Rafael Ruaro aus Brasilien (von links), Tim Burkardt aus Australien und Abdulhamid Kalash aus Syrien unterstützen den Flözlinger Braueremeister Rolf Schittenhelm bei der Arbeit. Fotos: Cools Foto: Schwarzwälder Bote

Multi-Kulti: Ein Brasilianer, ein Australier und ein Syrer tragen zum Erfolg der Hirschbrauerei in Flözlingen bei

Eigentlich wollte er nur einen Auszubildenden aufnehmen, jetzt arbeiten ein Brasilianer, ein Australier und ein syrischer Flüchtling bei Rolf Schittenhelm in der Hirschbrauerei. Und so verschieden sie auch sind, eins teilen sie: die Liebe zum Bierbrauen.

Zimmern-Flözlingen. Drei Geschichten, eine Leidenschaft, und einer, der bereit war, eine ganz besonderen Trio eine Chance zu geben. Rolf Schittenhelm ist seit 27 Jahren Chef der Hirschbrauerei in Flözlingen. Der gelernte Brau- und Mälzermeister hat den 1793 gegründeten Familienbetrieb als jüngster Sohn übernommen. Zusätzlich reist er zweimal pro Jahr ins Ausland, um dort Brauerei-Projekte zu übernehmen.

Fast schon eine Tradition ist die Aufnahme von Praktikanten und Auszubildenden aus aller Welt. So habe er bereits zwei aus Italien gehabt, die mittlerweile ihre eigene Brauerei besitzen. "In Italien freuen sie sich natürlich über gutes deutsches Bier", meint Schittenhelm. Vor sieben Jahren stand Rafael Ruaro aus Brasilien bei ihm auf der Matte. "Ich bin mit meiner Frau nach Deutschland gekommen, um zu arbeiten", erklärt der heute 35-Jährige.

Eine Zeit lang habe er in einem italienischen Eiscafé gearbeitet – "die Sprache ist für uns einfacher", meint Ruaro – doch dann habe dieses geschlossen. "Ich habe überlegt, was die Deutschen gut können, und kam auf Autos und Bier", erklärt der 35-Jährige. Die Sprachbarriere war damals enorm. "Er konnte kaum Deutsch. Sein erster Satz, als er vor mir stand, war: Ich will Bier lernen", erinnert sich Schittenhelm schmunzelnd.

"35 Jahre sind das richtige Alter"

Ruaro machte eine schwere Zeit durch und kehrte nach einer Weile zurück nach Brasilien. Doch nicht für lange. 2014 wagte er einen neuen Versuch, diesmal mit besserem Deutsch, und begann die Lehre zum Brauer. "Die Schule war schwer, aber er hat es durchgezogen", ist Schittenhelm stolz auf seinen Schützling. Vergangenes Jahr hat Ruaro seine Lehre nach vielen Höhen und Tiefen abgeschlossen. "Es gab Momente, in denen er aufstecken wollte, aber er hat es dann doch geschafft", sagt Schittenhelm. Ruaro will eines Tages nach Brasilien zurückgehen, um in Santa Catarina im Süden eine eigene Brauerei zu eröffnen.

Bald besucht eine Delegation potenzieller Investoren aus Brasilien Flözlingen. "35 Jahre sind das richtige Alter für die Selbstständigkeit. Ich habe mit 23 angefangen. Da weiß man noch nicht so recht, was auf einen zukommt", sagt der 50-jährige Braumeister.

Ihm ging es so in Sachen Mitarbeiter. Denn nach Ruaro stand gleich der nächste Interessent vor seiner Tür, der 19-jährige Tim Burkardt aus Australien. Seine Eltern kommen ursprünglich aus Rottweil. Sie sind vor 21 Jahren ausgewandert. Burkardt wollte in Deutschland eine Lehre machen, doch bei Schittenhelm biss er zunächst auf Granit. "Ich nehme immer nur einen Lehrling, hab mich aber dann doch erweichen lassen", sagt der 50-Jährige lachend. Burkardt sei eben sehr hartnäckig gewesen. Das Lehrjahr hatte eigentlich schon begonnen, als der junge Australier im vergangenen November einstieg. Doch nach ein bisschen Papierkram und Gesprächen war auch diese Hürde überwunden.

Und die Gruppe um den Brauer wurde noch größer. "Eines Tages rief mich das Jobcenter an und schilderte den Fall von Hamid. Er wollte unbedingt arbeiten. Ich hatte zwar keinen Platz, habe ihm aber schließlich doch ein Praktikum angeboten", erzählt Schittenhelm.

Aus dem Krieg in Syrien in ein neues Leben

Der 51-jährige Abdulhamid Kalash ist vor zwei Jahren aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland gekommen. In seiner Heimat arbeitete er als Laborant in einem Krankenhaus. Der Krieg zwang ihn zur Flucht. Seine zwei Brüder starben beim Protest gegen das Assad-Regime. "Ich bin froh, dass meine Familie hier ist. Sie war das Einzige, was ich vermisst habe", sagt der Syrer.

Schittenhelm ist froh über seine neue Arbeitskraft, die er meist in der Küche oder im Biergarten einsetzt. "Hamid ist ein toller Mensch – hilfsbereit, höflich und ehrlich. In kürzester Zeit hat er sich beeindruckende Deutschkenntnisse angeeignet", meint der Braumeister. "Ich wollte ihm unbedingt eine Chance geben." Der Syrer sei das perfekte Beispiel für gelungene Integration. Auch der Umgang mit Schweinefleisch oder Alkohol, beides tabu für den Mann muslimischen Glaubens, sei kein Problem. Den ein oder anderen despektierlichen Spruch von den Gästen gegen den Syrer ignoriere dieser einfach. "Das kommt schon mal vor, aber zum Glück selten", sagt Schittenhelm. "Ich habe viele deutsche Freunde in Flözlingen und Stetten. Es ist toll, wie man mir hier hilft", sagt Kalash. Derzeit macht er den Führerschein.

So haben die Drei ihren Platz gefunden. Ruaro hat die Brauerei fest im Griff, Burkardt will ebenfalls einmal seine eigene Brauerei eröffnen, und Kalash ist die gute Seele des Hauses. Der 51-Jährige bekocht die Kollegen für sein Leben gern.

Und auch zur ein oder anderen lustigen Situation kommt es, nämlich, wenn der Brasilianer dem Australier, der nur Hitze gewöhnt ist, bei einer Trockenübung zeigt, wie man im Winter Schnee schippt.