Das "weiße Gold" des Salar de Uyuni in Bolivien: Auf dem größten Salzsee der Erde will die Firma ACISA aus Zimmern ob Rottweil in großem Stil Rohstoff zur Lithiumgewinnung abbauen. Foto: Wolf

ACISA aus Zimmern ob Rottweil erfährt Gegenwind. Bürger machen mobil. Heiße Phase des Präsidenten-Wahlkampfs.

Zimmern ob Rottweil/Uyuni - Bolivien ist ein faszinierendes Land: reich an freundlichen und aufgeschlossenen Menschen, reich an jahrtausendealter Kultur, reich an hervorragenden Lebensmitteln, aber auch reich an wertvollen Bodenschätzen, die seit mehr als fünf Jahrhunderten die Begehrlichkeiten ausländischer Mächte wecken.

Heute heißt das neue "weiße Gold" Boliviens Lithium, ein für die Herstellung leistungsstarker Batterien unverzichtbarer Rohstoff. Mit dem Forcieren der E-Mobilität steigt nun auch die Nachfrage nach Lithium rasant an. International operierende Konzerne und Firmen, darunter auch die beiden deutschen Unternehmen ACISA aus Zimmern ob Rottweil und K-UTEC aus Thüringen, wollen nun diesen Schatz heben.

Der größte Salzsee der Welt mit einer Fläche von rund 11 000 Quadratkilometern und einer Mächtigkeit der Salzdecke von bis zu 180 Metern, der Salar de Uyuni auf der Andenhochfläche im Südwesten Boliviens, birgt die wohl größten Lithium-Vorkommen. Rund zehn Millionen Tonnen dieses für die Batterie-Herstellung so wichtigen Leichtmetalls werden hier vermutet. Für die Produktion einer E-Auto-Batterie werden zehn Kilogramm Lithium benötigt.

Generalstreik ausgerufen

Jetzt regt sich in der Bevölkerung der Region Potosi, zu der auch die Stadt Uyuni und der Salzsee gehören, massiver Widerstand gegen die Förderung von Lithium in diesem einmaligen Naturbiotop Salzsee. So befürchten die im Comité Cívico Potosinista (Comcipo) zusammengeschlossenen Bürger zum einen enorme Umweltschäden vor allem durch den horrenden Wasserverbrauch beim Lithium-Bergbau. Gerade die Hochland-Bauern, die vom Kartoffel- und Maisanbau sowie von der Tierhaltung leben, sehen ihre Existenz bedroht.

Zum anderen glauben sie nicht den Versprechungen der bolivianischen Regierung und der deutschen ACISA, die angekündigt haben, neben der Lithium-Förderung auch drei Batterie-Fabriken zu erstellen und so rund 1000 direkte sowie 10 000 indirekte Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. So hat jetzt in der Region Potosi ein Generalstreik begonnen, der nach Ankündigung des zweiten Vizepräsidenten des Comcipo, Nelso Guitérrez, nach und nach heftiger ausfallen wird.

Wer schon einmal einen derartigen Streik in Bolivien miterlebt hat, weiß, was hier heftig bedeutet: Da werden Straßenblockaden mit mächtigen Felsbrocken, offenem Feuer und querstehenden Trucks errichtet. Erst Mitte September war Uyuni fünf Tage lang durch solche Straßenblockaden von der Außenwelt abgeschnitten, weil die Bevölkerung der Stadt am Salzsee sieben Abgeordnete ihrer Region im bolivianischen Parlament dazu zwingen wollte, zurückzutreten. Die Menschen in Uyuni fühlten sich und ihre Interessen von den Abgeordneten verraten. Erst als auch die siebte Abgeordnete nach fünf Tagen zurücktrat, wurde der Streik beendet. Bis dahin saßen 400 Touristen in Uyuni fest.

Ein erklärtes Ziel des jetzigen Generalstreiks ist es, die Forderung des Gemeinderats von Potosi durchzusetzen, die Verträge mit ACISA und der chinesischen Xinjian TBEA-Gruppe aufzuheben. "Seit 500 Jahren werden wir ausgebeutet. Damit muss jetzt Schluss sein", meint ein Minenarbeiter vom Cerro Rico in Potosi.

Nur Wahlkampfgetöse?

Es wäre ein herber Rückschlag für das deutsch-bolivianische Gemeinschaftsprojekt, das vor knapp einem Jahr vielversprechend gestartet ist. Mitte Dezember 2018 wird in der baden-württembergischen Landesvertretung in Berlin die Gründung eines deutsch-bolivianischen Joint Ventures beschlossen. Die Gelegenheit zur Vertragsunterzeichnung lassen sich ranghohe Politiker beider Seiten nicht entgehen. Die Wirtschaftsminister auf Bundes- und Landesebene, Peter Altmaier und Nicole Hoffmeister-Kraut (beide CDU), sind zugegen, aus dem Andenstaat sind der Außen- und der Energieminister angereist. Mitten drin in der Politikerriege findet sich Wolfgang Schmutz, Kopf und Herz des Unterfangens, wider.

Dass sein Unternehmen, ACISA mit Sitz in Zimmern ob Rottweil, so weit gekommen ist, gilt beinahe als Sensation. Denn ACISA hat in einem aufwendigen Bieterverfahren weltweit agierende Konzerne aus dem Feld geschlagen. Die Regierung in Bolivien traut dem mittelständischen Unternehmen aus Deutschland am ehesten zu, die Belange der Bevölkerung und der Natur beim Lithium-Abbau zu berücksichtigen.

Den jetzigen Protesten zum Trotz hält Wolfgang Schmutz an dem Unternehmen fest. Dafür gebe es eine gesetzliche Grundlage. Den aufkeimenden Widerstand führt er auf die heiße Wahlkampfphase und das entsprechende Agieren der Opposition in Bolivien zurück. Sie nutze jede Chance, um auf sich aufmerksam zu machen. "Unser Projekt, das landesweit bekannt ist, eignet sich dafür mit am besten", sagt Schmutz im Gespräch mit unserer Zeitung. Möglicherweise würden auch potenzielle Mitbewerber, die bereits in Chile und Argentinien tätig seien und Interesse an Schürfrechten in Bolivien hätten, im Hintergrund die Porteste schüren.

Schmutz betont, dass das Projekt zum Nutzen der Bevölkerung sei. 51 Prozent der Gewinne verblieben im Land, die Bevölkerung habe einen gesetzlichen Anspruch an den Erträgen von drei Prozent. Er zeigt sich zuversichtlich, dass sich in eineinhalb Wochen, wenn die Präsidentschaftswahlen vorbei sind, die Gemüter wieder beruhigen. Also alles nur Wahlkampfgetöse?