Durch den Krieg in der Ukraine stellt sich auch in Baden-Württemberg die Frage nach dem Zivilschutz. Ein Beispiel: Zahlreiche Sirenen im Land wurden abgebaut. Seit 2020 wird die Sireneninfrastruktur wieder gefördert. Foto: © Daniel Strautmann – stock.adobe.com

Landesinnenministerium sieht eine sehr dynamische Lage. Staatssekretär Wilfried Klenk fordert, den Zivilschutz nicht zu vergessen

Oberndorf/Stuttgart - Ein Mangel an Schutzräumen, vielerorts nicht einmal Sirenen: An zig Stellen müsste die Politik ansetzen, um für den Zivilschutz aufzustocken. Wilfried Klenk (CDU), Staatssekretär im Innenministerium, begrüßt in diesem Zusammenhang zwar, dass die Bundesregierung 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr investiere. "Diese Ankündigung hat meine volle Unterstützung." Aber: "Dabei dürfen wir freilich nicht den Zivilschutz zum Schutz der Bevölkerung vergessen." Dieser ist Aufgabe des Bundes und soll die Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren schützen. Theoretisch zumindest.

 

Ausstattung ist überaltert

Klenks Forderungen: ein deutlicher Ausbau der Ausstattung des Bevölkerungsschutzes sowie der zeitnahe Ersatz überalterter Ausstattung. Investitionen seien nötig in Notstromaggregate, moderne Fahrzeuge, Zelte, Sanitätszüge, ABC-Züge mit atomarer Messtechnik und Schutzkleidung, mobile Sanitätseinrichtungen, mobile Trinkwasseranlagen und Feldkochherde. Zudem müssten die Katastrophenschutzbehörden personell für den Zivilschutz gestärkt werden. Auch Sirenen seien als Warnmittel neben anderen Warnmethoden wieder notwendig geworden.

Auf den Angriff Russlands auf die Ukraine reagieren auch die Sicherheitsbehörden im Südwesten. Unter anderem auf Attacken im Netz ist die Polizei eingestellt: Im Kampf gegen Cyberkriminalität sei sie mit moderner Technik sowie hoch qualifiziertem Personal rund um die Uhr im Einsatz, teilt das Landesinnenministerium unserer Redaktion mit. "Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage im Russland-Ukraine-Konflikt hat der Verfassungsschutzverbund im Rahmen seiner Zuständigkeit relevante Stellen im Hinblick auf die IT-Infrastruktur sensibilisiert."

Land handelt im Auftrag des Bundes

Darüber hinaus sei der Umgang mit internationalen Krisen und deren möglichen Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Baden-Württemberg für die Polizei nicht neu: "Das haben bislang etwa der Nahost-Konflikt oder der Konflikt zwischen der Türkei und Kurden gezeigt."

In Sachen Katastrophenschutz handle das Land im Auftrag des Bundes. "Der Katastrophenschutz verfüge über leistungsfähige und landesweit flächendeckend aufgestellte Einheiten, die einsatzbereit gehalten werden.

Informationssammelstelle eingerichtet

Grundsätzlich handele es sich um eine sehr dynamische Lage, so die Ministeriumssprecherin mit Blick auf die Sicherheitslage. Die polizeilichen Sicherheitsbehörden haben demnach unter anderem exponierte Objekte der betroffenen Länder – etwa Honorarkonsulate in Stuttgart – im Blick, Einrichtungen von Ländern des Nato-Bündnisses sowie systemrelevante Infrastrukturen. Das Landeskriminalamt habe mittlerweile eine Informationssammelstelle eingerichtet und könne dadurch effektiver reagieren. Auch Versammlungslagen in diesem Zusammenhang werden beobachtet. Hier meldet das Ministerium eine Zunahme. Letztlich wird betont: "Derzeit liegen keine Hinweise auf konkrete Gefährdungserkenntnisse in Baden-Württemberg im Sachzusammenhang vor."

Info: Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands zu Speziallagen

Während die Hilfswelle für die Ukraine anrollt, werden im Südwesten erste Stimmen in Sachen Zivilschutz laut. Der Geschäftsführer des Landesfeuerwehrverbands, Gerd Zimmermann, wird deutlich: Für die Bewältigung von Speziallagen fehle es an Handlungsstrategien, sagte er unserer Redaktion.

Zimmermann vermisst klare Anweisungen. Schon die Corona-Pandemie sowie die Unwetterkatastrophen 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hätten "mehr als deutlich gemacht, dass der Bevölkerungsschutz aus seinem Dornröschenschlaf dringend reanimiert werden muss." Der Zivilschutz benötige dringend eine flächendeckende personelle und finanzielle Aufstockung auf allen Verwaltungsebenen. Dabei seien nicht klassische Großschadenslagen wie bei Explosionen oder Bränden das Problem: "Feuerwehr können wir in ganz Deutschland."

Zimmermann drängt die Politik, in Sachen Speziallagen zu handeln. Er zählt unter anderem auf: Ausfall der kritischen Infrastruktur, der Energie- und Treibstoffversorgung, der Kommunikationsnetze, Infektionslagen, CBRN-Lagen – gemeint sind chemische (C), biologische (B) sowie radiologische (R) und nukleare (N) Gefahren –, Ausfall der Lebensmittelversorgung oder pharmazeutischer Lieferketten. Zimmermann fügt unumwunden an: Es handle sich um die Bewältigung dieser Speziallagen, "die uns große Sorgen bereiten".

"Hierbei fehlen insbesondere auf der unteren Verwaltungsebene klare Handlungsstrategien, Handlungsempfehlungen, wie derartige Schadenslagen effektiv und effizient bewältigt werden können." Die entsprechenden Landeskatastrophenschutzgesetze müssten dringend der Realität angepasst werden.

Hilfstransporte in die Ukraine führt die baden-württembergische Feuerwehr derzeit nicht durch – Zimmermann zufolge liegen kaum entsprechende Gesuche vor. "Dies kann sich je nach Entwicklung der Lage unter Umständen rasch ändern."