlin ausgezählt, Maute ist als Wahlhelfer hautnah im Willy-Brandt-Haus dabei. Er rechnet mit einer hohen Beteiligung der Mitglieder, "70 bis 80 Prozent". Und er erwartet ein knappes Ergebnis, am Ende "knapp dafür".