Erwin Teufel (von links) erhält das erste Exemplar der Chronik aus den Händen von Autor Walter Schwer. Bürgermeister Emil Maser bekommt das dritte. Nummer zwei ging an Gustav Kammerer, seinen Vorgänger im Amt. Foto: Parage

Walter Schwer stellt neue Chronik offiziell vor. Bürgermeister Maser meint: "Engagierte sind Herz und Grundpfeiler".

Es ist ein Abend, wie ihn Zimmern seit Jahrzehnten nicht erlebt hat: Gestern wurde die neue Orts-Chronik offiziell vorgestellt: "Zimmern o. R. im 20. Jahrhundert. Band eins – 1900 bis 1945." Das Vorgänger-Werk erschien bereits 1937.

Mancher dürfte ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben in der Zimmerner "Arche": Walter Schwer stand vorne, am Pult, und erklärte Geschichte. Ist der einstige Latein-, Politik- und Geschichtslehrer nicht seit drei Jahren im Ruhestand? Ist er. Genau diese Tatsache hatte ihm genug Zeit verschafft, um eine neue Zimmerner Orts-Chronik zu schreiben (wir berichteten). Gestern Abend stellte er sie vor.

"Es wir schwerer, Menschen zu finden, die Verantwortung und Pflichten übernehmen", sagte Bürgermeister Emil Maser zu Beginn. Die, die es tun, die Ehrenamtlichen wie Walter Schwer, die seien das Herz und die Grundpfeiler des gesellschaftlichen Lebens. Maser verwies auf die akribische Kleinarbeit, in der Schwer alte Protokolle gelesen, in historischen Tagebüchern geschmökert und unzählige Dokumente gesichtet hatte. "Dein Wohn- und Arbeitszimmer glich oft einer Schreibstube." Und dies, so Maser, wohl nicht immer zur Freude von Ehefrau Barbara.

Gestern dürfte sie dennoch zufrieden gewesen sein mit ihrem Mann. Der 66-Jährige berichtete von den Jahren 1900 bis 1945, die sein Werk umfasst, in Zimmern. Die Zeit einer Schulstunde reichte nicht für seine Ausführungen. Interessant und, dank mancher Anekdote, kurzweilig, waren sie dennoch.

Schwer berichtete vom Bauerndorf, das Zimmern zu Beginn des Ersten Weltkriegs war, und davon, wie immer mehr Menschen in der Industrie eine Arbeit fanden. Er erzählte von Tagebucheinträgen der Soldaten an der Front, die anfangs noch mit den Franzosen scherzten. Und er informierte über die Einschränkungen und die Armut, unter der die Zimmerner während dieses Krieges litten.

Das Wahlverhalten der Bürger in der Weimarer Republik war ebenso Thema wie die schlechte Infrastruktur. Darüber hinaus ließ Schwer seine Zuhörer daran teilhaben, welche Unterstützung Arbeitslose in den 20er- und 30er-Jahren erhielten.

Er berichtete vom Dritten Reich und den national-sozialistischen Organisationen, die in Zimmern nie so richtig Fuß fassen konnten. Die NSDAP-Kreisleitung etwa meinte 1935, dass die eigenen Jugendgruppen "durch die rege Tätigkeit der katholischen Geistlichkeit gefährdet" seien. Immer wieder ordnete Schwer die Geschehnisse in Zimmern in den globalen geschichtlichen Zusammenhang ein.

Bei seinen Recherchen für die Chronik hatte der Pensionär viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Ein weiterer meldete sich gestern Abend zu Wort, nachdem Walter Schwer ihm ein Exemplar seiner Chronik überreicht hatte: Erwin Teufel, früherer CDU-Ministerpräsident, aber vor allem gebürtiger Zimmerner.

Der 20. April 1945 sei der erste Tag in seinem Leben, an den er sich noch ganz erinnere, sagte Teufel. Mit anderen Kindern habe er sich in der Moste von Franz Teufel versteckt. An diesem Tag habe er das ersten Mal Schwarze –nämlich aus einer marokkanischen Einheit, die in Zimmern einmaschierte – und Panzer gesehen. "Der ganze Ortskern war in Flammen", berichtete Erwin Teufel. "Man vergisst das nicht." Viele weitere Erinnerungen an die Geschichte des Ortes geraten nun ebenfalls nicht in Vergessenheit: Walter Schwer hat sie in seiner Chronik verewigt.n Die Chronik ist im Zimmerner Rathaus, in den Ortsverwaltungen Flözlingen, Stetten und Horgen sowie in der Kreissparkasse und der Volksbank in Zimmern und bei Walter Schwer erhältlich. Das Buch kostet 23,80 Euro.