Sollte man sich einmischen, wenn jemand belästigt oder man Zeuge einer Straftat wird? In Stuttgart und der Region haben Zeugen das am Wochenende getan und das teilweise teuer bezahlt. Foto: Regio - Philipp Weingand

Mehrere Menschen haben am Wochenende in Stuttgart und der Region Zivilcourage gezeigt und teilweise teuer dafür bezahlt. Doch wie verhält man sich richtig, wenn man Zeuge einer Straftat wird? Die Polizei gibt Tipps.

Stuttgart/Böblingen - Nachdem mehrere Menschen am Wochenende in Stuttgart-West, Stuttgart-Vaihingen und Böblingen wegen ihrer Zivilcourage körperliche Gewalt erfahren haben, rät die Polizei zu Besonnenheit.

In der Nacht zum Samstag hatte sich ein 20-Jähriger in einer S-Bahn in Richtung Herrenberg (Kreis Böblingen) eingemischt, als er mitbekam, wie eine Gruppe Halbstarker einen dunkelhäutigen Mann belästigte. Die Täter gingen zunächst auf ihn und später, am Bahnhof in Böblingen, auf einen weiteren 17-Jährigen los und schlugen auf sie ein. Mittlerweile ermittelt die Polizei wegen versuchter Tötung. "Das ist schon ein außergewöhnlicher Fall", sagt ein Sprecher der zuständigen Bundespolizei. "Leider kommt es aber immer wieder zu ähnlichen Taten, gerade im Party-Verkehr am Wochenende." Dann seien einfach viele Menschen rund um Stuttgart in den S-Bahnen unterwegs, manche von ihnen betrunken.

Wenn einmischen, dann richtig

Wenn es in einer S-Bahn zu Auseinandersetzungen kommt, gebe es mehrere Möglichkeiten, einzugreifen, so der Sprecher. Alarmiert ein Zeuge per Notruf die Beamten, kann die Polizei sich über den Fahrdienst der Deutschen Bahn mit dem Triebwagenführer der S-Bahn verbinden lassen und beispielsweise einen Nothalt arrangieren. "Dann muss man sehen, ob wir eine Streife hinschicken oder besser die Landespolizei, wenn die näher dran ist", so der Sprecher. Manchmal bekämen die Beamten auch von den Zugführern selbst Bescheid, wenn sie etwas beobachteten.

Täter am besten ignorieren

Sollte man als S-Bahn-Reisender eine Situation wie die am Samstag in der S1 beobachten, gelte vor allem eins: "Man sollte sich selbst nicht in Gefahr bringen", rät der Polizeisprecher. Zunächst sollte man den Notruf wählen und die Beamten informieren. Dann sei es unter Umständen hilfreich, andere Zeugen auf das Geschehen aufmerksam zu machen und so Öffentlichkeit herzustellen. Sollte man sich wirklich imstande fühlen, persönlich einzugreifen, solle man sich auf das Opfer konzentrieren und versuchen, es aus der Gefahrenzone zu bringen. "Die Täter sollte man komplett ignorieren", so der Polizeisprecher. Der Grund: so gehe man einer direkten Konfrontation mit ihnen aus dem Weg und minimiere die Gefahr, selbst angegangen zu werden.

Etwas anders gelagert war der Fall einer 22-Jährigen, die am Bahnhof Stuttgart-Rohr in Stuttgart-Vaihingen in der Nacht zum Samstag von einer 18-Jährigen geschlagen worden sein soll. Dabei hatte die 22-Jährige die jüngere Frau nur geweckt, damit die ihre Bahn nicht verpasst. "Das ist eine traurige Geschichte", sagt der Sprecher der Bundespolizei. Die Beamten sind aber derzeit noch etwas vorsichtig mit der Bewertung, weil sie bisher nur die Seite des mutmaßlichen Opfers kennen.

Mann im Westen schwer verletzt

In Stuttgart-West hat sich ebenfalls in der Nacht zum Samstag ein 48-Jähriger eingemischt, als er einen 28-Jährigen dabei beobachtete, wie er an mehreren Autos gegen die Außenspiegel schlug. Der ältere Mann fotografierte das Geschehen mit seinem Handy und sprach den mutmaßlichen Täter darauf an - der 28-Jährige soll daraufhin auf den Zeugen losgegangen sein und ihm schwerste Kopfverletzungen zugefügt haben.

Auch in diesem Fall hält sich die Polizei noch mit einer Bewertung zurück, da noch nicht alle Fakten geklärt seien, so eine Sprecherin. "Wir raten Zeugen aber generell, umsichtig zu reagieren, auch wenn das leichter gesagt ist als getan", sagt die Sprecherin und verweist auf die "Aktion Tu Was" der Behörden, die Hilfestellung zum Thema Zivilcourage geben soll. Auf der Homepage www.aktion-tu-was.de ist genau beschrieben, wie man sich als Zeuge in einer solchen Situation verhalten sollte.

Eines ist jedenfalls klar: Per Gesetz ist jeder Bürger verpflichtet, einzugreifen, sollte er Zeuge einer Straftat werden. "Aber niemand erwartet, dass man dabei die eigene Gesundheit aufs Spiel setzt", so die Polizeisprecherin. Den Notruf wählen, andere auf das Geschehen aufmerksam machen, sich bei der Polizei als Zeuge melden, all das sei ebenfalls Zivilcourage.