Diesen Blick soll es von der geplanten Aussichtsplattform geben – nur besser. Foto: Klormann

Viel Beton, wenig geboten: Derzeit ist der ZOB in Calw nicht gerade attraktiv. Kommt die Hesse-Bahn, wird er für Reisende jedoch mehr denn je zum Tor der Stadt. Viele Projekte sind deshalb im Gange. Doch die Uhr tickt: In rund einem Jahr muss das Wichtigste fertig sein.

Calw - Wer den ZOB in Calw kennt, der weiß: Wirklich gemütlich war es hier noch nie. Und doch gab es früher mehr: einen Kiosk, den Treffpunkt Sicher (eine Anlaufstelle zur Kriminalitätsprävention) und immerhin ein Reisezentrum der Deutschen Bahn. All das ist Geschichte. Der Treffpunkt Sicher ist seit Jahren praktisch immer unbesetzt, das Reisezentrum seit mehr als zwei Jahren dicht, vom Kiosk ist nicht mal das Häuschen geblieben.

 

Und doch: Seit Mai 2020 ist am ZOB schon einiges geschehen. Neben einer dringend nötigen Betonsanierung erhielt das Gebäude einen neuen Anstrich und auch ein neues Beleuchtungskonzept.

Aber im Zuge des Großprojekts Hermann-Hesse-Bahn soll und muss hier noch einiges geschehen. Die Überlegungen dazu laufen bereits seit längerer Zeit. Der aktuelle Stand war nun Thema im Bauausschuss der Stadt Calw. Ein Überblick.

Turm und Aufzüge

Eines der wohl dringlichsten Projekte dürfte die Aufstockung des Turms sein, in dem Fahrstühle und Treppenhaus zu den Gleisen der Kulturbahn untergebracht sind. Denn der muss um rund elf Meter erhöht werden, um auch zu den höher gelegenen Schienen der Hesse-Bahn reichen zu können. Und es wird eine lange Brücke gebraucht – doch dazu später mehr.

Im Zuge dieser Turmaufstockung werden zudem zwei weitere Maßnahmen geplant. Die erste ist ein dritter Fahrstuhl, dessen Schacht bereits vorhanden ist – und zwar auf der anderen Seite des bestehenden Treppenhauses. Dieser war ursprünglich als Gepäckaufzug gedacht, soll nun aber als schnellster Weg nach oben mit nur drei Stationen (Erdgeschoss sowie jeweils auf Höhe der beiden Gleise) ausgebaut werden. Und das barrierefrei. Doch auch "die anderen Aufzüge sind dicht dran", barrierefrei zu sein, erklärte Martin Kurz vom Büro Baldauf Architekten und Stadtplaner GmbH. Dazu fehlten jeweils nur Zentimeter.

Aussichtspunkt

Die zweite zusätzliche Maßnahme des Turmbaus könnte indes fast als Spielerei bezeichnet werden.

Doch, so Kurz, "ich meine, es sollte bei so einer Sache auch immer ein Mehrwert sein". Der wird in diesem Fall aus einer kleinen Aussichtsplattform bestehen, dem "Calwer Balkon", auf Höhe der höchsten Ebene des Turms, in Richtung der Stadt gelegen. Zugänglich entweder durch einen Weg zwischen den Aufzügen hindurch oder die zweite Tür der Fahrstühle, während die erste Richtung Bahnsteig führt.

Sperrungen

Der Turmbau zu Calw wird indes mit einigen Herausforderungen konfrontiert sein. Denn die Verhältnisse sind beengt. So soll der Baukran samt einem Teil des Materials auf der Fläche der Busbucht vor dem ehemaligen Reisezentrum Platz finden. Auch das Parkdeck vier muss zeitweise gesperrt werden, um dort weiteres Material zu lagern. Bis zu 350 Kilogramm pro Quadratmeter können hier abgeladen werden.

Eine zusätzliche Besonderheit stellt die Brücke vom Turm zu den Gleisen der Hesse-Bahn dar. Um den Betrieb der Kulturbahn so wenig wie möglich zu stören, ist vorgesehen, diesen Steg vorgefertigt und beinahe an einem Stück einzusetzen. Zu diesem Zweck wird die Kreuzung vor dem ZOB im August 2023 für ein Wochenende lang weitgehend komplett gesperrt. Ein gewaltiger Kran muss das Bauteil dann an einem bis zu 50 Meter langen Arm etwa 30 Meter in die Höhe wuchten.

Fahrzeuge leihen

Baulich deutlich weniger anspruchsvoll, dafür für Reisende interessanter dürfte das geplante Mobilitätszentrum sein, das in den Räumen des Treffpunkt Sicher unterkommen soll. Hier, so der Plan, wird die "deer GmbH", eine Tochtergesellschaft der ENCW, einen Beratungspunkt einrichten und in Sachen Carsharing beraten sowie E-Roller und, falls sich ein externer Partner findet, auch E-Bikes vermieten. Für die Mietwagen sollen im Parkhaus zusätzliche E-Ladeplätze geschaffen werden, die E-Roller sollen wiederum nur an bestimmten Stellen abgegeben werden dürfen – damit diese nicht irgendwo in der Stadt oder (noch schlimmer) einfach in der Nagold landen, wie es in anderen Städten immer wieder passiert.

Zusätzlich könnten im Mobilitätszentrum auch beispielsweise die Touristinfo oder die Verkehrsgesellschaft Bäderkreis Calw mbH (VGC) "Außenposten" einrichten.

Einkaufen

Eine Einkaufsmöglichkeit, entweder ein kleiner Laden oder ein 24-Stunden-Supermarkt (vorstellbar wie eine Art riesiger Automat), soll im einstigen DB-Reisezentrum einziehen. Dieses hatte vor mehr als zwei Jahren geschlossen, obwohl es erst 2017 vom Bahnschalter zum Reisezentrum umgebaut worden war – aus wirtschaftlichen Gründen, wie es hieß. Stattdessen war ein Videoreisezentrum für die Stadt angekündigt worden. Auf eine Nachfrage unserer Redaktion Anfang September konnte die Bahn jedoch noch immer keinen Zeitpunkt dafür nennen. Außerdem stehe ja auch noch "ein Fahrkartenautomat zur Verfügung", so die lapidare Aussage der Bahn.

Für die ehemaligen Räume gebe es dafür bereits Interessenten, die eine Einkaufsmöglichkeit schaffen würden. Die Prüfungen dieser Option sind derzeit im Gange.

Fußweg

Damit der ZOB und insbesondere die Gleise der Hesse-Bahn nicht zuletzt auch fußläufig erreichbar sind, laufen übrigens auch die Planungen für einen Weg aus Richtung des Krankenhauses weiter. Dieser soll um die am ZOB endenden Gleise herumführen. Da ein Bahnsteig aus Sicherheitsgründen aber nicht zugleich offizieller Fußweg sein darf, muss der Bahnsteig verbreitert werden, erklärte Andreas Quentin, Leiter des Fachbereichs Bauen, Planen, Verkehr bei der Stadt.

Zeitplan

Die Arbeiten für die Turmaufstockung sollen noch in diesem Jahr Mitte Dezember beginnen und bis Mitte Herbst 2023 abgeschlossen werden. Etwas später, Ende November 2023, sollen die Fahrstühle fertig sein. Für den Ausbau des Mobilitätszentrums ist der Zeitraum Ende Januar bis Ende Juni vorgesehen, für den Fußweg Richtung Krankenhaus von Anfang April bis Ende Juni. Der Bau des Bahnsteigs ist von Anfang Mai bis Ende Juli geplant. Ob und wann das DB-Reisezentrum ausgebaut wird, ist noch unklar. Da dies für den Betrieb der Hesse-Bahn aber unerheblich ist, könnte es auch später noch gemacht werden.

Die Bahn selbst übrigens soll nach offizieller Auskunft nach wie vor Ende 2023 fahren. "Das ist noch immer unser Ziel", bekräftigte Michael Stierle, Geschäftsführer des Zweckverbands Hermann-Hesse-Bahn in der Ausschusssitzung am Dienstagabend.